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PolitikEuropa

Chère Angela und der liebe Emmanuel

Marina Strauß
20. August 2020

Merkel besucht Macron erstmals auf dem Sommersitz des französischen Präsidenten. Eine besondere Ehre für die Kanzlerin. Und der perfekte Anlass, um vor malerischer Kulisse deutsch-französische Einigkeit zu demonstrieren.

Frankreich Bormes-les-Mimosas | Fort de Bregancon | Macron begrüßt Merkel
Begrüßung in Zeiten von CoronaBild: Getty Images/AFP/C. Simon

Angela Merkel scheint angetan vom Fort de Brégançon. "The best place in the world", der beste Ort der Welt, sagt sie, als sie den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dessen Frau Brigitte mit einem kleinen - coronabedingten - Knicks begrüßt.

Macron hatte Merkel zum ersten Mal in die imposante Festung am Mittelmeer eingeladen. Zu Gast in der Sommerresidenz der französischen Präsidenten zu sein, ist eine Ehre, die nur sehr wenigen Politikern zuteil wird.

Die britische Premierministerin Theresa May war 2018 da, Präsident Putin im vergangenen Sommer. Vor fast genau 35 Jahren gewährte François Mitterand Bundeskanzler Helmut Kohl einen Besuch. Der erste - und bis zu diesem Augusttag letzte - eines deutschen Regierungschefs.

Fort de Brégançon: die Sommerresidenz der französischen Präsidenten in Südfrankreich aus dem 17. JahrhundertBild: picture-alliance/dpa/S. Nogier

Merkel erinnert gleich zu Beginn ihres kurzen Statements vor einigen wenigen versammelten Journalisten an diese Einladung. Sie habe damals, 1985, noch in der DDR gelebt und sich nicht träumen lassen, eines Tages einmal an diesem Ort zu sein. "Insofern ist das für mich heute ein sehr besonderer Tag", sagt sie.

EU rückt in Corona-Zeiten zusammen

Es ist das erste Mal seit dem historischen EU-Gipfel im Juli, dass sich Macron und Merkel persönlich treffen. Sowohl "chère Angela" als auch der "liebe Emmanuel" - so wenden sich beide an diesem Sommerabend aneinander - betonen, dass es vor allem der deutsch-französische Motor gewesen sei, der zum Erfolg geführt habe.

Bei dem vier Tage währenden Treffen rangen die 27 Staats- und Regierungschefs um das neue Sieben-Jahre-Budget der EU und um einen 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds. Macron verkauft dieses Ergebnis auf Fort de Brégançon erneut als Erfolg, insbesondere, dass 390 Milliarden Euro davon als Zuschüsse an besonders von der Krise betroffene Länder vergeben werden sollen.

Angela Merkel und Emmanuel Macron auf Fort de BrégançonBild: picture-alliance/AP Photo/C. Simon

Auf den Fotos und Tweets, die Macron und Merkels Sprecher verbreiten, und auch während der Pressekonferenz wird deutlich, dass beide sich nichts mehr wünschen, als Einigkeit zwischen den beiden größten - und mächtigsten - Ländern der EU zu demonstrieren.

Das ist insofern bemerkenswert, als dass diese Einigkeit bis vor kurzem noch sehr brüchig war. Macron verfolgt seit seiner Wahl 2017 ehrgeizige Pläne für Europa. Die Versuche, Merkel dafür zu gewinnen, schlugen allerdings lange weitestgehend fehl. Auf Fort de Brégançon ist es nun aber die Kanzlerin, die verkündet, die EU müsse als geopolitischer Akteur auftreten.

"Europa ist dann stark, wenn es mit einer Stimme spricht", sagt sie und bezieht sich damit auch auf den historischen EU-Gipfel im Juli. Allein die Tatsache, dass gerade Merkel es war, die sich mit Macron dafür einsetzte, dass zum ersten Mal in der Geschichte der EU Schulden gemeinsam aufgenommen werden, wäre vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar gewesen.

Für Merkels Schritte in Richtung Macron, die auch bei diesem Treffen wieder deutlich hervortreten, sind mehrere Faktoren ausschlaggebend. Zum einen lässt die COVID-19-Krise bisherige Maximen ins Wanken geraten. Dazu kommen die Annahmen, dass die USA im Moment kein verlässlicher Partner mehr für Europa sind. 

Deutschland hat in diesem zweiten Halbjahr 2020 die EU-Ratspräsidentschaft inne. Da sich Angela Merkels Zeit als Kanzlerin dem Ende zuneigt, bieten diese Monate für sie zudem die Chance, ihr politisches Erbe und vor allem ihr europapolitisches Vermächtnis zu prägen.

Solidarität mit Nawalny

Macron hat andere Beweggründe, das Bündnis mit Deutschland nach vorne zu treiben. Er verliert - spätestens seit den Gelbwesten-Protesten und den Demonstrationen gegen die Rentenreform - im eigenen Land an Boden und hofft, mit Blick auf die nächste Präsidentenwahl 2022 außenpolitisch punkten zu können.

Bevor Macron und Merkel sich auf Fort de Brégançon zum gemeinsamen Abendessen zurückziehen, betonen beide noch, dass sie die friedlichen Demonstranten in Belarus unterstützten und dem russischen Regierungskritiker Alexej Nawalny, der wegen einer möglichen Vergiftung im Koma liegt, jegliche Hilfe gewähren würden. 

Selbst bei Themen, bei denen sich beide nachweislich nicht komplett einig sind, wird bewusst Zusammenhalt demonstriert, schließlich könne es eben auch mehrere Wege zum Ziel geben. Oder, um es in Merkel Worten zu beschreiben: "Wir sind ganz unterschiedliche Charaktere, das ist ja auch schön, dass der Herrgott die Menschen unterschiedlich geschaffen hat."

Beim Treffen in Schloss Meseberg - dem Gästehaus der Bundesregierung - berieten Macron und Merkel über den Corona-Wiederaufbaufonds (29. Juni 2020)Bild: Getty Images/M. Hitij

Im Streit um Erdgasfelder im östlichen Mittelmeer - zwischen der Türkei auf der einen und Griechenland sowie Zypern auf der anderen Seite - gilt Macron in der EU als härtester Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Frankreich hat infolge des Konflikts seine Militärpräsenz erhöht, während Deutschland auf Diplomatie setzt.

Was die Lage nach dem Putsch in Mali angeht, hat Frankreich "große Lasten", sagt Merkel. Von einer Journalistin darauf angesprochen, ob Macron nicht mehr militärisches Engagement von Deutschland erwarte, wiegelt er ab: Jeder müsse seine Stärken ausspielen, sagt er.

Ein Augusttag in einer Sommerresidenz ist wohl nicht der beste Zeitpunkt, Kritik zu üben. Außerdem stehen noch große Herausforderungen für das deutsch-französische Paar bevor. Der hart ausgehandelte EU-Haushalt muss im Herbst noch vom EU-Parlament und mehreren nationalen Parlamenten gebilligt werden.

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