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Kanzlerkandidaten streiten über Nord Stream 2

26. Juni 2021

Die möglichen Merkel-Nachfolger Laschet, Scholz und Baerbock diskutieren über Außenpolitik: Da muss man schon genau hinhören, wenn man Unterschiede ausmachen will. Doch es gibt sie, etwa beim Thema Nord Stream 2.

Deutschland Triell l Zukunft Deutscher Außen- und Sicherheitspolitik l Laschet, Baerbock, Scholz
Drei ziemlich einig: Armin Laschet (links), Annalena Baerbock und Olaf Schulz (rechts)Bild: Christian Mang/REUTERS/Pool/dpa/picture alliance

Die beim Anschlag in Mali verletzten deutschen Soldaten sind gerade auf dem Weg in ein Militärkrankenhaus in Koblenz, als Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet in Berlin die Zukunft der Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands diskutieren.

Die grüne Kanzlerkandidatin und ihre Konkurrenten von den Sozialdemokraten und der konservativen CDU stellen sich auf Einladung der Münchner Sicherheitskonferenz MSC und des ARD-Fernsehens Fragen zur Rolle Deutschlands in der Welt. Etwa der Frage, ob man sich nicht besser raushalten sollte, wenn es brandgefährlich wird wie in Mali.

Merkel wirkt nach

Nein, sagt SPD-Spitzenkandidat Scholz, der Auslandseinsätze der Bundeswehr befürwortet. "Es wird auch für die Zukunft eine große Aufgabe sein, dass wir dazu bereit sind", so Scholz. Baerbock und Laschet widersprechen dem nicht, auch wenn die Kandidatin der Grünen zumindest die Ausbildung malischer Truppen durch deutsche Soldaten beenden will.

Die Kandidatin und ihre Konkurrenten im Gespräch mit Tina Hassel (2. v.r.) und Wolfgang Ischinger (rechts)Bild: MSC/Michael Kuhlmann

In vielen außenpolitischen Fragen liegen die möglichen Nachfolger Merkels sehr nah beieinander. Sie setzen alle drei auf internationale Verträge und Organisationen, wollen eine aktivere Rolle Deutschlands in der Welt, bewegen sich damit in den Leitplanken deutscher Außenpolitik der Ära, die Bundeskanzlerin Angela Merkel geprägt hat. Etwa, wenn es um die Stärkung der Europäischen Union geht. Die Kandidaten wollen sich dafür einsetzen, dass einzelne EU-Mitgliedsstaaten in Zukunft wichtigen außenpolitische Entscheidungen nicht mehr blockieren können.

Kein Geld für Orbán?

Zuletzt hatte Ungarn mehrmals dafür gesorgt, dass die EU Peking für die Abschaffung demokratischer Prinzipien in Hongkong nicht verurteilte. Laschet, Baerbock und Scholz wollen solch ein Veto bis zum Jahr 2025 unmöglich machen. Das Ende des Einstimmigkeitsprinzips allerdings fordern deutsche Politiker allerdings seit Jahrzehnten, in greifbarer Nähe ist es bislang nicht.

Wie also umgehen mit einem schwierigen Partner wie dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban? In dieser Frage zeigen sich die deutlichsten Unterschiede zwischen den deutschen Kanzlerkandidaten. Während Scholz und Laschet hier eher passiv erscheinen, will Baerbock in die Offensive gehen. Als Reaktion auf ein ungarisches Gesetz, das Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert, will sie dem Land möglichst schnell EU-Gelder streichen. "Das kann so nicht gehen, wir können doch nicht unsere eigenen Werte mit Füßen treten", sagt die Grünen-Chefin.

Ohne Regierungsamt ins Kanzleramt?

Insgesamt wirkt Baerbock in diesem "Triell" der drei Kandidaten am kämpferischsten. Auch ihre beiden Gegner bescheinigen ihr an diesem Abend "Idealismus" und "Engagement". Doch die Grüne hat ein Problem: laut einer Umfrage der Körber-Stiftung trauen die Deutschen Laschet und Scholz deutlich mehr zu auf internationaler Bühne.

Baerbock bringe zwar eine ganze Menge an außenpolitischer Kompetenz und Erfahrung mit, sagt Nora Müller, Leiterin des Hauptstadtbüros der Körber-Stiftung, im Gespräch mit der DW. "Aber sie hatte eben noch kein Regierungsamt inne. Im Gegensatz zu Olaf Scholz, der als Finanzminister viel internationale Erfahrung hat und auch zu Armin Laschet als Ministerpräsident des größten deutschen Bundeslandes mit sehr vielen europäischen Verflechtungen." 

Baerbock nah bei Biden

Baerbock versucht, klare Kante gegenüber Autokratien zu zeigen. Sie fordert einen Importstopp für chinesische Waren, die durch Zwangsarbeit der uigurischen Minderheit produziert wurden. Laschet und Scholz dagegen beschwören mit Blick auf Peking den "Wandel durch Annäherung", wie ihn in den 1960er und 1970er Jahren Bundeskanzler Willy Brandt gegenüber der Sowjetunion und Osteuropa betrieb.

Nora Müller leitet das Hauptstadtbüro der Körber-StiftungBild: Claudia Höhne

In der härteren Rhetorik gegenüber Autokraten sieht der Frankfurter Politikwissenschaftler Gunther Hellmann eine gewisse Nähe der möglichen Kanzlerin Baerbock zum amerikanischen Präsidenten Joe Biden. "Dies zeigte sich am deutlichsten beim Thema Nord Stream 2", so Hellmann im Gespräch mit der DW.

Gas als mögliches Druckmittel

Baerbock fordert wie Biden einen Baustopp für die Ostsee-Pipeline, durch die schon bald russisches Gas nach Deutschland fließen könnte. Ihre Sorge: Der russische Präsident Putin könnte damit das bisherige Gas-Transitland Ukraine stärker unter Druck setzen. Der Pipeline-Bau gilt als derzeit größter Streitpunkt zwischen Berlin und Washington.

"Nord Stream 2 ist ja in vielerlei Hinsicht auch eine Chiffre für den Umgang mit Russland insgesamt", sagt dazu Nora Müller von der Körber-Stiftung. "Aber, das zeigen unsere Zahlen, die Grünen haben da die Mehrheit der Deutschen nicht auf Ihrer Seite. Die Bundesbürger schauen vergleichsweise positiv und zustimmend auf dieses Projekt."

Die Kandidaten von CDU und SPD wollen die Pipeline ebenfalls in Betrieb nehmen. Allerdings, so Laschet: "Dies darf nicht zu Lasten der Ukraine laufen. Und sollte sich Präsident Putin an diese Regel nicht halten und es gegen die Ukraine einsetzen, kann man es jederzeit, selbst wenn die Pipeline in Betrieb ist, wieder stoppen."

Fast fertig: ein russischer Verlegeschiff arbeitet an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2Bild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Derzeit wird zwischen Berlin und Washington wieder intensiver über einen Kompromiss in Sachen Nord Stream 2 verhandelt.Politikwissenschaftler Hellmann vermutet, dass dieser bis zum Besuch Merkels bei Biden am 15. Juli stehen soll. Dann wird wohl auch wieder über das Zwei-Prozent-Ziel der NATO gesprochen. Noch gibt Deutschland etwa 1,56 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung aus. Laschet und Scholz wollen diese Quote in Richtung zwei Prozent erhöhen. Baerbock dagegen will sich auf keine Zahl festlegen. Doch auch sie fordert eine bessere Einsatzfähigkeit der Bundeswehr.

"Alle drei Kandidaten haben eine große Schnittmenge im Hinblick auf konsensuale Positionen deutscher Außenpolitik", sagt Außenpolitik-Experte Hellmann. Außerdem seien sie nicht, wie etwa Donald Trump es war, völlig unerfahren, was das internationale Geschäft angeht. Zumindest Deutschlands Partner in der Welt dürften daher entspannt auf die Bundestagswahl am 26. September schauen.

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