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"Kanzlers Kunst": Schmidts private Sammlung

4. Oktober 2020

Für Altbundeskanzler Helmut Schmidt und seine Frau Loki war die Kunst Teil ihres Lebens. Mit "Kanzlers Kunst" gewährt das Hamburger Barlach Haus Einblicke.

Helmut Schmidt neben Barlachs "Rächer". Die Plastik ist Teil der Sammlung Helmut und Loki Schmidt im Hamburger Ernst Barlach Haus
Helmut Schmidt neben Ernst Barlachs 1914 geschaffener Skulptur "Der Rächer" im Ernst Barlach Haus 1977Bild: Archiv Ernst Barlach Haus

Bekanntlich schätzte Helmut Schmidt (1918-2015) die Künste - als Staats-, wie als Privatmann. Er spielte virtuos Klavier. Doch für alle Welt sichtbar wurde seine Liebe zur Kunst, als er Henry Moores Stahlplastik "Large Two Forms" vor dem Bonner Kanzleramt aufstellen ließ. Auch Schmidts Besuch bei Ernst Barlachs Figur des "Schwebenden" im Güstrower Dom während des DDR-Staatsbesuchs 1981 ließ an seinem Kunstverständnis keinen Zweifel. Seine Verehrung für den Bildhauer Barlach führte den Kanzler und seine Frau regelmäßig in dasErnst Barlach Haus im Hamburger Jenischpark. Das Museum zeigt jetzt gemeinsam mit der Helmut und Loki Schmidt Stiftung und der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung die private Sammlung des prominenten Paares. Dazu zählen rund 150 Gemälde und Plastiken.

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09:19

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Über Jahrzehnte hinweg hatten Helmut und Loki (1919-2010) Kunstwerke zusammengetragen, eine "Mischung aus Sammlung und Sammelsurium", wie Museumsleiter Karsten Müller sagt; die Beiden seien schließlich keine Kunstexperten gewesen. "Sie waren keine Sammler im strengen Sinne. Sie waren nicht getrieben von einer Leidenschaft, dieses und nur jenes Stück zu bekommen, sondern sie haben sich, glaube ich, bei Galerie-Besuchen zum Beispiel oder beim Blättern durch Auktionskataloge verständigt, was ihnen gefällt, und die Werke dann erworben", so Müller im Interview mit dem NDR. "Es war eine sehr entspannte Vorstellung von guten Gelegenheiten, die sich ergeben haben und die so eine Wohnung über die Jahrzehnte auch gut füllen können".

Im Hause Schmidt: Kunst als Kulisse für die Weltpolitik

Blick auf die "Petersburger Hängung" im privaten Wohnhaus von Helmut und Loki Schmidt in Hamburg-LangenhornBild: Andreas Weiss

Die gesammelten Werke hingen oder standen in ihrem Privathaus in Hamburg-Langenhorn, inmitten einer - von dem gewerkschaftseigenen Baukonzern Neue Heimat errichteten - bürgerlichen Wohnsiedlung. So bildeten sie zugleich die Kulisse für den Empfang zahlloser Staatsgäste, die der Kanzler hierher einlud. Darunter waren der sowjetische Staats- und Parteichef Leonid Breschnew (1906-1982) ebenso wie Frankreichs Staatspräsident Giscard d'Estaing (*1926). Schmidt betrieb gewissermaßen Weltpolitik im Wohnzimmer. 

Die Schmidts hätten nicht gezielt gesammelt, sagt Stefan Herms, Geschäftsführer der Helmut-und-Loki-Schmidt-Stiftung. Es seien vor allem "emotionale Einzelentscheidungen" gewesen. Kunst habe das Leben im Haus der Schmidts sehr geprägt, wo die Kunstwerke in "Petersburger Hängung", also dicht und eher zufällig, die Wände zierten. Weil die Schmidts ihre zum Teil sehr kostbaren Werke nicht professionell gepflegt hatten, mussten zahlreiche Werke im Sommer dieses Jahres erst restauriert werden. In vielen dürfte noch der Zigarettenqualm des ewigen Kettenrauchers Schmidt gehangen haben.

"Kanzlers Kunst": Vom Wohnhaus ins Museum

Paula Modersohn-Beckers "Sitzender Junge in Dünenlandschaft" war im Besitz der SchmidtsBild: Andreas Weiss

Der norddeutsche Bildhauer Ernst Barlach (1870-1938) und der expressionistische Maler Emil Nolde (1867-1956) hatten es den Schmidts angetan. Sie waren die Lieblingskünstler des Kanzlerpaares. Helmut und Loki unterhielten persönliche Kontakte zur Künstlerkolonie Worpswede, was sich auch in ihrer Sammlung niederschlug: Werke von Otto Modersohn, Paula Modersohn-Becker und Fritz Overbeck sind deshalb jetzt ebenfalls im Ernst Barlach Haus ausgestellt. Von den "Brücke"-Expressionisten sind Karl Schmidt-Rotluff, Erich Heckel und Max Pechstein vertreten. Die Auswahl verrät ganz nebenbei auch die Vorliebe der Schmidts für Künstler, die in der NS-Zeit als "entartet" diffamiert wurden. 

Empfangen werden die Besucher der Ausstellung von zwei Schmidt-Porträts. Mitte der 1980er Jahre ließ Helmut Schmidt sich von dem prominenten DDR-Maler Bernhard Heisig (1925-2011) porträtieren. Er verstand seine Wahl auch als ein politisches Statement für die gemeinsame deutsche Kulturnation. Das zweite Porträt zeigt Loki Schmidt. Gemalt hat es Heises Ehefrau Gudrun Brüne-Heisig (*1941). In der Mitte der Sonderausstellung steht außerdem eine mächtige Bronze-Skulptur des Altkanzlers von Rainer Fetting (*1949), bei der die Menthol-Zigarette nicht fehlen darf.

Kunst im Wohnhaus der Schmidts - zufällig und dicht gehängt

Ein ganz besonderes Erinnerungsstück aber sind zwei kleine Tonfiguren: Die eine zeigt Schmidt als Amtsinhaber im staatsmännischen Anzug, die andere seinen Herausforderer im Rennen um das Kanzleramt. Es handelte sich um den bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß. Dieser trägt Lederhose und hält ein überschäumendes Bierglas in der Hand.

40 Jahre nach der Bundestagswahl, bei der die sozialliberale Koalition gewann und Schmidt im Amt bestätigt wurde, sind die Kontrahenten friedlich vereint - als ein Set aus Salz- und Pfefferstreuer. "Er war ein ernstzunehmender Gegner", sagte Schmidt über Strauß - und platzierte die Figuren in der Gästetoilette.

Das Ehepaar Schmidt 1977 bei der Eröffnung einer Kunstausstellung im Ernst Barlach HausBild: Archiv Ernst Barlach Haus Hamburg

Literatur über "Kanzlers Kunst"

Parallel zu der Ausstellung, die vom 4. Oktober bis zum 1. Januar 2021 zu sehen ist, sind zwei Bücher erschienen, die das kunstsinnige Leben der Schmidts in ihrem "Kanzlerhaus" illustrieren: "Zuhause bei Loki und Helmut Schmidt"heißt das schön gemachte und mit Fotos von Michael Zapf illustrierte Buch, das die Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung im Hamburger Verlag Edel Books herausgegeben hat. Informativ ist auch "Kanzlers Kunst. Die private Sammlung von Helmut und Loki Schmidt", herausgegeben von der Helmut und Loki Schmidt Stiftung und erschienen im Hamburger Verlag Dölling und Galitz.

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