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PolitikAsien

Karakalpakstan: Der Kampf um Autonomie

Sinem Özdemir
4. Juli 2022

Tagelang haben die Menschen in der autonomen Republik Karakalpakstan dagegen protestiert, dass eine Verfassungsänderung in Usbekistan ihnen ihre Selbstbestimmung nehmen sollte. Was steckt dahinter?

Karakalpakstan Nationalflagge
Der Stolz der autonomen Republik: Karakalpakstan hat eine eigene NationalflaggeBild: Leonid Altman/Zoonar/picture alliance

Mittlerweile hat der usbekische Präsident Schawkat Mirsijojew nachgegeben: Karakalpakstan soll autonome Republik bleiben. Vorausgegangen waren Massendemonstrationen in und um Karakalpakstans Hauptstadt Nukus, nachdem Pläne einer Verfassungsreform bekanntgeworden waren, in denen der souveräne Status der Region nicht mehr vorkam.

Laut offiziellen Berichten hatten die Demonstranten versucht, Regierungsgebäude zu stürmen. "Es gab Opfer unter Zivilisten ebenso wie unter den Sicherheitskräften", ließ Präsident Mirsijojew verlauten. Gleichzeitig verhängte er einen vierwöchigen Ausnahmezustand in Karakalpakstan.

Die autonome Republik im Nordwesten Usbekistans grenzt an Turkmenistan und Kasachstan. Knapp zwei Millionen Menschen leben dort, kaum mehr als fünf Prozent der 36 Millionen Einwohner Usbekistans. Die Fläche des dünn besiedelten Karakalpakstans umfasst dagegen fast 40 Prozent Usbekistans. Dazu gehört auch ein Uferstreifen des dramatisch austrocknenden Aralsees - die Republik besteht zu großen Teilen aus Wüstengebieten und hat kaum fruchtbaren Boden. Die Arbeitslosenquote ist hoch und Karakalpakstan ist wirtschaftlich vom Rest Usbekistans abhängig.

Die Karakalpaken, deren Name so viel wie "schwarzer Hut" bedeutet und sich von einer traditionellen schwarzen Kopfbedeckung ableitet, sind ein zentralasiatisches Turkvolk mit einer eigenen Sprache, die dem Südkasachischen ähnlich ist. Die Bevölkerung der autonomen Republik besteht heute - grob geschätzt - zu einem Drittel aus Karakalpaken, einem weiteren Drittel aus Usbeken und einem Viertel aus Kasachen; dazu kommen weitere ethnische Minderheiten.

Das Erbe der Autonomie

Karakalpaken haben seit dem 18. Jahrhundert in der Gegend um den Fluss Amudarja in Zentralasien gesiedelt und gehörten ab 1920 zur Sowjetunion. Die Region wurde zunächst autonomes Gebiet und 1932 zur Karakalpakischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik. Ab 1936 war die Karakalpakische ASSR Teil der Usbekischen Sozialistischen Sowjetrepublik, als einzige autonome Republik in Zentralasien. 1991 erklärte Karakalpakstan seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion und schloss sich ein Jahr später wieder dem unabhängigen Usbekistan an - unter der Bedingung, dass seine Autonomie erhalten blieb.

Die entscheidende Rolle des Referendums

1993 unterzeichnete Karakalpakstan mit der Zentralregierung in Taschkent ein auf 20 Jahre angelegtes Abkommen, dass der autonomen Republik das verfassungsmäßige Recht garantierte, sich durch eine Volksabstimmung von Usbekistan loszusagen. Laut dieser Vereinbarung sollten die Parteien nach zwei Jahrzehnten entweder das Abkommen verlängern oder die Karakalpaken sollten ein Referendum über die Loslösung von Usbekistan abhalten. Aber 2013 gab es keine Abstimmung. Zwar existieren Unabhängigkeitsbewegungen wie die Partei zur nationalen Wiederbelebung eines freien Karakalpakstans, aber diese Separatisten haben wenig Einfluss.

Usbekische Sicherheitskräfte in Nukus: Ausnahmezustand in Karakalpakstan Bild: KUN.UZ/Handout/REUTERS

Der jetzige Entwurf der usbekischen Verfassungsreform hatte weder den souveränen Status Karakalpakstans erwähnt noch das Recht, sich von Usbekistan loszusagen, und hätte somit die verfassungsmäßige Autonomie beendet. Zu dem Reformpaket gehörte auch, dass die Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre verlängert und die Anzahl von Mirsijojews Amtsperioden auf null gesetzt würden - damit könnte er nach seiner Wiederwahl im vergangenen Jahr weitere 14 Jahre regieren; andernfalls müsste er 2026 seinen Posten räumen.