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Karneval für "Immis"

Arne Lichtenberg14. Februar 2013

Wer Karneval in Köln anders als auf traditionellen Umzügen und Büttenreden erleben möchte, sollte die Immisitzung besuchen - ein Kabarettprogramm, mit dem Immigranten sich selbst und die Kölner auf die Schippe nehmen.

Katja Solange Wiesner, Sitzungspräsidentin der Immisitzung (Foto: Jassin Göllmann)
Bild: Jassin Göllmann

Für Katja Solange Wiesner beginnt die heiße Phase des Karnevals in diesem Jahr mit einer Erkältung. Ihre Nase ist rot, etwas erschöpft nippt sie an einem Glas heißer Zitrone. "Jetzt, wenn die ersten Aufführungen gelaufen sind, und die Anspannung weicht, nimmt der Körper sich halt seine Pausen." Karneval und die Vorbereitung darauf sind für die 38-jährige Schauspielerin mit Kameruner Wurzeln mittlerweile mehr Arbeit als reines Vergnügen.

Katja Solange Wiesner ist Präsidentin der Immisitzung in Köln. Das ist ein karnevalistisches Kabarettprogramm, gestaltet von zwölf Schauspielern, Musikern und Tänzern aus acht Nationen. Von Immigranten, die von weit her kommen, aus der Türkei oder Brasilien zum Beispiel. Menschen, die einmal fremd in Köln waren und jetzt hier zu Hause sind. Das gilt im übrigen auch für Schwaben oder Franken. Auch sie gelten in Köln als "Immis". Die Immisitzung bietet drei Stunden mitreißendes Programm für alle.

Die Immisitzung - bunt, frech und erfolgreich

Ein paar Tage später scheint der Schnupfen der Sitzungspräsidentin wie weggeblasen. Im Karnevalskostüm springt Solange Wiesner auf die Bühne. Der Saal im Bürgerhaus Stollwerck im Stadtviertel Südstadt ist ausverkauft. Rund 340 Zuschauer applaudieren, als die Präsidentin in breitestem Kölner Dialekt die heutige Sitzung eröffnet. Sie ist ein perfekter "Immi", in Kölner Jeckenoutfit von der Narrenkappe bis zum Funkenmariechen-Röckchen - alles in rot-weiß, den Farben des Kölner Stadtwappens. Die Präsidentin moderiert das dreistündige Bühnenprogramm.

Viele der Zuschauer haben sich verkleidet und sind geschminkt. Das Publikum ist bunt gemischt, von jung bis alt, und getreu dem Motto der Immisitzung "Jede Jeck is von woanders" - jeder Narr kommt von woanders - angereist aus der ganzen Republik. Eine Gruppe kommt sogar jedes Jahr extra aus Bremen. Die Immisitzung wird immer beliebter: Fand sie in ihrem Premierenjahr 2010 zehn Mal statt, gab es 2013 bereits 17 Veranstaltungen. Wer Karten für die Immisitzung erwerben möchte, kann diese über das Internet kaufen oder an der Abendkasse.

Türkei meets Karneval - Bei der Immisitzung in Köln wird das Iphone zum "Ü-Phone"Bild: Jassin Göllmann

Multikulti-Karnevalssitzung

Das Bühnenprogramm ist eine Mischung aus Gesangseinlagen, Tanzaufführungen und Sketchen. Es ist angelehnt an traditionelle Karnevalssitzungen, aber dynamischer, abwechslungsreicher und auch für Menschen verständlich, die sonst nichts mit der närrischen Jahreszeit zu tun haben. Geschickt bringen die Akteure Einflüsse aus ihren Heimatländern ein.

So singt der Türke Selda Akhan im Funkenmariechen-Kostüm seine türkische Version des Kölner Karnevalsliedes "Heimweh noh Kölle". Außerdem gibt es englische und griechische Adaptionen typischer Kölner Karnevalslieder. Für jeden ist etwas dabei. Spätestens dann sind die Zuschauer hellauf begeistert, lachen und singen mit. Schnell erkennen sie den Humor aus ihren Heimatländern wieder und erhalten so einen eigenen, untypischen Zugang zum Karneval hierzulande. Das Gefühl macht sich breit, dass Karneval vor allem das ist: Spaß haben, sich amüsieren, ein bisschen albern sein und über sich selbst lachen können.

Künstlerin und Kölsches Mädchen - Katja Solange Wiesner führt durch das "Immi"-ProgrammBild: Jassin Göllmann

Die Muppet-Opas aus Köln

Ähnlich wie in der TV-Serie Muppet Show, in der die Puppen Waldorf und Statler vom Theaterbalkon aus an der Show herumnörgeln, beobachten auch hier zwei Puppen das Geschehen.

Sie verkörpern die Geister zweier ehemaliger Kölner Dombaumeister - einer Deutscher, der andere Franzose. Als festes, wiederkehrendes Element der Show kommentieren sie aktuelle politische Debatten satirisch. So wird mit einem Augenzwinkern über brisante Themen wie Fremdenfeindlichkeit oder Beschneidung in Deutschland diskutiert.

Revueshow mit aktuellen Themen aus In- und Ausland

Auf der Bühne ist Katja Solange Wiesner nun voll in ihrem Element. Textsicher reißt sie einen Spruch nach dem anderen und begeistert das Publikum. Sie gibt das Kölsche Mädchen, eine Rolle, die ihr nicht schwer fällt, denn sie ist in der Karnevalshochburg Köln geboren und aufgewachsen. Begeisterung für den Karneval haben ihr die Eltern quasi in die Wiege gelegt. Beide Eltern sind Karnevalisten durch und durch, ihr Opa war Ehrenmitglied im Karnevalsverein Klub Kölner Karnevalisten. Zur Immisitzung kam sie, "weil ich Kölsch auf der Bühne sprechen wollte. Das fand ich sehr reizvoll".Zwangsläufig würde die Immisitzung auch Migranten in Deutschland ansprechen, obwohl man es gar nicht bewusst darauf angelegt habe. "Wir haben drei Türken im Ensemble und die bringen natürlich automatisch ihren Humor und ihre Sichtweise in das Programm ein", sagt die Präsidentin. Sie wollten aber immer versuchen, den Spagat zwischen ausländischen Themen und solchen mit Bezug zu Köln unter einen Hut zu bekommen. Denn die Sitzung sei immer noch eine Karnevalsveranstaltung, sagt die Kölnerin. "Eigentlich sind wir eine Revueshow", erwidert sie auf die Frage, wie die Immisitzung einzuordnen sei: "Wir haben keine Gastredner. Wir sind jeweils für ein Jahr als festes Ensemble zusammen."

Kölle Alaaf: Immigranten feiern Karneval

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Gemeinsam lachen - Karneval verbindet

Die eigenen Karnevalsfeierlichkeiten hat sie durch ihr Engagement bei der Immisitzung etwas einschränken müssen, auch wenn sie nicht komplett darauf verzichten will. "An Weiberfastnacht geben wir keine Vorstellung. Da werde ich dezent feiern. Und nach der letzten Aufführung am Karnevalsdienstag werden wir mit dem Ensemble losziehen und den Karneval würdig beerdigen", erklärt die Sitzungspräsidentin ihre persönlichen Pläne.

Viele der Gäste gehen nach der Veranstaltung mit einem guten Gefühl nach Hause: Karneval kann mehr sein als Straßenumzug und Büttenrede - ein Riesenspaß und ein guter Anlass, sich selbst einmal nicht zu ernst zu nehmen und mit Menschen verschiedenster Herkunft und Weltbild gemeinsam zu lachen.

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