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Geht es Google nun an den Kragen?

15. Oktober 2024

Die marktbeherrschende Stellung der Big-Tech-Firmen ist vielen ein Dorn im Auge. Mehrfach gab es Versuche, sie zu begrenzen. Nun wird es für Google ernst. Nach einem Gerichtsurteil steht sogar die Zerschlagung im Raum.

Google-Hauptquartier in Mountain View, Kalifornien
Empfang im Google-Hauptquartier in Mountain View, KalifornienBild: Christian Offenberg/IMAGO

Im August 2024 hatte ein US-Bundesgericht geurteilt, dass Google ein Monopol bei der Internet-Suche habe und es mit unlauteren Mitteln gegen Konkurrenz verteidigen würde. Bei der Internet-Suche sowohl in den USA als auch in Europa hat Google Marktanteile von rund 90 Prozent.

"Das ist ein historisches Urteil", sagt Ulrich Müller. Er hat die deutsche Nichtregierungsorganisation Rebalance Now gegründet, die sich dafür einsetzt, die marktbeherrschende Stellung großer Konzerne einzuschränken. Das Urteil "zeigt, dass die weitreichenden Antitrust-Möglichkeiten und Instrumente in den USA jetzt wieder stärker genutzt werden, auch gegen die eigenen US-Tech-Konzerne", so Müller gegenüber der DW. Antitrust bezeichnet im US-Englisch das Vorgehen gegen Kartelle.

Nun tritt das Verfahren in die sogenannte Abhilfephase ein. Es wird geprüft, wie die Marktmacht des Unternehmens eingedämmt werden kann. In der vergangenen Woche hatte das US-Justizministerium dazu weitere Gerichtsunterlagen eingereicht.

Zerschlagung von Google steht im Raum

Eine Option wäre, Google zu verbieten, Verträge mit anderen abzuschließen, durch die Google als Standard-Suchmaschine in Internet-Browsern voreingestellt wird. Allein an Apple hat die Google-Mutter Alphabet laut Gerichtsunterlagen in einem Jahr 20 Milliarden Dollar gezahlt, um Google bei Apples Safari-Browser zur Standard-Suche zu machen.  

In den Unterlagen des Justizministeriums seien aber auch "strukturelle Änderungen" vorgeschlagen worden, sagt Müller. Gemeint sei damit die Zerschlagung des Mutterkonzerns Alphabet. Das Ziel sei, Geschäftsteile zu veräußern, die dem Suchmaschinen-Betreiber geholfen hätten, ein illegales Monopol bei der Online-Suche aufrechtzuerhalten. 

Florian Bien von der Universität Würzburg wendet ein, dass mit strukturellen Änderungen auch andere Maßnahmen gemeint sein könnten. "Sehr harte Verbote wie zum Beispiel das Verbot der Kopplung des Betriebssystems Android mit der Google-Suche und dem Chrome-Browser wirken auch fast wie eine Zerschlagung", so der Professor für globales Wirtschaftsrecht.

Vor allem sei eine Zerschlagung ein sehr schwerwiegender Eingriff in die Rechte eines Unternehmens, daher würden die Gerichte dort auch einen starken Rechtsschutz gewähren. "Dadurch ziehen sich solche Verfahren sehr lange hin, manchmal so lange, dass die technologische Entwicklung dann schneller ist als die Gerichte." Es könne auch vorkommen, dass der Markt die Dinge vielleicht anders bereinigt. Bien glaubt, dass daher die Lust in den USA nicht sehr groß sein dürfte, sich auf diesen Kampf einzulassen. "Das bindet einfach unglaubliche Ressourcen im Justizministerium und andernorts." 

Das am vergangenen Dienstag veröffentlichte Dokument ist nur eine vorläufige Version der Empfehlungen, die das US-Justizministerium im November vorlegen soll.

Kartellbehörden in den USA wieder strenger

Lange Jahre sei das US-Kartellrecht nicht ausreichend angewendet worden, sagt Ulrich Müller. Der Prozess gegen Google zeige aber, dass mögliche Monopole in den USA wieder strenger unter die Lupe genommen werden. 

Google: Der Anfang vom Ende des Monopols

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"In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Konzentration in mehr als 75 Prozent der US-Branchen zugenommen, darunter das Gesundheitswesen, Finanzdienstleistungen, die Landwirtschaft und andere", sagte der stellvertretenden US-Generalstaatsanwalt Jonathan Kanter schon 2022 in einer Rede vor der Anwaltskammer des Staates New York. Die Strafverfolgung sei entschlossen, alle verfügbaren Instrumente zur Förderung des Wettbewerbs einzusetzen, so Kanter weiter.

Es gibt in den USA eine gut 100 Jahre alte Tradition des Wettbewerbsrechts. Schon 1911 wurde Rockefellers Ölmonopolist Standard Oil zerschlagen. Vor allem in den 1960er und frühen 70er Jahren sei sehr kritisch auf mögliche Monopole geschaut worden, sagt Müller. In den 80er Jahren argumentierte dann die neoliberale Chicago School, eine große Konzentration von Markmacht sei akzeptabel, wenn die Unternehmen effizient sind. In der Folge wurde strukturelle Maßnahmen seltener ergriffen.

Trotzdem wurde 1982 der Telekommunikationskonzern AT&T aufgespalten. Und auch Microsoft drohte ein ähnliches Schicksal. 2001 hieß es in einem Gerichtsurteil, Microsoft müsse zerschlagen werden, weil der Konzern ein Monopolist sei. Dessen Betriebssystem Windows sei so eng mit dem eigenen Browser (damals: Internet Explorer) verknüpft, dass der Konkurrent Netscape vom Browser-Markt verdrängt werde. Microsoft ging in Berufung und konnte so die Zerschlagung abwenden. Allerdings musste der Konzern Teile seiner Systeme für Konkurrenten öffnen.

Die US-Kartellbehörde hat mehrere Verfahren gegen den Online-Händler Amazon angestrengt. Die Klage vom September 2023 begründet sie unter anderem mit Preistreiberei. In einem anderen Streit wirft sie Amazon vor, Millionen Nutzer zum Abschluss eines "Amazon Prime"-Abonnements zu verleiten.Bild: Beata Zawrzel/NurPhoto/picture alliance

EU hat Google im Blick

Auch in der EU wird die Marktmacht von Google und andere Internetgiganten sehr kritisch gesehen.

2017 hatte die EU-Kommission Google zu einer Milliardenstrafe verurteilt wegen der Bevorzugung seines Preisvergleichsdienstes. 2018 sollte Google über vier Milliarden Euro Strafe zahlen, wegen illegaler Praktiken bei seinem Handy- und Tablet-Betriebssystem Android. Allerdings muss der Europäische Gerichtshof darüber noch entscheiden. 2019 hatte die EU-Kommission dann eine weitere Milliardenstrafe gegen Google verhängt wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung bei der Online-Werbung.

Auswirkungen zeigt auch das EU-Gesetz für digitale Märkte (Digital Markets Act). Es soll die Marktmacht sogenannter Gatekeeper (also Torwächter) im Internet begrenzen. Für Google heißt das etwa, dass es eigene Anwendungen wie den Kartendienst Google Maps bei der Anzeige von Suchergebnissen nicht mehr bevorzugen darf.

Das Vorgehen der EU gegen Google kritisiert Müller jedoch als wenig effektiv. "Es wurden zwar Milliardenstrafen verhängt, aber Google macht so viel Monopolgewinne, dass sie das letztendlich leicht bezahlen können."

Bien erwartet wirksame Maßnahmen eher, wenn Wettbewerber von Google klagen. In vielen Fällen wird noch sehr lange und eher unterhalb des Radars der Öffentlichkeit über die Frage diskutiert, wie genau sich Google künftig verhalten muss, um den beanstandeten Kartellverstoß abzustellen, meint er. "Da wird um jede Kleinigkeit gestritten und ich bin mir nicht sicher, ob die Kartellbehörden ein Interesse daran haben, sich mit diesen Detailfragen, die sehr technisch sind, zu beschäftigen."

Während die Kartellbehörden sich bereits für hohe Milliardenstrafe feiern lassen, die dann gar nicht so viel Effekt hätten, hätten Wettbewerber ein noch größeres Interesse daran, dass wirkliche Ergebnisse erzielt werden und ihre Klagen würden daher vielleicht mehr bewirken, glaubt Bien.  

Die EU verhängte für Apple im März 2024 eine gut 1,8 Milliarden Euro schweren Strafe wegen Missbrauchs der Marktmacht im Musikstreaming. Ebenfalls im März 2024 verklagt das US-Justizministerium Apple, weil der Konzern kleinere Konkurrenten behindern würde und die Preise in die Höhe treibe. Zu den weiteren US-Verfahren gegen Apple zählt eine Sammelklage, derzufolge das Unternehmen ein Monopol für Cloud-Speicher hat.Bild: Josh Edelson/AFP/Getty Images

Weiter Vorwurf gegen Google: Auch ein Monopol bei Online-Werbung 

In den USA ging es beim jüngsten Urteil gegen Google vor allem darum, dass Google Smartphone-Herstellern wie Apple oder Samsung Milliarden dafür gezahlt hat, damit die Google-Suchmaschine standardmäßig in den Handys vorinstalliert wurde.

Neben diesem Verfahren muss sich Google in einem anderen ebenfalls vor Gericht verteidigen. Dort wird dem Konzern vorgeworfen, dass er ein Monopol im Online-Werbebereich habe, der wiederum eng mit der Google-Suchmaschine verknüpft ist. "Wir haben 2023 mehr als 75 Prozent unseres Umsatzes mit Online-Werbung generiert", heißt es im aktuellen Geschäftsbericht von Google. Der Gesamtumsatz lag im letzten Jahr bei insgesamt knapp 306 Milliarden US-Dollar.

Zentral für die Online-Werbung sind auch YouTube und Google Maps. Beides Dienste, die ebenfalls zum Google-Imperium gehören. Zudem stellt Google mit Android das weltweit meistverbreitete Betriebssystem für Mobilgeräte bereit. 

Das Werbegeschäft wird dem Tech-Giganten auch wegen seiner starken Position im Adtech-Sektor erleichtert. Das sind Werkzeuge und Programme, mit denen Werbetreibende ihre Zielgruppen erreichen und den Erfolg ihrer Online-Werbung messen können.

Das Unternehmen verkauft Werbeflächen auf seinen eigenen Websites und Apps und tritt außerdem als Vermittler auf, wenn Werbetreibende ihre Anzeigen bei anderen Verlegern schalten wollen, also Webseiten oder Apps Dritter.

Die EU-Kommission kam 2023 zu dem Schluss, dass Google seine eigenen Technologiedienste für Online-Display-Werbung zulasten konkurrierender Anbieter solcher Dienste sowie von Werbetreibenden und Online-Verlegern begünstigt.

"Die Kommission vertritt daher die vorläufige Auffassung, dass die wettbewerbsrechtlichen Bedenken nur durch die obligatorische Veräußerung eines Teils der Dienste von Google ausgeräumt werden können", teilte die Behörde mit.

Zentrale der Facebook-Mutter Meta in Menlo Park, Kalifornien. Im Mai 2023 verhängt die EU eine 1,2 Milliarden Euro schwere Strafe, weil Facebook illegal Nutzerdaten in die USA transferiert habe. Und wegen Gefährdung der psychischen Gesundheit von Jugendlichen haben Dutzende US-Bundesstaaten Meta und dessen Dienst Instagram verklagt.Bild: JOSH EDELSON/AFP/Getty Images

Googles Kampf an vielen Fronten

Google verteidigt sich gegen den Vorwurf, ein Monopol bei der Onlinesuche zu haben und hat angekündigt, gegen das Verfahren in Berufung zu gehen. Der Konzern argumentiert, er habe die Nutzenden durch Qualität überzeugt und stehe in starkem Wettbewerb mit Amazon und anderen Websites.

Ulrich Müller von der NGO Rebalance Now sagt dazu: "Wir haben inzwischen eine sehr starke Beweislage dafür und auch sehr viele unterschiedliche Fälle, in denen klar ist, dass Google seine Marktmacht missbraucht hat."

Weltweit gibt es inzwischen mehr als einhundert Wettbewerbsverfahren gegen Google bzw. Alphabet, so Müller. Unter anderem verklagen Dutzende Medienfirmen um den Axel-Springer-Verlag Google wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens bei Online-Werbung und fordern 2,1 Milliarden Schadensersatz. 

Ende 2023 gewann der US-Computerspiele-Produzent Epic Games (u.a. bekannt durch das Spiel Fortnite)  einen Prozess gegen Google wegen Geschäftspraktiken im App-Store des Konzerns, dem Play-Store. Sollte die Berufung gegen dieses Urteil abgewiesen werden, könnte das weitreichende Folgen haben. Bisher blieb Entwicklern von Android-Apps keine Wahl, als die Bedingungen und Konditionen von Google zu akzeptieren.

Zwar könnte sich Google auch in dem Suchmaschinen-Verfahren durch alle Instanzen klagen, sagt Müller. Wegen der Vielzahl der Klagen sei es aber auch möglich, dass Google sich auf eine Einigung mit der US-Regierung und den Gerichten einlasse und bestimmte Vorgaben akzeptiere. 

Im Suchmaschinen-Prozess wird das US-Justizministerium bis zum 20. November dem Gericht einen detaillierteren Vorschlag unterbreiten. Die Alphabet-Tochter Google hat dann bis zum 20. Dezember Zeit, eigene Abhilfemaßnahmen vorzulegen. Mit einem Ergebnis ist wohl erst Ende 2025 zu rechnen.

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion
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