Kasachische Regierung tritt nach Demos ab
5. Januar 2022Der Präsident von Kasachstan hat nach heftigen Protesten wegen steigender Gaspreise die Regierung entlassen. Auf der Website von Staatschef Kassym-Schomart Tokajew heißt es, dass der Präsident den Rücktritt des Kabinetts von Regierungschef Askar Mamin akzeptiert habe. Dessen bisheriger Stellvertreter Alichan Smailow soll die Regierungsgeschäfte kommissarisch übernehmen, bis eine neue Regierung gebildet ist.
Stadtverwaltung von Almaty gestürmt
Steigende Gaspreise hatten Unruhen in dem zentralasiatischen Staat ausgelöst. Die Proteste begannen am Sonntag in Schangaösen im Zentrum der westlichen Region Mangystau und weiteten sich auf andere Teile des Landes aus.
Vor allem in der Wirtschaftsmetropole Almaty kam es zu heftigen Krawallen. In der Stadt im Südosten des Landes stürmten Demonstranten die Stadtverwaltung, wie die Agentur Tengrinews berichtete. In einem Video waren Flammen am Gebäude zu sehen, schwarzer Rauch stieg auf. Auch bei der Staatsanwaltschaft und in der Präsidentenresidenz sollen Brände ausgebrochen sein.
Bilder aus anderen Stadtteilen zeigten, wie eine große Menschenmenge vor Polizisten wegrannte. Auch dort waren Explosionsgeräusche und Schüsse zu hören. Berichten zufolge setzten die Sicherheitskräfte Blendgranaten und Tränengas ein. Zu sehen waren ausgebrannte Autos und zerstörte Scheiben von Kiosken und Gaststätten.
Acht Tote, mehr als 300 Verletzte
Acht Polizisten und Soldaten der Nationalgarde sind nach offiziellen Angaben getötet worden. Unter den
Sicherheitskräften gebe es zudem 317 Verletzte, meldete die Nachrichtenagentur Sputnik unter Berufung auf das Innenministerium. Unklar blieben die Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung.
Für Mangystau, Almaty und für die Hauptstadt Nur-Sultan wurde der Ausnahmezustand verhängt. Inzwischen gilt er im ganzen Land. Bis zum 19. Januar gilt eine nächtliche Ausgangssperre. Versammlungen sind verboten. Die Polizei sei angewiesen worden, "Verstöße gegen die öffentliche Ordnung" zu verhindern. Präsident Tokajew gab zugleich bekannt, dass eine Regierungskommission ihre Arbeit aufgenommen habe, um eine für alle Seiten "akzeptable Lösung" zu finden. Weiter erklärte er in einer TV-Ansprache, es werde "so hart wie möglich" vorgegangen, um weitere Unruhen zu unterbinden.
Doch die Proteste ebbten nicht ab. Das volle Ausmaß der Krise ist allerdings unklar. Sowohl Telefon- als auch Internetverbindungen waren am Mittwoch unterbrochen, Journalisten und Bürger waren von der Außenwelt abgeschnitten. Der Flughafen ist geschlossen.
Flüssiggas für Auto, Kochen und Heizen
Die Regierung der autoritär regierten früheren Sowjetrepublik hatte zum Jahreswechsel die Deckelung der Preise bei Autogas - auch unter der Abkürzung LPG bekannt - aufgehoben. Viele Kasachen haben ihre Autos auf Flüssiggas umgerüstet, da Gas über Jahre aufgrund der Preisobergrenzen weitaus billiger war als Benzin als Kraftstoff. Flüssiggas wird in Kasachstan auch häufig zum Kochen und Heizen verwendet.
Die Regierung argumentierte, dass der niedrige Gaspreis unhaltbar sei, und verwies zur Begründung auf die gestiegene Nachfrage nach Flüssiggas. Nach dem Ende der Preisbindung am 1. Januar schnellte der Preis in die Höhe.
Am Mittwoch ordnete der Präsident die Wiedereinführung der Preiskontrollen auf Autogas ein. Zudem wies Tokajew die kommissarische Regierung und die Provinzgouverneure an, auch für Benzin, Diesel und andere "sozial wichtige" Verbrauchsgüter Preisgrenzen einzuführen. Zudem regte er an, die Versorgerpreise einzufrieren und arme Familien bei Mietzahlungen zu unterstützen.
Tokajew ist seit 2019 im Amt. Er ist der Nachfolger des langjährigen Staatschefs Nursultan Nasarbajew, der Kasachstan seit 1989 regiert hatte. Der 81-jährige Nasarbajew kontrolliert die Politik des Landes als "Führer der Nation" nach wie vor. Der Titel sichert ihm umfangreiche Privilegien und Immunität vor Strafverfolgung.
sti/qu/kle (rtr, afp, dpa)