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Politik

Kasachstan als Vorbild für Putin?

23. März 2019

Der Rücktritt des kasachischen Präsidenten beflügelt Diskussionen über einen künftigen Machtwechsel in Russland. Folgt Wladimir Putin dem Beispiel Nursultan Nasarbajews? Aus Moskau Juri Rescheto.

Kaspischer Gipfel in Kasachstan
Bild: AFP/Getty Images/A. Nikolsky

"Freiwillige Gedankenspiele" - so nennt Dmitrij Peskow Spekulationen über die künftige Machtübertragung in Russland. Medienberichte darüber wiegelt der Kremlsprecher als Gerede ab. Die Machtübertragung wird aber kommen. Früher oder später. Egal, wie der Kremlsprecher Gedanken darüber jetzt nennt.

2024 wäre das mögliche Datum. Die nächste Präsidentenwahl in Russland. Laut Verfassung darf Wladimir Putin nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren. Darum sei es nichts Außergewöhnliches, dass der Kreml permament über den Machterhalt denkt, sagt der Moskauer Politologe Alexej Kurtow der DW: "Egal wer Putin ist, ob er geht oder bleibt. Das täglich Brot eines jeden Machtsystems ist es, zu sehen, dass man am Steuer bleibt."

Rücktritt eines Dauerherrschers

Warum nicht wie bei den Nachbarn in Kasachstan? Dort trat vor einigen Tagen einer zurück, dem man das nie zugetraut hätte. Nach drei Jahrzehnten gab Kasachstans Dauerherrscher Nursultan Nasarbajew freiwillig sein Amt ab. Verschwinden wird er aber nicht. Dafür hat Nasarbajew gesorgt. Er bleibt Vorsitzender des mächtigen Sicherheitsrats. Auf Lebenszeit. Und Chef der Regierungspartei. Beides ginge theoretisch auch in Russland, wo es sowohl einen Sicherheitsrat als auch die alleinherrschende Partei "Einiges Russland" gibt. Putin war schon mal deren Vorsitzender.

Nursultan Nasarbajew unterzeichnet seinen Rücktritt - nur um an anderer Stelle weiter zu machenBild: Reuters/Handout Kazakh Presidential Press Service

Was für viele wie eine Überraschung aussah - die Vorbereitung der Machtübertragung, sei übrigens schon 2000 gestartet vermutet der kasachische Politologe Marat Schibutow im Gespräch mit der DW. Der Rücktritt des Präsidenten sei nur eine "letzte Formalität" gewesen, der politische Schritt, der den Weg für die wirtschaftliche Öffnung des Landes gegenüber dem Westen frei machen sollte.

Sein Kollege Aidos Sarym meint, dass dieser Machttransfer zwar erst jetzt begonnen habe. Aber auch er glaubt, dass der Rücktritt Nasarbajews von langer Hand vorbereitet war. "Für Putin wird das aber eine ernste Herausforderung sein", sagt der Politologe aus Kasachstan. Er glaubt, dass das kasachische Szenario für Wladimir Putin nicht geeignet sei und dass der russische Präsident es sich nicht leisten könne: "Die Macht ist in Russland anders verteilt. Das Machtgefüge ist komplizierter. Es herrschen mehr Clans als in Kasachstan. Dort ist die Macht in einem großen Clan konzentriert. In Russland dagegen gibt es viele Leute, die bereit sind, sich gegenseitig die Kehle durchzubeißen."

Wer ist Vorbild für wen?

Alexej Kurtow in Moskau meint, dass nicht Putin bei Nasarbajew abgucken wird, wie man freiwillig die Macht abgibt, sondern das dies umgekehrt passiert ist: "Alles, was jetzt in Kasachstan passiert, ähnelt der Situation in Russland im Jahr 1999. Als Präsident Jelzin zurücktrat, wurde die Präsidialverwaltung von seinem Clan weiter geführt. Als der neue Präsident dann gewählt wurde, stand keine Reihe von Kandidaten zur Verfügung, sondern nur einer: Putin." Er war Jelzins Ziehsohn. Und er sicherte seinem Ziehvater und seinem Clan Einfluß und Immunität.

Ob Russland heute von Clans regiert wird? Darüber spricht man nicht mehr so offen wie 1999. Konkurrierende Interessengruppen innerhalb des Kreml gibt es aber auch heute und es wird sie auch 2024 geben. Und deswegen denke man natürlich schon jetzt über das geradezu "sakrale" Thema des Machterhalts im Kreml nach, sagt der ehemalige Kreml-Mitarbeiter Andrej Koljadin im Gespräch mit der DW: "Es geht um die persönliche Sicherheit und die juristische Immunität des Führers und seiner Familie. Die Entscheidung über die Art des Machtwechsels hängt aber von der aktuellen Lage der Stunde X ab: der internen politischen Situation, den Bedrohungen von außen und der wirtschaftlichen Lage."

Am Ende für die Oligarchen

Ilja Graschenkow, Direktor des russischen Zentrums für Entwicklung der regionalen Politik, ist sich sicher, dass es "Hunderte verschiedene Szenarien" gibt. So könnte die Macht an einen jungen loyalen Technokraten abgegeben werden, was der Kreml zur Zeit bei der Besetzung der Gebietsgouverneure macht. Das Risiko: zu jung und unerfahren für das Riesenland. Oder aber an den Regierungschef Dmitrij Medwedew, der schon einmal durch die Machtrochade Präsident war. Das Risiko hier: Medwedews geringe Popularität könnte die Radikalen stärken und einen Putsch durch Kommunisten oder Generäle ermöglichen. Graschenkow glaubt, dass weder das kasachische Modell noch alle anderen für den russischen Präsidenten geeignet seien: "Im Gegensatz zu Russland hat sich Kasachstan dynamisch entwickelt und in die internationale Gemeinschaft integriert. Gegen Russland dagegen gibt es Sanktionen, mit dem Großteil seiner Funktionäre will niemand etwas zu tun haben." 

Die wahrscheinlichste Variante werde ein Modell sein, dass vor allem den Oligarchen dient, die unter den Sanktionen leiden. Ihr Interesse ist es, Putins Macht so lange es geht zu verlängern. Nach dem Motto: Russland wird es geben, solange es Putin gibt.

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