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Kasachstan will seine Beziehungen zu Russland auf eine neue Ebene heben

20. Februar 2003

– Präsident Nasarbajew zu den außenpolitischen Prioritäten seines Landes und zum Verhältnis zur Opposition

Moskau, 20.2.2003, NESAWISSIMAJA GASETA, russ., Wassilina Wassiljewa

Der Präsident Kasachstans ist ein häufiger Gast in Moskau. Nursultan Nasarbajew und Wladimir Putin haben viele gemeinsame Themen sowohl für Verhandlungen als auch freundschaftliche Gespräche. Der stärkste Staat Zentralasiens und das einflussreichste Land der GUS finden eine gemeinsame Sprache nicht nur im Bereich Politik, sondern auch Wirtschaft. Über die außenpolitischen Prioritäten und die Strategie der Entwicklung Kasachstans sowie die Perspektiven der Integrationsprozesse im Rahmen der Gemeinschaft spricht der Präsident der Republik Kasachstan Nursultan Nasarbajew in einem Exklusivinterview mit der "Nesawissimaja gaseta".

Frage:

Herr Präsident, dieses Jahr wurde in Russland zum Jahr Kasachstans erklärt. Wie wird sich das Ihrer Ansicht nach in den Beziehungen beider Länder widerspiegeln? Was konkret erwartet Kasachstan von dieser politischen Aktion?

Antwort:

Am wenigsten möchte ich, dass diese Veranstaltung mit ähnlichen verglichen wird, die während der Sowjetära durchgeführt wurden. Das ist etwas ganz anderes. Es sind 11 Jahre vergangen, seit sich die Staaten der ehemaligen Sowjetunion getrennt haben, zu unabhängigen Staaten wurden, ihren Weg der Entwicklung gefunden haben. Eben von diesem Standpunkt aus müssen unsere Beziehungen jetzt bewertet werden. Von den 89 Regionen Russlands haben 72 Wirtschaftsbeziehungen zu Kasachstan hergestellt, 12 russische Gebiete grenzen an 8 Gebiete Kasachstans. Die Russische Föderation ist unser größter Handelspartner, im letzten Jahr betrug der Handelsumfang 4 Milliarden Dollar.

In diesem Jahr sind 220 Veranstaltungen vorgesehen, die die Wirtschaften unserer Länder einander näher bringen sollen. Die Integrationsprozesse werden dank der Erdöl- und Gasallianz, die derzeit in Russland und Kasachstan geschaffen wird, und die gemeinsamen Unternehmen in der Kaspisee noch weiter vorankommen. Das Jahr wird mit sehr großen Ereignissen gefüllt sein, die nicht nur auf höchster Ebene, sondern auch in allen Regionen sowohl Russlands als auch Kasachstans stattfinden werden.

Die Beziehungen unserer Länder erreichen eine qualitativ neue Entwicklung, da wir im letzten Jahr eine Reihe von Abkommen geschlossen haben, die bereits jetzt als Durchbruch gelten. So haben Moskau und Astana praktisch alle Fragen bezüglich der Kaspisee gelöst. Unsere Staaten haben die geographischen Koordinaten für den Verlauf der modifizierten Mittellinie im nördlichen Teil des Meeres festgelegt. Wir sind übereingekommen, gemeinsam die Erdöl- und Gasvorkommen "Chwalynskoje", "Zentralnoje" und "Kurmangasy" zu erschließen, deren Vorräte mit einer Milliarde Tonnen bewertet werden. (...)

Aus der gemeinsamen Erschließung des Kaspi-Schelfs ergeben sich auch neue Perspektiven für die Zusammenarbeit beim Transport des kohlehydrathaltigen Rohstoffes auf die Weltmärkte. Im letzten Jahr schlossen wir sehr wichtige Abkommen über den langfristigen Transit kasachischen Erdöls über das Territorium Russlands und über die Zusammenarbeit im Gasbereich. Wir gründeten das gemeinsame Unternehmen "KasRosGas", um gemeinsam auf den europäischen Markt vorzudringen. (...)

Große Pläne haben wir auch, was Bajkonur betrifft. Im Dezember letzten Jahres haben ich und Präsident Wladimir Putin die Bereitschaft bekräftigt, den Vertrag über die Pacht des Weltraumbahnhofes um 50 Jahre zu verlängern, dessen Infrastruktur zu modernisieren. Kasachische Kosmonauten werden für Flüge ins All ausgebildet.

Wir wollen auch die Zusammenarbeit beim Handel und der Wirtschaft verstärken, darunter auf der Ebene der aneinander grenzenden Gebiete. Kasachstan ist der drittgrößte Handelspartner Russlands unter den GUS-Staaten, der Umfang des Warenumsatzes unseres Landes mit Russland beträgt über 30 Prozent.

Natürlich ist ein umfangreiches Programm der Zusammenarbeit im kulturellen und humanitären Bereichen vorgesehen, da wir allmählich begannen einander zu vergessen. Aber auch hier beschränkt sich der Begriff "Festigung der Freundschaft" nicht auf Festivals und Konzerte, es sind konkrete gemeinsame Projekte auf dem Gebiet der Wissenschaft, der Bildung, des Sports, der Kultur und Kunst vorgesehen.

(...)

Frage:

Wie sehen heute die strategischen Prioritäten Kasachstans in der Außenpolitik aus? (...)

Antwort:

(...) Die außenpolitischen Prioritäten Kasachstans bleiben unverändert. Den zentralen Platz nehmen dabei die Beziehungen zu Russland ein. Es gab und gibt auch heute alle objektiven Voraussetzungen, darunter auch historische, für eine engere Zusammenarbeit, für die Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Wir befinden uns in den gegenseitigen Beziehungen auf einer qualitativ neuen Ebene, der Ebene der strategischen Partnerschaft. Uns vereinen die gleichen politischen Ansichten. Eben deshalb gehören zu den grundlegenden Rechtsdokumenten unserer Länder der Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe und die Deklaration über ewige Freundschaft und ewiges Bündnis.

Große Bedeutung in der Außenpolitik widmen wir der Entwicklung und Vertiefung der Integrationsprozesse, darunter im Rahmen der Gemeinschaft der Unabhängigen Staaten.

(...)

Frage:

Viele verbinden Kasachstan lediglich mit Erdöl und Gas. (...)

Antwort:

Wir sind nicht nur an Erdöl und Gas reich. Kasachstan gehört zu den zehn führenden Kohleproduzenten auf dem Weltmarkt. (...) Bei uns gibt es große Vorkommen an Eisen-, Chrom- und Manganerz. Was die Vorräte an Eisenerz betrifft, so nimmt unser Land den dritten Platz unter den GUS-Staaten ein. (...)

Wir setzen eine Reihe strategischer Programme zum Aufbau einer hoch technologischen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft um. Bereits heute kann ich sagen, dass das Erdöl aufgehört hat, die größte Einnahmequelle des Landes zu sein. Auf dem Vormarsch ist seit 2001 die Verarbeitungsindustrie. Wir beginnen damit, aktiv die einheimische Produktion zu erweitern, alle ihre Branchen zu modernisieren, neue Technologien einzuführen. Gute Perspektiven haben wir auch, was die Nutzung des Transitpotentials betrifft.

Frage:

Die Opposition erklärt, dass in Kasachstan Verfolgungen aus politischen Motiven verbreitet sind. Was können Sie dazu sagen?

Antwort:

Ich kann nicht viele Länder aufzählen, in denen die Opposition nicht das gleiche behaupten würde. Ungeachtet dessen gibt es in Kasachstan keinen einzigen politischen Häftling. Das Feld für die legitime politische Tätigkeit ist riesig. Die Opposition ist im Parlament vertreten, verfügt über eigene Massenmedien, gesellschaftliche Strukturen, Parteien und Vereinigungen. Die Tätigkeit der Parteien, regierungsunabhängiger Organisationen und unabhängiger Medien spielt eine immer bedeutendere Rolle im politischen Leben des Landes. Ungeachtet dessen tauchen immer wieder Fragen auf, da es ehemalige Oligarchen und hochrangige Beamte gibt, die versuchen, wirtschaftlichen Verbrechen politische Züge zu verleihen. Ähnliches gab es in vielen Ländern, darunter auch in Russland.

Wir bekämpfen aktiv die Korruption, haben ein Sondergesetz angenommen. Diese Richtung kontrolliere ich persönlich. Ist ein ehemaliger Minister, ehemaliger Gouverneur überführt worden, von einem Gericht verurteilt worden, beginnt sofort eine Kampagne mit dem Ziel, diesen politisch reinzuwaschen.

Was die politischen Parteien angeht, die nicht zu diesen Zwecken gegründet wurden, sondern als eine reale ideologische Alternative zur Reformpolitik, so gibt es diese bei uns und sie werden von niemandem behindert. Willst du Politik betreiben, bitte schön, wirst du jedoch stehlen oder vergewaltigen, wird das Gesetz keine Rücksicht auf deine politische Orientierung nehmen.

Im Prinzip sehe ich heute in unserem Land keine ernste politische Opposition, die bedeutende Unterstützung in der Gesellschaft genießt. Wie soziologische Forschungen zeigen, sind bei uns nicht große soziale Gruppen wie in den demokratischen Staaten Quelle der oppositionellen Stimmungen, sondern Politiker, die seit zehn Jahren immer wieder vergeblich versuchen, bestimmten "öffentlichen Protest" zu organisieren. Unsere Besonderheit besteht auch noch darin, dass bei uns zu Oppositionellen nur Beamte werden, die ein hohes Amt verloren haben. Deshalb fällt es schwer, diese Leute als Opposition zur Gesellschaft zu betrachten, das ist eine Opposition von Personen.

Demokratisierung findet bei uns statt, das kann niemand bestreiten, jedoch nicht in einem Zug, sondern etappenweise und planmäßig. Natürlich gibt es immer jemanden, der schimpft, dass bei uns nicht alles so wie im Westen ist. Darauf kann ich nur antworten: fährst du langsam - holt dich das Unglück ein, fährst du zu schnell – holst du das Unglück ein. In all den schwierigen Jahren ist es bei uns zu keinem zwischennationalen oder sozialen Konflikt gekommen, die Menschen leben und arbeiten in Ruhe und das ist das Wichtigste.

(...) (lr)