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Kasachstans Militärparade: Ein Signal an Russland

8. Mai 2025

In der kasachischen Hauptstadt Astana hat es zum ersten Mal seit 2018 wieder eine große Militärparade gegeben. Was wollte der kasachische Präsident Kassym-Jomart Tokajew damit deutlich machen?

Soldaten marschieren bei der Militärparade in Astana am 7. Mai 2025
Militärparade in Astana am 7. Mai 2025Bild: Anatolij Weisskopf/DW

Am 7. Mai feiert Kasachstan seine Streitkräfte. Der "Tag des Verteidigers des Vaterlandes" ist seit 2012 ein gesetzlicher Feiertag. An diesem Datum hatte der erste Präsident Kasachstans, Nursultan Nasarbajew, 1992 ein Dekret zur Schaffung eigener Streitkräfte unterzeichnet - ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung von der Sowjetunion. Das Hauptereignis der diesjährigen Feierlichkeiten war eine Militärparade auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz der kasachischen Hauptstadt Astana.

Der prunkvolle Aufmarsch sorgte aus zwei Gründen für Aufsehen. Erstens waren alle Paraden nach 2018 wegen der Corona-Pandemie oder wegen Einsparungen abgesagt worden. Zweitens wurde die Öffentlichkeit damit überrascht, dass die diesjährige Militärparade weniger dem "Tag des Verteidigers des Vaterlandes" gewidmet war, sondern dem 80. Jahrestag des Sieges im "Großen Vaterländischen Krieg".

So heißt der Zweite Weltkrieg in Kasachstan, genau wie in Russland. Und hier wie dort wird ihm eine große Bedeutung beigemessen.

Warnung vor "Verzerrung der historischen Wahrheit"

"Der Große Vaterländische Krieg war eine der härtesten Prüfungen der gesamten Menschheit, auch für Kasachstan. Diese schrecklichen Tage haben gezeigt, dass Krieg nur Kummer und Verluste bringt, während Frieden ein unschätzbarer Wert ist", betonte der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew, als er die Militärparade in Astana eröffnete.

Er fügte hinzu, dass während des Krieges über 1,2 Millionen Kasachen an der Front kämpften. Von diesen, so Tokajew, "starb die Hälfte heldenhaft und opferte somit ihr Leben für eine lichte Zukunft der folgenden Generationen von Landsleuten".

Kassym-Schomart Tokajew ist seit März 2019 Präsident KasachstansBild: Alexei Nikolsky/Kremlin/REUTERS

Darüber hinaus sei es äußerst wichtig, allen Bürgern Kasachstans die Wahrheit über den Krieg zu vermitteln, weil "Bazillen der Aggression und des Hasses in die Weltpolitik eingedrungen" seien. "Ohne Wahrheit erkennt man nicht den Wert des Friedens", betonte Tokajew. "Eine Verzerrung der historischen Wahrheit über den Krieg und die Bedeutung des Großen Sieges ist inakzeptabel."

"Verschlüsselte Botschaft" an Russland

In den kasachischen sozialen Netzwerken haben viele Menschen sowohl in Tokajews Rede als auch in der Militärparade verschlüsselte Botschaften an Russland gesehen. Demnach sollte die Führung in Moskau verstehen, dass sich Kasachstan als eigenständiges Subjekt unter den Siegern des "Großen Vaterländischen Krieges" betrachtet und nicht nur als Teil des einstigen sowjetischen Ganzen.

So erwähnte Präsident Tokajew in seiner Rede ausschließlich Namen kasachischer Kriegshelden. Im historischen Teil der Parade marschierten kasachische Militärs in Uniformen aus den 1940er-Jahren und neben der Flagge der Republik Kasachstan wurde auch die Siegesfahne der 150. Schützendivision der sowjetischen Roten Armee getragen.

Kasachstan besteht darauf, dass der kasachische Leutnant Rachimschan Koschkarbajew bei der Schlacht um Berlin am 30. April 1945 als Erster die sowjetische Flagge auf dem Reichstagsgebäude gehisst hatte. Die berühmt gewordenen Offiziere Michail Jegorow und Meliton Kantaria hätten dies einen Tag später getan.

Die sowjetische Flagge auf dem Reichstagsgebäude in Berlin 1945Bild: Jewgeni Chaldej/Tass/dpa/picture alliance

Auch der Politikwissenschaftler Ruslan Tusupbekow findet, Tokajew habe mit den Feierlichkeiten in Astana gewisse diplomatische Zeichen setzen wollen. "Mir gefällt, dass in der Parade und Tokajews Rede die Kontinuität unserer Vergangenheit zum Ausdruck kam. Das ist ein wichtiger Fingerzeig an alle, die ihn nötig haben", so Tusupbekow im DW-Gespräch.

"Hervorgehoben wurde die Kontinuität des modernen Kasachstans, seiner Armee und der Verteidigungsfähigkeit des Landes - von der Goldenen Horde bis hin zum kasachischen Khanat. Weil Moskau auf seiner Interpretation der Geschichte beharrt, werden wir mit unserer Rhetorik nicht alles verändern können. Dennoch wurde deutlich gemacht: Auch Kasachstan hat einen Bezug zum Großen Sieg, aber wir gehen unseren eigenen Weg." Zudem habe Tokajew Kasachstan als sicheren Staat bezeichnet, der sich selbst verteidigen könne.

"Keine Meinungsverschiedenheiten mit Moskau"

Gulnar Baschkenowa, Chefredakteurin des unabhängigen kasachischen Nachrichtenportals Orda, kann hingegen keine Distanzierung zu Russland erkennen. Bei Tokajews Militärparade sei viel russisches Militärgerät präsentiert worden. Insgesamt habe die Veranstaltung gezeigt, dass Kasachstan das Ergebnis des Zweiten Weltkriegs genauso interpretiere wie Moskau.

"Meiner Meinung nach hat sich Kasachstan nie als Konkurrent Russlands gesehen. Im Gegenteil, Kasachstan betont immer seinen Beitrag zu einem gemeinsamen Sieg", sagte Baschkenowa der Deutschen Welle.

Sie verweist auch auf den Besuch von To Lam, dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams. Er stand bei der Parade neben Kassym-Schomart Tokajew. Das habe einen symbolischen Charakter, schließlich würden sie beide zur Parade auf dem Roten Platz in Moskau reisen, sagt die politische Beobachterin Baschkenowa.

Auch der Präsident des kasachischen PEN-Clubs, der Schriftsteller Bigeldy Gabdullin, findet, dass es zwischen Moskau und Astana, was die Bewertung der Ergebnisse des "Großen Vaterländischen Krieges" angeht, keine Meinungsverschiedenheiten gibt. Man sollte auch nicht versuchen, das Gegenteil zu beweisen.

Gleichzeitig betont Gabdullin, dass Kasachstan seit langem ein unabhängiger Staat sei. "Ob eine Militärparade abgehalten wird oder nicht, ist eine Entscheidung, die Kasachstan selbstständig trifft."

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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