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KonflikteAsien

Kaschmir - Pulverfass im Himalaya

Veröffentlicht 25. April 2025Zuletzt aktualisiert 7. Mai 2025

Der anhaltende Konflikt zwischen den Atommächten Pakistan, Indien und China um Kaschmir macht die Region im Himalaya zu einem Krisenherd mit globalem Risiko. Ein Blick auf die Ursachen des Konfliktes.

Indien Srinagar 2025 | Indischer Paramilitär patrouilliert nach Anschlag in Kaschmir
Nach dem Anschlag auf Touristen gelten in Kaschmir erhöhte SicherheitsmaßnahmenBild: Saqib Majeed/SOPA Images/ZUMA Press Wire/picture alliance

Nur wenige Regionen auf der Erde sind so hoch militarisiert und dabei so instabil wie Kaschmir. Das umstrittene Himalaya-Gebiet liegt in einem sensiblen Dreieck zwischen den drei Atommächten Indien, Pakistan und China. Seit langem ist es Schauplatz ungelöster regionaler Rivalitäten und territorialer Ambitionen.

Wie unbeständig die Situation weiterhin ist, zeigte sich in der Nacht zu Mittwoch (07.05.2025), als Neu Delhi eine Reihe von Raketenangriffen auf angebliche Terroristenlager tief in Pakistan und im pakistanisch verwalteten Kaschmir startete. Die Angriffe, die Indien als "Operation Sindoor" bezeichnete, trafen mehrere Orte, darunter Bahawalpur und Muridke; Berichten zufolge wurden dutzende militante Kämpfer dabei getötet. Pakistan verurteilte die Aktion als "Kriegshandlung", die zivile Opfer gefordert habe und versetzte sein Militär in höchste Alarmbereitschaft.

Die Angriffe waren eine Vergeltung für einen brutalen Überfall am 22. April im indisch verwalteten Kaschmir, bei dem Militante mindestens 26 indische Touristen töteten und dutzende weitere verwundeten - der tödlichste zivile Angriff in der Region seit Jahren. Indien beschuldigt Pakistan, die militante Gruppe zu unterstützen, die den Anschlag verübte.

Ein Blick auf die Hintergründe des Kaschmir-Konflikts.

Warum Kaschmir wichtig ist

Kaschmir erstreckt sich über eine Fläche von gut 220.000 Quadratkilometern und ist zwischen Indien, Pakistan und China aufgeteilt. Es wird sowohl von Indien als auch von Pakistan als Gesamtterritorium beansprucht.

Die Region ist die Heimat von über zwölf Millionen Menschen, die einer komplexen Mischung von strategischen, wirtschaftlichen und religiösen Interessen ausgesetzt sind.

Die Geschichte des Konflikts in Kaschmir reicht bis ins Jahr 1947 zurück, als aus der vormaligen Kolonie Britisch-Indien zwei unabhängige Staaten entstanden - das mehrheitlich hinduistische Indien und ein mehrheitlich muslimisches Pakistan.

Der Fürstenstaat Jammu und Kaschmir, mehrheitlich von Muslimen bewohnt, wurde damals von einem hinduistischen Maharadscha regiert. Dieser lehnte es zunächst ab, sich einem der beiden Länder anzuschließen. Das änderte sich, als pakistanische Guerillakämpfer versuchten, die Region zu erobern und ihn zu stürzen. Der Maharadscha bat Indien um Hilfe und schloss sich Neu Delhi an. Das führte zum ersten indisch-pakistanischen Krieg und einer De-facto-Teilung Kaschmirs, die immer noch anhält.

Indien kontrolliert den bevölkerungsreichsten Teil, zu dem das Kaschmirtal, Jammu und Ladakh gehören. Pakistan hält Teile des nördlichen Kaschmirs, darunter Azad Jammu und Kaschmir (AJK), übersetzt "freies Jammu und Kaschmir", sowie Gilgit-Baltistan. China verwaltet derweil die nur dünn besiedelte Region Aksai Chin im Nordosten, die aber Indien nach wie vor für sich beansprucht.

Pakistans Anspruch auf Kaschmir wurzelt in der Überzeugung, dass die Region mit ihrer muslimischen Mehrheit zum Zeitpunkt der Teilung ein Teil Pakistans hätte werden sollen. Indien hingegen verweist auf das so genannte "Instrument of Accession" von 1947, in dem territoriale Fürsten ihren Beitritt erklären konnten und in dem sich der Maharadscha von Kaschmir für Indien aussprach.

Das legitimiere den endgültigen indischen Anspruch. Die Kontroverse darüber, was Gültigkeit haben sollte, führte zu mehreren Kriegen, Aufständen und jahrzehntelanger diplomatischer Feindseligkeit.

Wichtiges Puzzlestück in Chinas Händen

Während Indien und Pakistan das Narrativ zu Kaschmir dominieren, hält auch China ein strategisches Puzzlestück in der Hand. Der nordöstliche Teil der Region, bekannt als Aksai Chin, wird von der Volksrepublik verwaltet, aber weiterhin von Indien beansprucht. Das Gebiet ist wichtig für Peking - als Landverbindung zwischen Tibet und der westlichen Region Xinjiang.

Nun hat sich Peking mit einer eigenen Warnung in die Diskussion eingeschaltet. Als Reaktion auf die nächtlichen Angriffe Indiens forderte Peking beide Länder zu "maximaler Zurückhaltung“ auf, da es besorgt sei, dass ein weiterer Konflikt die gesamte Region destabilisieren könnte. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums bekräftigte, die die Souveränität und territoriale Integrität aller Länder müsse respektiert werden.

Die heikle Rolle Chinas im Kaschmir-Konflikt

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China erlangte die Kontrolle über Aksai Chin in den 1950er Jahren, als es aus strategischen Gründen eine Straße zwischen Xinjiang und Tibet baute. Die Route führte durch das von Indien beanspruchtes Gebiet. Indien protestierte gegen die chinesische Präsenz in der Region und die Spannungen eskalierten in dem kurzen, aber intensiven Chinesisch-Indischen Krieg von 1962.

Seitdem behält China die Kontrolle über Aksai Chin. In den vergangenen Jahren hat Peking seine Militärpräsenz entlang der provisorischen Grenze ausgeweitet, was zu häufigen Zusammenstößen mit den indischen Streitkräften führte.

Die Region ist für China nicht nur strategisch, sondern auch wirtschaftlich wichtig. Der China-Pakistan Economic Corridor (CPEC), ein Eckpfeiler von Pekings "Belt and Road"-Initiative, verläuft durch das von Pakistan verwaltete Gilgit-Baltistan. Daher hat Peking ein wachsames Auge auf die Stabilität Kaschmirs.

Eine Region mit hoher Militärpräsenz

Schätzungsweise mehr als 750.000 Soldaten hat Indien in Jammu und Kaschmir stationiert - mit Konzentration der Einheiten im mehrheitlich muslimischen Kaschmirtal. In den von Pakistan verwalteten Regionen sollen etwa 150.000 Soldaten stehen, darunter auch Spezialeinheiten wie die so genannte Mudschaheddin-Truppe.

Ein Haus mit pakistanischer Flagge, aufgenommen von der indische Seite am Grenzübergang beim Dorf Seemari in Kupwara, Jammu und KaschmirBild: Nasir Kachroo/NurPhoto/picture alliance

Die Gegner werfen sich gegenseitig vor, Einsatzkräfte in übertriebener Personalstärke einzusetzen. Keine der beiden Seiten veröffentlicht jedoch genaue Zahlen. Aus Sicht von Analysten konkurriert die militärische Dichte in der Region, insbesondere im Verhältnis zur Zivilbevölkerung, mit der auf der koreanischen Halbinsel.

Die Präsenz aufständischer Gruppen verschärft die Komplexität der Situation zusätzlich. Der bewaffnete Aufstand im von Indien verwalteten Kaschmir begann in den späten 1980er Jahren und speist sich aus einer Mischung lokaler Unzufriedenheit und externer Unterstützung. Seitdem haben islamische Gruppen wie die Hisbul Mudschaheddin, Jaish-e-Mohammed und Lashkar-e-Taiba immer wieder Anschläge in der Region verübt. Indien beschuldigt Pakistan, militante Gruppen zu unterstützen, Islamabad weist die Anschuldigung zurück.

Könnte der Anschlag eine neue Krise auslösen?

Als Reaktion auf den jüngsten Angriff hat Indien eine Reihe diplomatischer Maßnahmen gegen Pakistan ergriffen, darunter die Herabstufung der diplomatischen Beziehungen, die Schließung der Land- und Luftgrenzen - und erstmals überhaupt auch die Aussetzung des Indus-Wasservertrags von 1960, der die gemeinsame Nutzung von Wasser aus dem Indus-System regelt. Pakistan hat diesen Schritt verurteilt und gewarnt, jeden Eingriff in den Vertrag als Kriegshandlung anzusehen.

Die Situation weckt Erinnerungen an die Spannungen von 2019, als bei einem Selbstmordanschlag in Pulwama 40 Kämpfer indischer paramilitärischer Truppen getötet wurden. Indien reagierte mit Luftangriffen auf Pakistan und brachte die beiden Atommächte an den Rand eines Krieges.

Im selben Jahr hob Indien den Artikel 370 in seiner Verfassung auf und entzog damit Jammu und Kaschmir seinen besonderen Autonomiestatus. Der Schritt, der von Pakistan verurteilt wurde, löste Unruhen in der Region aus. Seitdem blieben die Spannungen auf hohem Niveau.

Wie geht es weiter?

Was als Nächstes geschieht, wird weitgehend davon abhängen, wie Indien und Pakistan in den kommenden Tagen mit den diplomatischen und militärischen Folgen umgehen. Bislang scheinen sich beide Seiten auf eine schrittweise Eskalation einzulassen: Indien hat seine Militärschläge begrenzt und Verletzungen des pakistanischen Luftraums vermieden, während Pakistan zwar mit Artilleriebeschuss  antwortete - aber noch keine eigenen Offensivschläge unternommen hat.

Die Situation bleibt jedoch gefährlich instabil. Da beide Regierungen nach der jüngsten Eskalation innenpolitisch unter großem Druck stehen, stark und entschlossen aufzutreten, ist das Potenzial für Fehleinschätzungen groß. 

Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand. 

Dieser Artikel stammt ursprünglich vom 25. April 2025 und wurde letztmals am 7. Mai 2025 aktualisiert. 

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