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Politik

Katalonien: Adiós Spanien! Adéu EU?

12. September 2017

Sollten die Katalanen am 01. Oktober für ihre Unabhängigkeit von Spanien stimmen, würden sie auch die EU verlassen, sagt die EU. Aber was haben die DDR und Grönland damit zu tun? Aus Brüssel Bernd Riegert.

Flaggen EU Spanien Katalonien
Noch einträchtig nebeneinander: Flaggen der EU, Spaniens und (der Region) KataloniensBild: picture-alliance/Robert Harding

In der Europäischen Union gilt seit 2004 die sogenannte Barroso-Doktrin, benannt nach dem ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten. Danach ist ein neuer Staat, der aus einem Mitgliedsland der Europäischen Union hervorgeht und sich für unabhängig erklärt, nicht mehr Teil der Europäischen Union und schon gar nicht automatisch ein neuer Mitgliedsstaat. Diese Rechtsauffassung hatte Jose Manuel Barroso formuliert, um Unabhängigkeitsbewegungen im belgischen Flandern, im Baskenland in Spanien und Frankreich, in Nordirland, in Norditalien und eben auch in Katalonien den Wind aus den Segeln zu nehmen. 2014 hatte Barroso seine Rechtsauslegung in einem Interview mit der BBC noch einmal bekräftigt, da ging es um eine möglich Unabhängigkeit Schottlands.

Die Sprecher der EU-Kommission wiederholen derzeit in Brüssel fast täglich diese Barroso-Doktrin, weil sie von spanischen Journalisten immer wieder gefragt werden, ob denn ein unabhängiges Katalonien Mitglied der EU sein würde. Die kurze Antwort lautet: Nein. Die katalanische Regierung allerdings behauptet gerne das Gegenteil. Sie ist der Auffassung, die 7,5 Millionen Katalanen im nordöstlichen Zipfel der iberischen Halbinsel könnten am 01. Oktober per Volksentscheid aus dem spanischen Föderalstaat aussteigen, aber gleichzeitig Bürger der Europäischen Union bleiben.

Fröhlich in die Unabhängigkeit und wirtschaftliches Chaos?Bild: Reuteras/A. Gea

Wiederbeitritt in die EU möglich

Sollte es tatsächlich einen unabhängigen Staaten Katalonien geben, könnte der nach den EU-Verträgen die Mitgliedschaft in der Union beantragen. Er müsste aber das ganze Aufnahmeverfahren durchlaufen, das Jahre dauern kann. Vor allem müssten alle EU-Mitglieder, also auch Spanien, Beitrittsverhandlungen zustimmen. Das dürfte wohl eher nicht der Fall sein.

Wirtschaftlich gesehen halten viele Fachleute, Unternehmen und Banken auch in Katalonien die Unabhängigkeit und den - zumindest vorübergehenden Abschied aus der EU - für schwer zu verkraften. Die Exporte der katalanischen Autoindustrie gehen heute fast ausschließlich in EU-Staaten. Als Drittstaat müsste Katalonien Zölle zahlen und ein Handelsabkommen mit der EU abschließen. Nicht ganz klar ist, wie sich katalanische Staatlichkeit auf die direkte Grenze zum EU-Mitglied Frankreich auswirken würde. Ein Großteil des Waren- und Personenverkehrs Spanien rollt heute über diese Grenze, die dann eine EU-Außengrenze wäre. Die Gemeinschaftswährung Euro könnten die Katalonen mutmaßlich behalten. Allerdings würden die katalanischen Banken, darunter die Großbank Caixa, aus dem System der Europäischen Zentralbank herausfallen. Die Banken wären finanziell auf sich alleine gestellt. Ihre Kreditwürdigkeit würde mit Sicherheit sinken. Die Folgen sind schwer abzuschätzen.

Nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich wäre eine Eigenstaatlichkeit der spanischen Region Katalonien ein großes Abenteuer, vermutet der Wirtschaftsanwalt Georg Abegg in der "Wirtschaftswoche". Abegg arbeitet in Barcelona und Madrid für die Kanzlei Rödl und Partner: "Darüber wurden die Katalanen von ihren regierenden Politikern aber gar nicht aufgeklärt und die Abstimmung ist damit ähnlich absurd wie die beim Brexit. Selbst, wenn das Referendum legal wäre, kann man nicht einfach nur diese Frage stellen, ob eine Abtrennung von Spanien gewollt ist oder nicht." Die Region Katalonien ist hoch verschuldet. Gegenüber dem spanischen Zentralstaat würden nach der Unabhängigkeit sofort zehn Milliarden Euro fällig. 

Streben nach Unabhängigkeit in der EU: Intensiv in Katalonien und Schottland, eher gemäßigt in Flandern, eher folkloristisch in Bayern

Und wie war das mit der DDR?

Die Befürworter der katalanischen Unabhängigkeit verweisen gerne darauf, dass ja die ehemalige DDR 1990 ohne Beitrittsverfahren in die Europäische Union aufgenommen wurde. Da sehen EU-Juristen allerdings einen anderen Fall. Die DDR trat vom 02. auf den 03. Oktober 1990 dem EU-Mitglied Bundesrepublik Deutschland bei. Hier ging es also um Beitritt nicht Austritt. Das Vorgehen war von den EU-Mitgliedern einstimmig gebilligt worden. Auch Schottland würde übrigens, wenn es aus Großbritannien austreten würde, ein Aufnahmeverfahren für die EU durchlaufen müssen. Das hat die EU-Kommission wiederholt klar gestellt. Großbritannien wäre nach dem Brexit selbst nicht mehr EU-Mitglied und könnte bei einer Abstimmung die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Schottland nicht verhindern.

Und dann war da ja noch Grönland. Die arktische Insel trat 1985 auf eigenen Wunsch aus der EU aus, nachdem sie mehr oder wenig unabhängig von Dänemark wurde. Grönland ist völkerrechtlich auch kein Staat. Das klingt alles kompliziert? Das ist es auch und würde sicher noch den Europäischen Gerichtshof und viele andere Juristen beschäftigen.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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