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Kataloniens Wirtschaft vor unruhigen Zeiten

2. Oktober 2017

Der Streit um das Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens beunruhigt auch die Wirtschaft. Die Region ist ein ökonomisches Schwergewicht in Spanien. Doch während Madrid warnt, bleiben die Finanzmärkte eher ruhig.

Spanien Barcelona Referendum über Unabhängigkeit - Referendums-Gegner
Bild: Getty Images/D. Ramos

"Eine Abspaltung Kataloniens ist unwahrscheinlich, aber das Risiko für eine Eskalation hat sich kurzfristig erhöht", sagte Eric Oynoyan, der für BNP Paribas in London arbeitet, am Tag nach dem von Gewalt überschatteten Unabhängigkeitsreferendum in der spanischen Region Katalonien zur DW.

Katalonien ist die wirtschaftlich stärkste Region Spaniens und steht für 20 Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf ist deutlich höher als im Rest den Landes, die Arbeitslosigkeit geringer.

Mit einem Bevölkerungsanteil von nur 16 Prozent trägt Katalonien 20 Prozent zu den Steuereinnahmen der Zentralregierung bei. "Ein großes Problem für die spanische Regierung ist jetzt, wie sie ihren Haushalt für 2018 beschließen kann", glaubt Eric Oynoyan von BNP Paribas.

An den europäischen Finanzmärkten hielten sich die Reaktionen am Montag in Grenzen. Der Euro gab gegenüber dem US-Dollar um 0,6 Prozent nach. Der Leitindex der Börse in Madrid verlor bis zum Nachmittag rund 1,5 Prozent, Finanztitel verloren besonders stark.

An den Rentenmärkten gerieten die spanischen Staatsanleihen unter Druck. Die Renditen für Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit stiegen auf 1,70 Prozent, nach 1,62 Prozent am Freitag. Dadurch erhöhen sich für die Regierung die Refinanzierungskosten.

Viele Investoren scheinen der Ansicht zu sein, dass sich der Konflikt zwischen der katalanischen Regionalregierung und der spanischen Zentralregierung noch irgendwie gelöst werden kann. Die Analysten der Bank UniCredit erwarten, dass beide Seiten verhandeln, "um eine Verschärfung der Krise zu verhindern. Schließlich sei "die katalanische Bevölkerung bei diesem Thema tief gespalten", so die Bank in einem Bericht für Investoren am Montag.

Nach Angaben der katalanischen Regierung stimmten am Sonntag 90 Prozent der Wähler für die Unabhängigkeit von Spanien. Bei einer Umfrage im Juni hatten sich nur 41 Prozent der Katalanen für die Loslösung ausgesprochen.

Wirtschaftliches Schwergewicht

Die katalanische Regionalregierung erklärte das Referendum am Montag als bindend, ließ aber offen, ob und wann sie sich für unabhängig erklären wird. Ein "traumatischer Bruch" mit Spanien sei nicht geplant, hieß es, es brauche aber "ein neues Verständnis".

Spaniens Justizminister sagte, die Zentralregierung in Madrid könne eine mögliche Unabhängigkeitserklärung auf Basis der spanischen Verfassung aussetzen.

Von den 35 größten Konzernen Spaniens kommen sechs aus Katalonien, und rund die Hälfte der deutschen Firmen in Spanien haben in der Region ihren Sitz. Auch bei Touristen ist die Region mit ihrer Hauptstadt Barcelona beliebt, im vergangenen Jahr zog sie rund ein Viertel aller ausländischen Spanien-Urlauber an.

Katalonien ohne Euro?

Was eine katalanische Unabhängigkeit für die europäische Währungsunion bedeuten würde, ist unklar. Katalonien würde nach der Unabhängigkeit nicht mehr zur Europäischen Union und damit auch nicht mehr zur Eurozone gehören - obwohl sich viele Befürworter der Unabhängigkeit einen Verbleib wünschen.

In der Folge ist daher mit großen wirtschaftlichen Einbußen zur rechnen, für Spanien selbst, aber besonders für Katalonien. Schließlich sind die dort ansässigen Industrien - von Autozulieferern über Chemie bis Tourismus - angewiesen auf einen möglichst reibungslosen Austausch mit der Eurozone.

Strandpromenade in Barcelona: Katalonien zieht jeden vierten Spanien-Touristen anBild: picture-alliance/DUMONT Bildarchiv/Frank Heuer

Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos sagte der Region für diesen Fall eine "brutale Verarmung" voraus. Kataloniens Wirtschaftsleistung werde um 25-30 Prozent einbrechen, die Arbeitslosigkeit könne sich verdoppeln. Große Banken könnten dann zudem ihre Präsenz in Katalonien "überdenken", so der spanische Bankenverband AEB.

Auch Vertreter der deutschen Wirtschaft warnten vor einer Abspaltung Kataloniens. "Ein Bruch der Region mit dem spanischen Staat würde für beide Seiten tiefe Einschnitte bedeuten und zu Verunsicherungen in der stark exportorientierten Wirtschaft führen", sagte Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) am Montag in Berlin.

In Katalonien sind rund die Hälfte der mehr als 1000 Firmen mit deutscher Beteiligung in Spanien angesiedelt. Die Industrie schaue daher mit Sorge auf die Auseinandersetzung. Lang rief beide Seiten zu einem "ernstzunehmenden Dialog" auf.

Inzwischen sei eine "Vermittlung von Außen" nötig, um die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu zwingen", so Caroline Gray, Dozentin für Politik und Spanisch an der Aston Universität in Birmingham, gegenüber der DW.

Das scheint die katalanische Regionalregierung zumindest ähnlich zu sehen. Sie sprach sich am Montag für eine Vermittlung durch die Europäische Union aus, derzeit habe man keinen Kontakt mit der Zentralregierung in Madrid.

Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.
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