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Konflikte

Katerstimmung nach Eskalation in Hongkong

1. September 2019

Nach den bislang schwersten Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei sind viele fassungslos: Ein Video zeigt ein brutales Vorgehen der Einsatzkräfte. Demonstranten besetzten erneut den Flughafen.

Hongkong Protest | Protestierende am Flughafen von Hongkong
Am Hongkonger Flughafen versammelten sich erneut DemonstrantenBild: picture-alliance/AP Photo/K. Cheung

Einen Tag nach den schweren Ausschreitungen in Hongkong haben Hunderte Aktivisten am Sonntag vergeblich versucht, den Betrieb am internationalen Flughafen lahmzulegen. Es kam nur zu leichten Verzögerungen. Ein Großaufgebot der Sicherheitskräfte ließ nur Passagiere mit gültigen Tickets in die Abfertigungshalle, der Expresszug zum Flughafen stellte zeitweise seinen Betrieb ein. So waren es nur einige Hundert Anhänger der Demokratiebewegung, die vor dem Terminal ausharrten und Barrikaden aus Gepäckwagen errichteten. Als weitere Spezialeinheiten zur Verstärkung der Sicherheitskräfte eintrafen, rückten die Demonstranten nach dreistündiger Blockade wieder ab. Vor drei Wochen war es den Aktivisten an zwei Tagen gelungen, den Betrieb am Flughafen zum Erliegen zu bringen.

Wegen der Blockade mussten viele Reisende Teile der Strecke zum Flughafen laufenBild: Reuters/T. Siu

Tränengas, Warnschüsse, Brandsätze

Am Samstag hatten sich Zehntausende über ein polizeilich verfügtes Demonstrationsverbot hinweggesetzt und dieses zunächst mit kreativen Protestformen umgangen. Am Rande friedlicher Märsche kam es nachmittags zu ersten Zusammenstößen mit Sicherheitskräften, die sich im Laufe des Abends zu schweren Ausschreitungen auswuchsen. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer mit blauer Farbe ein. Beamte gaben zwei Warnschüsse ab, in einer Meldung heißt es, Aktivisten hätten versucht, deren Dienstwaffen zu entwenden.

Nach den Aktivisten kamen die Spezialkräfte zum FlughafenBild: picture-alliance/AP Photo/K. Cheung

Am Abend hatten Demonstranten die Barriere zum Parlamentsgebäude durchbrochen, einige warfen Steine und mehrere Molotowcocktails. Die Polizei verurteilte die angeblich illegalen Zusammenkünfte in mehreren Stadtbezirken: "Das Ausmaß der Gewalt steigt rapide an, und ihre illegalen Handlungen stehen nicht im Einklang mit Hongkongs Gesetzen."

Fassungslosigkeit über Prügel-Video

Über soziale Medien verbreitete sich ein Video vom Samstagabend, das ein gewaltsames Vorgehen von Einsatzkräften gegen Demonstranten und Zivilisten an einem U-Bahnhof zeigt. Darin ist zu sehen, wie die Spezialkräfte in schwerer Montur einen Zug stürmen, darin Pfefferspray sprühen und brutal auf Fahrgäste einprügeln. Viele Nutzer verurteilten die Polizeigewalt und erinnerten an die Forderung der Demokratiebewegung nach einer unabhängigen Aufarbeitung der Methoden der Sicherheitskräfte. Amnesty International forderte eine Untersuchung der "furchtbaren" Polizeioperation.

Eigentlich ist Pfefferspray in geschlossenen Räumen tabu - in der U-Bahn wurde es reichlich eingesetztBild: picture-alliance/dpa/Ring Yu

In der Metrostation wurden am selben Abend 40 Menschen festgenommen, die im Verdacht standen, Beamten behindert zu haben. Von dort kam auch ein großer Teil der mindestens 31 Verletzten, die im Laufe des Abends in Hongkonger Krankenhäuser eingeliefert wurden. Fünf von ihnen waren am Sonntag laut Krankenhausbehörde in "ernstem Zustand".

Hongkong kommt nicht zur Ruhe

Seit drei Monaten demonstrieren weite Teile der Hongkonger Stadtbevölkerung für den Fortbestand ihrer Rechte. Sie werfen der chinesischen Regierung vor, den freiheitlichen Sonderstatus zu untergraben, der der früheren britischen Kronkolonie bis 2047 vertraglich zugesichert wurde. Auslöser war ein geplantes Auslieferungsgesetz. Hongkongs chinafreundliche Regierungschefin Carrie Lam hat inzwischen von dem Vorhaben abgelassen, aber bisher nicht die Forderung der Demonstranten erfüllt, den Gesetzentwurf auch formell zurückzuziehen.

Die Ereignisse in Hongkong stellen die größten Demokratieproteste in China seit 30 Jahren dar. Die Studentenbewegung wurde damals mit militärischer Gewalt blutig niedergeschlagen, beim Massaker vom Pekinger Tiananmen-Platz wurden am 4. Juni 1989 laut Schätzungen mindestens 1000 Menschen getötet. Seitdem in Hongkongs Nachbarstadt Shenzhen größere Militärverbände zusammengezogen wurden, wächst die Sorge vor einem ähnlichen Durchgreifen Pekings.

ehl/haz (dpa, afp, ap, rtr)

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