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Glaube

Tumult und Tacheles

12. Mai 2018

Um nichts wurde vor dem Katholikentag in Münster so gestritten wie um den ersten Auftritt eines AfD-Politikers. Christoph Strack aus Münster über ein Streitgespräch mit Zwischenfällen.

Katholikentag in Münster: Transparent gegen die Teilnahme eines AfD-Politikers (picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd)
Bild: picture-alliance/dpa/G. Kirchner

Irgendwann beschwert sich Volker Münz auf dem Podium des Katholikentages über die Kirchen. Es gebe "Kirchenvertreter, die sich politisch äußern, was nicht ihre Aufgabe ist", sagt der AfD-Bundestagsabgeordnete. Spontan erwidert der CDU-Abgeordnete Christian Hirte, er sei vor diesem Gespräch im Münsteraner Dom gewesen, am Grab von Kardinal von Galen, der einst die Nazis wegen ihres Euthanasie-Programms kritisierte... Und tosender Applaus braust auf.

Erstmals ein AfD-Politiker auf einem Podium eines Katholikentages - um keine Veranstaltung wurde im Vorfeld mehr gestritten. Die einen sahen ein "Podium für Nazis" oder einen Tabubruch. Die anderen sprachen vom notwendigen Dialog.

Gegendemonstration

Schon Stunden vor der Debatte sammelten sich Gegendemonstranten in der Münsteraner Innenstadt. "Hetze gegen Geflüchtete, Hetze gegen Arme, Hetze gegen Menschen mit Behinderung", sagt ein Redner. 300 Demonstranten sind angemeldet, rund 1000, so ein Polizeisprecher, erreichen knapp eine Stunde später das Gelände rund um die Münsterlandhalle. Da zeigt sich ein für Katholikentage ungewohntes Bild. Ein Dutzend Polizeiautos versperrt sicherheitshalber den Zugangsbereich vor der Halle. Aber den angekündigten Flashmob haben die AfD-Gegner eh in der nächsten Seitenstraße geplant.

Vor der Halle langes Warten. Taschenkontrolle. Trinkflaschen müssen draußen bleiben. Als Münz als letzter der Kirchenbeauftragten von sechs Parteien durch den Seiteneingang die Bühne betritt, begleiten ihn Personenschützer Der Vertreter der Rechtspopulisten bleibt ganz rechts sitzen, Nähe zum Ausgang.

„Nazis raus"

Minuten später ist es so weit. Videos auf der Großleinwand stellen die Gesprächsteilnehmer vor. Als Münz ins Bild kommt, läuft der erste durch den Mittelgang, rund ein Dutzend Demonstranten sammeln sich schreiend hinter einem Transparent „Kein Frieden mit der AfD" vor der Bühne. „Nazis raus"-Rufe. Hektik. Die Leibwächter umgeben Münz. Polizisten kommen in den Saal. Viele Zuschauer rufen "Haut ab! Haut ab" und "Schreihälse raus." Nach zwei Minuten verlassen sie den Saal, ohne dass die Polizei eingreifen muss.

Dann gut 90 Minuten Gespräch. Gerade die drei weiblichen Abgeordneten auf dem Podium von SPD, Grüne und Linke, erkennbar vorbereitet, reden Tacheles, konfrontieren Münz mit extremen Aussagen von Parteikollegen, grenzen ihr christliches Menschenbild von der AfD ab. Münz, der als einziger der sechs immer wieder beschriftete Karten sortiert und liest, verteidigt sich: "Alle politisch Verantwortlichen haben Schuld auf sich geladen..." Da meine er, sagt er, die Grenzöffnung für Flüchtlinge, Verzögerungen bei Abschiebungen, derbe Kritik an Ungarn und Polen.

Lob oder Kritik in Einzelpunkten

Demonstranten protestieren gegen den Auftritt eines AfD-PolitikersBild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Und doch: Nach dem Tumult zu Beginn läuft das Gespräch zur großen Frage in Goethes Faust "Wie hältst Du's mit der Religion?". Eher etwas lauter, aber ohne Geschrei. Gut ein Dutzend Münz-Anhänger in der fünften Reihe - "der Kreisverband Münster", spöttelt jemand - klatscht immer wieder für ihn. Gelegentlich gibt es verbale Scharmützel. Aber ein "Raus, Du Schwein" eines Münz-Fans zu einem Kritiker bleibt das Härteste. Und gelegentlich rufen wohl hunderte Zuschauer "Antworten! Antworten!", wenn Münz einer Frage ausweicht. Moderator Thomas Arnold dringt dann auf Ruhe.

Münz, selbst der evangelischen Kirche angehörend, meint, seine Partei mache sehr wohl "Politik auf Basis eines christlichen Menschenbildes." "Ausgrenzung ist mit dem Christentum nicht zu vereinbaren", setzt Bettina Jarasch, die wiederholt den stärksten Beifall bekommt, dagegen. Ähnlich die SPD-Religionsexpertin, Staatssekretärin Kerstin Griese: "Als Jesus gesagt hat ‚Selig sind die Armen und Schwachen‘, hat er nicht gesagt: das gilt übrigens nicht für die Flüchtlinge." Christine Buchholz von der Linken, aus der evangelischen Kirche ausgetreten, beklagt, christliche Nächstenliebe sei mit vielem, was die AfD vertrete, "überhaupt nicht vereinbar". Christian Hirte, Staatssekretär und Ostbeauftragter der Bundesregierung, sagt, wenn Menschen pauschal abgewertet würden, sei das unchristlich.

Der AfD-Politiker weist zurück, Verantwortung für Äußerungen von Parteifreunden zu übernehmen. Und irgendwann gelingt es ihm, fast im gleichen Satz Verständnis für Kirchenaustritte von AfD-Mitgliedern zu äußern und zu bekräftigen, dass seine Partei ein starkes, christliches Deutschland wolle. 

Gegen Ende erzählt Moderator Arnold, mit 30 Jahren der Jüngste auf dem Podium, er sei im Vorfeld öfter gefragt worden, wie er nur mit einem Populisten reden könne. "Wir reden nicht mit Populisten, sondern mit Menschen", habe er erwidert. Es sei gelungen, verschiedene Positionen auszuhalten. Die 800 in der Halle klatschen kräftig. Münz verschwindet rasch, gut bewacht, durch den Seitenausgang.

Umstrittener Auftritt von Volker MünzBild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd
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