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Katholische Kirche: Der Papst und Kardinäle aus aller Welt

6. Dezember 2024

Papst Franziskus ernennt neue Kardinäle. So prägt er den Kreis hoher katholischer Geistlicher, die später im Konklave seinen Nachfolger wählen. Wird das die Wahl beeinflussen?

Papst Franziskus, ein Mann im weiten weißen Gewand mit einem weißen Käppi auf dem Kopf sitzt vor einem Mikron, neben ihm ein anderer Mann im weißen Gewand mit lila Kragen, hinter ihnen ist Blumenschmuck zu sehen
Papst Franziskus blickt auf die von ihm ernannten Kardinäle in roter Robe (2022)Bild: Vatican Media/REUTERS

Wenn Papst Franziskus neue Kardinäle ernennt, kann man immer mit überraschenden Entscheidungen rechnen. An diesem Samstag nahm das katholische Kirchenoberhaupt 21 Geistliche neu in das Kardinalskollegium auf. Und wieder sind einige davon ungewöhnlich.

Einer der Neuen ist 44 Jahre alt - so jung wie lange kein Kardinal. Ein anderer wird in zehn Monaten 100 Jahre alt - und ist damit der älteste aller 253 Kardinäle. 

Und da ist der Reisemarschall des Papstes, ein indischer Mitarbeiter der Kurie, erst seit drei Jahren für die Organisation der Reisen zuständig. Auch die Erzbischöfe von Teheran und Algier, gebürtig in Belgien und in Frankreich, treten am Samstag im Petersdom vor den Papst und bekommen das purpurfarbene Käppchen.

2023: Kardinäle aus aller Welt bei der katholischen Weltsynode in Rom Bild: Evandro Inetti/picture alliance/ZUMA/dpa

Papst Franziskus "viel eigenwilliger"

Franziskus setzt wie schon bei seinen vorherigen neun Runden von Kardinal-Ernennungen längst nicht nur auf überkommene Gewohnheiten. Dieser Papst, sagt der Augsburger Theologieprofessor Jörg Ernesti der DW, verfahre "viel eigenwilliger" als alle seine Vorgänger der vergangenen 200 bis 250 Jahre. Er nehme weit weniger Rücksichten auf Erwartungen.

So bleibe mancher Bischofsstuhl in wichtigen Metropolen wie Mailand, Sydney, Paris oder Berlin unberücksichtigt. "Stattdessen wählt Franziskus oft Geistliche aus, die kirchenpolitisch auf seiner Linie liegen, die sich zum Beispiel sehr in der Flüchtlings- und Migrationsthematik engagieren." Ernesti analysierte kürzlich in dem Buch "Geschichte der Päpste seit 1800" die Entwicklung des modernen Papsttums und das Profil der einzelnen Päpste.

Jörg Ernesti, katholischer Theologe an der Universität AugsburgBild: Nicolal Kaestner

Das Kardinalskollegium ist der engste Beraterkreis des obersten Chefs der katholischen Kirche. Alle Mitglieder unter 80 Jahren wählen nach dem Tod oder dem Rücktritt eines Papstes im sogenannten Konklave dessen Nachfolger. Eigentlich, so hatte es Paul VI. (1963-1978) im Jahr 1975 festgelegt, sollte die Zahl der Papstwähler im Konklave nicht höher als 120 liegen. Eigentlich - aber ein Papst darf von solchen Vorgaben abweichen.

Lediglich einer der 21 neuen Kardinäle ist schon jenseits der Altersgrenze, der 99-jährige Italiener Angelo Acerbi. Damit sind ab Samstag 140 Kardinäle jünger als 80 Jahre und zur Papstwahl zugelassen. So viele waren es wohl selten, wenn überhaupt schon einmal. Bis Ende des Jahres 2025 werden 15 Kardinäle das 80. Lebensjahr erreichen und damit aus dem Kreis der potenziellen Papstwähler ausscheiden. Falls es nicht noch Todesfälle gibt, wären es dann immer noch 125 Papstwähler.

Großteil der Kardinäle selbst ernannt

Klar ist, dass Franziskus den Kreis der Teilnehmer eines nächsten Konklaves schon deutlich geprägt hat. Nur noch gut 21 Prozent der potenziellen Papstwähler wurden bereits von Johannes Paul II. (1978-2005) oder von Benedikt XVI. (2005-2013) ernannt. Franziskus hat diesem Kreis längst seinen Stempel aufgedrückt.

Gleichwohl ist es nicht ein Stempel mit einer einzelnen Prägung. So wählt Franziskus gern Geistliche aus, die nicht spürbar darauf warten, Kardinal zu werden. Jeder, der mit vatikanischen Abläufen zu tun hat, kennt solche Karriere-Priester. Franziskus macht es anders.

Der nun zum Kardinal ernannte Erzbischof von Tokio, Tarcisio Isao Kikuchi, war im Oktober, als der Papst während seiner sonntäglichen Ansprache die Namen der künftigen Kardinäle verkündete, wegen der Weltsynode in Rom. Kikuchi hörte dabei nicht zu, er war zu Fuß unterwegs. Als ihm plötzlich jemand gratulierte, hielt er das zunächst für einen Scherz. Bis ihm der Kardinal von Bogota ein Video mit den Papstworten zeigte.

Deutlich wird vor allem das Anliegen des Papstes, das Kardinalskollegium stärker zu internationalisieren. Am Konklave von 2013, das den Argentinier Jorge Mario Bergoglio zum Nachfolger von Benedikt XVI. wählte, zum heutigen Papst Franziskus, nahmen 115 Kardinäle aus 48 Ländern teil, darunter 28 Italiener (heute: 17) und sechs Deutsche (heute: drei), aber nur elf Kardinäle aus Asien und Ozeanien (heute: 29) und elf aus Afrika (heute: 18).

Wichtiger als das Element der Internationalisierung ist nach Einschätzung des italienisch-amerikanischen Kirchenhistorikers Massimo Faggioli ein anderes Element. Häufig gebe es eine "persönliche Affinität" durch irgendeine Kenntnis der konkreten Person, durch gemeinsame Zugehörigkeit zum Jesuitenorden, durch ähnliche Religiosität oder persönliche Sympathie.

Faggioli sagt, zu Zeiten von Johannes Paul II. oder Benedikt seien solche persönlichen Bande viel kritisiert worden. "Bei Franziskus wird nicht viel darüber gesprochen, aber es gibt persönliche Affinität."

Generalaudienz auf dem Petersplatz im Vatikan: Wohin will Papst Franziskus die Kirche bewegen?Bild: Massimo Valicchia/NurPhoto/picture alliance

Das geografische Element dominiere bei den Papst-Personalentscheidungen für jene Regionen, die ihn persönlich interessierten wie Afrika, Lateinamerika oder Asien. In den Teilen der Welt, zu denen Franziskus keine besondere Bindung habe, schlage dann die persönliche Intuition, die Sympathie durch.

Der Kirchenhistoriker spricht von seltsamen Folgen dieser Praxis. So komme seit längerem kein potenzieller Papstwähler aus Irland. Und der nun zum Kardinal erhobene Geistliche aus Australien sei ein Ukrainer, der sich in dem Land um ukrainisch-katholische Gläubige kümmere.

Kann es dem bald 88-jährigen Franziskus gelingen, durch seine Personalpolitik die Entscheidung eines künftigen Konklave vorherzubestimmen? Kirchenhistoriker Ernesti ist da skeptisch. Sicher versuche jeder Papst auf diesem Wege, dafür zu sorgen, dass seine Arbeit oder sein kirchenpolitischer Kurs fortgesetzt werde. Die Kirchengeschichte zeige aber, dass das nicht so leicht sei. "Man kann sagen: Konklave sind letztlich dann doch unberechenbar", stellt der Theologe fest.

Der Theologe Massimo Faggioli lehrt Kirchengeschichte an einer US-UniversitätBild: Privat

Faggioli sieht noch ein anderes Problem. Zwar sei das Kardinalskollegium nun internationaler aufgestellt. Es gebe viel mehr Kardinäle, die sich "bezüglich ihrer geografischen Herkunft und ihres Hintergrundes stärker unterscheiden. Aber sie treffen sich fast nie", sagt er der DW. Denn das Instrument von verpflichtenden Kardinalstreffen, das genau dafür vorgesehen sei, nutze Papst Franziskus nur selten und nur begrenzt.

"Das ist meiner Meinung nach ein Risiko", sagt Faggioli. Nach seiner Einschätzung sei ein größeres und internationaleres Kardinalskollegium durchaus sinnvoll. Aber der Papst müsse es tatsächlich zusammenbringen und als einen "Senat der Kirche" nutzen, mahnt er. "Heute dagegen besteht die Gefahr, dass es sich nur um eine Gruppe von Leuten handelt, die sich eines Tages zusammenfindet und dann das Problem hat, einen neuen Papst zu wählen, ohne sich gegenseitig zu kennen."

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