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Katz und Maus im Web

Oliver Samson26. Februar 2004

Im Iran herrscht eine strenge Pressezensur. Auch das Internet ist zunehmend betroffen. Doch es gibt eine ganze Menge von Schlupflöchern.

Gesperrtes Tor zur WeltBild: AP

Ali Chamenei, der oberste religiöser Führer des Iran, ist kein großer Freund der Meinungsvielfalt. Auch im Jahr 2003 wurde er von "Reporter ohne Grenzen" zu einem der "Feinde der Pressefreiheit" gewählt. Nachdem im Iran in den vergangenen drei Jahren mehr als 90 Zeitungen und Magazinen verboten worden waren, ist das Internet mehr und mehr zu einem Ort der Information und zu einer Quelle der Kommunikation geworden.

Viele Zeitungsmacher antworteten auf die Verbote mit einem Internetauftritt, um dort ihre Beiträge zu publizieren. "Nach den Maßnahmen gegen Zeitungen und die Massenmedien konzentriert sich die Suche der Menschen nach unabhängigen Informationen eben auf das Internet", sagt Reza Parisa, Direktor des Verbandes der iranischen Internetprovider.

Anti-islamisch, pornographisch, politisch

Etwa sieben Millionen Iraner, ein Zehntel der Bevölkerung, besitzen einen Internetzugang - doppelt so viele wie noch vor zwei Jahren. Allein in der Hauptstadt Teheran soll es über 2000 Internet-Cafés geben. Der Siegeszug des Internets in den letzten Jahren förderte die Angst der Mullahs, dass ihre Machtbasis via Internet unterhöhlt werden könnte. Seit 2003 beobachtet die Pressekontrolle der Mullahs das Treiben im Web mit Argusaugen.

Gerade einmal 240 "unethische, pornographische und anti-religiöse“ Seiten seien gesperrt, sagte Irans Informationsminister Ahmad Motamedi im Dezember 2003. Unabhängige Quellen sprechen jedoch von Zehntausenden von geblockten Seiten – so sind selbst Teile der Suchmaschine Google im Iran nicht erreichbar. Und die privaten iranischen Internet-Provider haben in der Vergangenheit ohnehin schon immer den Zugriff zu mehr 100.000 Seiten verhindert, die als anti-islamisch oder pornografisch erachtet wurden.

Sperren, was nur zu sperren ist

Der Bann der Mullahs geht von Porno stärker in Richtung Politik: Zu den gesperrten Seiten gehört seit Anfang Januar 2004 auch Emrooz.org. Das Angebot wird von Journalisten betrieben, die dem als Reformer geltenden iranischen Präsidenten Chatami nahe stehen. Auf der anderen Seite soll aber auch Gooyaa "gefiltert" werden – eine Seite von islamischen Hardlinern. 140 iranische Parlamentarier haben im Januar 2004 in einem Brief an den Präsidenten die Sperrung gefordert, weil auf Gooyaa falsche Informationen und Gerüchte über Reformer verbreitet wurden.

Internet in Iran Frauen im InternetcafeBild: AP

Angesichts des Mangels an freier Information finden im Iran "Weblogs" zunehmende Bedeutung: eine Art digitaler, anonymer Tagebücher. Diese sind zu einem dezentralen, schwer kontrollierbaren Netzwerk geworden. Doch die Mullahs lesen auch hier mit – und sperren, wenn ihnen die Inhalte zu offenherzig werden. Im Dezember 2003 wurden so auch die populäre Weblog-Plattform Sobhaneh gesperrt.

Die Sache mit der Leiter und dem Vogel

Den Sinn dieser Maßnahmen bezweifeln viele schon aus pragmatischen Gründen – der Informationsfluss sei in den Zeiten des globalen Datenaustauschs ohnehin nicht zu verhindern. Internetfilter einzurichten sei deshalb wie "eine am Haus angelehnte Leiter wegzustellen, um zu verhindern, dass ein Vogel vom Dach wegfliegt", sagt Hussein Shariatmadari von der reformorientierten Zeitung "Kayhan" in schönster persischer Poesie.

Und so verspricht das energieraubende Katz- und Maus-Spiel zwischen der konservativen Hierarchie und der jungen Generation weiterzugehen. "Wer ein bisschen technisch versiert ist, kann die Filter der Mullahs ohnehin umgehen", sagt ein persischer Kenner, der lieber anonym bleiben möchte. "Die Leute wollen eben Pornos und unabhängige Nachrichten – und sie bekommen sie auch." Wie das genau funktioniert, will er aber lieber nicht verraten – schließlich wäre die "andere Seite" stets bemüht, Schlupflöcher zu schließen. Denn um die Bedeutung des nötigen Know-hows wissen auch die traditionellsten der islamischen Fundamentalisten: Mehrere tausend Studenten werden jährlich in Qom, der zentralen Ausbildungstätte der islamischen Geistlichkeit, an Computern und Internet geschult – um ihr Wissen später in den Dienst des "Landes und des Islam" zu stellen.

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