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Kaum Gegenwind für Lobbyisten

Sabine Kinkartz25. Juni 2013

Parteispenden, Nebeneinkünfte, Abgeordnetenkorruption: Lobbyisten haben in Berlin mehr Einfluss, als für die Demokratie gut ist. Der Verein LobbyControl stellt der Bundesregierung ein schlechtes Zeugnis aus.

Ein Aktivist des Vereins LobbyControl - Initiative fuer Transparenz und Demokratie hält während einer Aktion des Vereins gegen mangelnde Transparenz bei Nebeneinkünften von Politikern vor dem Reichstag in Berlin Bündel mit Papiergeld in den Händen. Foto: Axel Schmidt/dapd
Bild: dapd

Ein Staatsminister, der aus dem Kanzleramt in die Automobilindustrie wechselt, Bundestagsabgeordnete, die nebenbei bezahlte Leitungsfunktionen in Berufsverbänden ausüben, politische Parteien, die Spenden nur in so kleiner Stückelung annehmen, dass sie sie nicht unmittelbar offenlegen müssen: Wer Beispiele für Lobbyismus sucht, der wird in Berlin schnell fündig.

Schätzungsweise 5000 bis 6000 Interessensvertreter sollen im Regierungsviertel unterwegs sein. Genaue Zahlen darüber, wer in Deutschland mit welchen Summen und welchen Auftraggebern politische Prozesse und Entscheidungen beeinflusst, gibt es nicht. Dafür wäre eine verbindliche Registrierung nötig, wie sie Antikorruptions-Organisationen wie Transparency International und LobbyControl immer wieder einfordern. "Wir haben in Deutschland eine freiwillige Verbändeliste, die aus den 70er Jahren stammt, die ist hoffnungslos veraltet", kritisiert Ulrich Müller, geschäftsführender Vorstand von LobbyControl.

Negative Bilanz: Präsentation des Lobbyreports 2013Bild: picture-alliance/dpa

Unklare Regeln für Beziehung zwischen Politik und Lobbyisten

Das Fehlen eines Lobbyregisters ist aber nur ein Versäumnis, das der Verein, der sich über private Spenden, Mitgliedsbeiträge und Stiftungsgelder finanziert, der Bundesregierung vorwirft. CDU/CSU und FDP hätten in der vergangenen Legislaturperiode nichts unternommen, um den Lobbyismus in die Schranken zu weisen. "Uns geht es nicht allein um Affären und Einzelfälle, sondern um die Frage, welche Verkehrsregeln es eigentlich zwischen Politik und Lobbyisten gibt", sagt Müller. "Leider ist das Ergebnis unter schwarz-gelb zu häufig: freie Fahrt für Lobbyisten, während die Ampel für Demokratie und Transparenz auf rot steht."

Im Lobbyreport 2013, den die Organisation in Berlin vorstellte, beklagt LobbyControl, dass der am Gemeinwohl orientierte Interessensausgleich immer stärker in Gefahr gerate. Das pluralistische Ideal einer ausgewogenen und gleichberechtigten Interessensvertretung, bei der sich praktisch von selbst das beste Argument durchsetze, sei inzwischen eine Illusion. Demokratie drohe, zu einer leeren Hülle zu werden, in der zwar den formalen Anforderungen an demokratische Entscheidungen entsprochen werde, die Inhalte jedoch abseits davon durch kleine Elitezirkel geprägt würden.

Jahrelanges Nichtstun gegen Lobbyisten

Allerdings sieht auch LobbyControl ein, dass diese Entwicklung nicht allein ein Ergebnis der schwarz-gelben Regierung der vergangenen vier Jahre ist. Auch zu Zeiten der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD sei nichts unternommen worden, um den Einfluss mächtiger Lobbygruppen einzudämmen. Lediglich SPD und Grüne, die von 1998 bis 2005 die Bundesregierung stellten, hätten etwas unternommen, sagt Timo Lange, einer der beiden Autoren des Lobbyreports. "Rot-Grün hat einige Reformen angestoßen und beispielsweise auch die UN-Konvention gegen Abgeordneten-Korruption unterzeichnet."

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04:31

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Allerdings schafften SPD und Grüne es nicht mehr, die Konvention während ihrer Regierungszeit in nationales Recht umzusetzen. Bis heute sind Deutschland und Japan unter den G20-Staaten die Einzigen, bei denen dieser Schritt aussteht. SPD und Grüne seien es auch gewesen, "die viele Problematiken, die wir jetzt mit Lobbyismus immer noch haben, selbst etabliert haben, beispielsweise den Seitenwechsel von Spitzenpolitikern", so Lange. Damit ist der unmittelbare Wechsel aus einem politischen Amt beispielsweise in ein Wirtschaftsunternehmen oder einen Lobbyisten-Verband gemeint. Besonders spektakulär in Erinnerung ist da wohl der Wechsel von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zum russischen Energiekonzern Gazprom.

Interessenskonflikte sind programmiert

LobbyControl fordert Karenzzeiten für politisches Spitzenpersonal, wie es nicht nur in den USA längst üblich ist, sondern auch für Beamte gilt. Diese dürfen nach Ende ihrer aktiven Laufbahn innerhalb von drei beziehungsweise fünf Jahren kein Arbeitsverhältnis aufnehmen, das "ihre dienstlichen Interessen beeinträchtigen" könnte, wie es im Dienstrecht heißt. Im Klartext heißt das: Ohne diese Regelung könnten Beamte verleitet werden, Dienstentscheidungen an späteren Karriereaussichten zu orientieren.

Auf den Spuren der Lobbyisten: Timo Lange bei einer Stadtführung durch das Berliner RegierungsviertelBild: LobbyControl

Christina Deckwirth, Co-Autorin des Lobbyreports, sieht durchaus Parallelen zum Fall Eckart von Klaeden. Der amtierende Staatsminister im Bundeskanzleramt wird Ende 2013 neuer Cheflobbyist der Daimler AG. "Auch wenn er das bestreitet, war und ist von Klaeden als Staatsminister an Entscheidungen beteiligt, die für einen Weltkonzern wie Daimler von Bedeutung sind", sagt Deckwirth. "Hier Interessenskonflikte auszuschließen, ist geradezu absurd." Für einen Konzern wie Daimler seien auch Politikfelder interessant, "über denen nicht Auto steht" - von der Arbeitsmarktpolitik, über Handelspolitik und Steuergesetzgebung bis zum Bürokratieabbau.

Einen wenn auch kleinen Fortschritt stellt LobbyControl in dem Bericht allerdings fest. Er betrifft das Thema Nebeneinkünfte. Nachdem sich jahrelang kaum etwas bewegt habe, habe die öffentliche Debatte um die Nebeneinkünfte des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück für eine Reform gesorgt. Ganz zufrieden ist LobbyControl mit dem Beschluss der Bundesregierung, wonach Nebeneinkünfte in zehn Stufen offengelegt werden müssen, allerdings nicht. Von einer vollständigen Transparenz seien die neuen Regeln noch weit entfernt, heißt es im Lobbyreport 2013.

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