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Keenan: Keine Garantie für Demokratie

Gabriel Dominguez5. Januar 2015

Mit vorgezogenen Neuwahlen wollte sich Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapaksa eine dritte Amtszeit sichern. Aber seit der Ankündigung im November ist die Opposition erstarkt, wie Alan Keenan im DW-Gespräch erläutert.

Sri Lanka - Präsident Mahinda Rajapaksa und Gesundheitsminister Maithripala Sirisena (rechts) (Foto:picture-alliance/AP//E. Jayawardena)
Bild: picture-alliance/AP//E. Jayawardena

DW: Rechnen Sie mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen bei den Präsidentschaftswahlen?

Alan Keenan: Ja, das Ergebnis könnte sehr knapp ausfallen, jedenfalls bei einem ordnungsgemäßen Ablauf der Wahlen. Es gibt offenbar viel populäre Unterstützung für die Kandidatur des bisherigen Gesundheitsministers Maithripala Sirisena (rechts im Artikelbild), der vor wenigen Wochen ins Oppositionslager gewechselt ist. Nach wie vor ist aber Amtsinhaber Rajapaksa (links) bei großen Teilen der singhalesischen Wählergruppe sehr beliebt, und er wird alle staatlichen Ressourcen, die ihm zur Verfügung stehen, ausschöpfen.

Woher kommt der Gegenwind für den bislang unangefochtenen Rajapaksa?

Die Kandidatur von Sirisena, der bis November 2014 Gesundheitsminister in Rajapaksas Kabinett und der Generalsekretär von dessen Freiheitspartei SLFP war, hat die Regierungspartei gespalten. Eine Reihe von führenden SFLP-Mitgliedern sind Sirisenas Schritt gefolgt und haben sich dem Oppositionsbündnis angeschlossen. Hinzu kommt, dass auch die nationalistisch-buddhistische JHU aus der Regierungskoalition ausgeschieden ist. Sie hatte die harte Linie Rajapaksas während des Bürgerkrieges und danach unterstützt.

Was will der "Verräter" Sirisena erreichen?

Sirisena ist der Spitzenkandidat eines Oppositionsbündnisses, dessen Hauptforderung eine Verfassungsreform ist. Sirisena will binnen 100 Tagen nach seiner Amtseinführung das Präsidialsystem abschaffen und wieder unabhängige Kommissionen einsetzen, welche Polizei, Verwaltung und Justiz überwachen und die Einhaltung von Menschenrechten kontrollieren sollen. Auch andere Politiker, darunter Rajapaksa im Wahlkampf im Jahr 2005, hatten bereits versprochen, das Präsidialsystem abzuschaffen, das nach Meinung vieler Kritiker eine zu starke Machtkonzentration in den Händen des Präsidenten bewirkte. Abgeschafft wurde es aber nicht.

Alan Keenan von der International Crisis Group: Internationale Gemeinschaft sollte ihren Standpunkt deutlich machenBild: Privat

Vor welchen Herausforderungen würden Sirisena beziehungsweise Rajapaksa nach einem Wahlsieg stehen?

Für Sirisena könnte es nach einem Wahlsieg schwer werden, die für eine Verfassungsänderung nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament zusammenzubekommen. Sollte er diese Mehrheit auch durch Neuwahlen nicht erreichen, sähe es für die Regierungsreform schlecht aus. Aber selbst wenn Sirisena diese Hürde überwinden kann, blieben die tiefgehenden Differenzen innerhalb des Oppositionsbündnisses auf anderen Gebieten als dem der Reform des Regierungssystems bestehen. Das heißt, dass es bei brennenden Problemen Sri Lankas nicht vorwärts geht: Bei der nationalen Versöhnung nach dem Ende des Bürgerkrieges, bei der Aufarbeitung der Kriegsgreuel auf beiden Seiten und der Teilhabe aller Gruppen an der Macht sowie bei wirtschaftlichen Erleichterungen für Angehörige aller Bevölkerungsgruppen.

Bei einem Wahlsieg des Amtsinhabers Rajapaksa hängt alles davon ab, wie überzeugend sein Sieg ausfällt. Sollte er deutlich gewinnen, ohne Zweifel am ordnungsgemäßen Zustandekommen des Wahlergebnisses, stünde er zuhause und international gestärkt da. Aber selbst dann müsste sich seine Regierung bohrenden Fragen des UN-Menschenrechtsrates stellen. Dieser wird sich im März mit einem Bericht des UN-Menschenrechtskommissars über Kriegsverbrechen des Militärs als auch der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) befassen.

Innenpolitisch würde Rajapaksa bei einem Wahlsieg vor der Herausforderung stehen, echte Versöhnung mit den Tamilen anzustreben, die Rechte von Muslimen und evangelikalen Christen zu stärken, die immer wieder zur Zielscheibe von Angriffen durch militante Buddhisten werden, und auf die Vorwürfe der Korruption und der Machtkonzentration einzugehen, die die Opposition vorbringt. Die Frage ist, ob Rajapaksa diese Herausforderungen annehmen will.

Welche Rolle spielt die Minderheit der Tamilen, die zwölf Prozent der Bevölkerung stellt, bei den Wahlen?

Leider spielen viele Fragen, die den Tamilen auf den Nägeln brennen, weder auf der Agenda von Rajapaksa noch im Wahlprogramm der Oppositionskoalition eine Rolle. Die faktische Militärherrschaft in der Nordprovinz, die Entmachtung der Räte der Nord- und Ostprovinz, die fehlenden Verhandlungen mit den tamilischen Parteien über eine Beteiligung an der Macht und das Ausblenden der Bürgerkriegsgreuel - für alle diese Probleme hat auch die Opposition keine Lösung.

Tamilen nach der Stimmabgabe für ihren Provinzrat im Norden. Kritiker werfen der Regierung in Colombo die Entmachtung der Provinzräte vor.Bild: picture-alliance/AP

Viele Tamilen sind außerdem durch Sirisenas Allianz mit der radikalen buddhistischen Mönchspartei JHU beunruhigt. Die ist strikt gegen jegliche Aufarbeitung von Kriegsverbrechen des srilankischen Militärs und lehnt auch eine begrenzte Dezentralisierung ab, wie sie unter der derzeitigen Verfassung vorgesehen ist.

Dennoch würden die Tamilen von den Reformen profitieren, wie sie jetzt von der Opposition gefordert werden. Sie sind diejenigen, die besonders stark unter dem Fehlen unabhängiger Instanzen zur Eindämmung exekutiver Machtfülle zu leiden haben.

Deshalb wird die wichtigste politische Organisation der Tamilen, die Tamil National Alliance, ihre Unterstützung für Sirisena signalisieren, ohne eine offizielle Wahlempfehlung auszusprechen. Viele glauben, dass die Anliegen der Tamilen erst dann Gehör finden werden, wenn die Rajapaksa-Familie sich von der Macht verabschiedet und es wenigstens teilweise eine demokratische Erneuerung des Systems gegeben hat. Aber eine Garantie gibt es auch dafür nicht.

Wenn das Wahlergebnis von der unterlegenen Partei angefochten wird und es zu Spannungen auf Sri Lanka kommt: Was könnte die internationale Gemeinschaft tun?

Regierungen und internationale Organisationen, die Einfluss auf Rajapaksas Regierung haben, wie China, Indien, Japan und die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), aber auch westliche Regierungen, sollten über öffentliche und private Kanäle auf beide Seiten einwirken, damit sie Gewalt vor und nach den Wahlen vermeiden.

Dazu gehört natürlich, dass unabhängige Wahlbeobachter Zugang in allen Landesteilen erhalten, um den Wahlverlauf zu beobachten. Sehr wichtig ist es auch, dass alle Regierungen, denen die Stabilität in Sri Lanka wichtig ist, eine klare Botschaft an die Regierung Rajapaksa senden, dass er die demokratischen Verfahren respektieren und jeder Versuchung widerstehen muss, sich durch Gewalt oder verfassungswidrige Maßnahmen an der Macht zu halten.

Alan Keenan ist Projektdirektor für Sri Lanka bei der International Crisis Group (ICG) in London.

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