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Kehrtwende

Beatrice Hyder29. Juli 2008

Die neue Regierung unter Kevin Rudd ändert die umstrittene Politik gegenüber Asylsuchenden. Alle Fälle sollen schnell bearbeitet werden.

Porträt von Kevin Rudd, flankiert von zwei Fahnen Australiens; die Hände mit offenen Flächen nach oben (ap)
Neue Offenheit: Premier Rudd löst weiteres Wahlkampfversprechen einBild: picture-alliance/dpa

Sie hat jahrelang für heftige Kritik nicht nur im In-, sondern auch im Ausland gesorgt: die Einwanderungspolitik von Rudds konservativem Vorgänger John Howard. Am Dienstag (29.07.2008) gab Einwanderungsminister Chris Evans bekannt, dass Asylsuchende nur noch in Ausnahmefällen interniert würden. Damit löste der im November vergangenen Jahres gewählte Labour-Regierungschef Kevin Rudd ein weiteres Wahlversprechen ein.

"Dies bedeutet nicht eine Öffnung der Tore, sondern nur eine humanere Art der Behandlung von Asylsuchenden", sagte Evans in einer Rede in der Australischen Nationaluniversität in Canberra. Die Menschen, die nach Australien als Flüchtlinge ohne Visum kämen, würden zwar wie bisher inhaftiert. Jeder Fall werde aber ab sofort einzeln und schnell geprüft. Insgesamt 380 Personen, die einen Visumsantrag gestellt hätten, würden schnellstmöglich überpüft. "Verzweifelte Menschen werden nicht dadurch abgeschreckt, dass ihnen eine harte Internierung angedroht wird. Sie flüchten häufig vor noch schlimmeren Bedingungen", so Evans.

"Verzweifelte Menschen flüchten vor noch schlimmeren Bedingungen"Bild: AP

Harter Bruch mit der Vergangenheit

Die konservative Regierung unter John Howard hatte das anders gesehen. Sie schuf nach und nach mehrere Internierungslager auf Inseln wie Nauru, Manus (zu Papua Neuguinea gehörend) und auf Christmas Island - wie es hieß - zur Abschreckung. 1999 verzeichnete Australien rund 8000 Asylsuchende; die Zahl wurde inzwischen halbiert.

2001 hatte Howard ein unter "Pazifischer Lösung" bekanntes hartes Durchgreifen angeordnet: Flüchtlingsschiffe wurden auf hoher See von der Marine abgefangen, überfüllte, gerade noch seetüchtige Schiffe wurden in indonesische Gewässer zurückbegleitet, Asylsuchende und deren Kinder inhaftiert. Die meisten warteten jahrelang in Lagern auf eine Bearbeitung ihrer Fälle.

Protestaktion von Flüchtlingen in Nauru 2003Bild: AP

Proteste bewegten die Welt

Um die Welt gingen 2003 die Bilder von Protesten Internierter in vier der Lager: Sie legten wie im Lager Woomera Feuer oder verweigerten die Nahrung, indem sie sich die Lippen zunähten. Viele von ihnen gehörten zu den mehr als 430 zumeist afghanischen und irakischen Flüchtlingen, die der norwegische Frachter "Tampa" Ende August 2001 von einem sinkenden Holzboot im Indischen Ozean gerettet hatte. Der Fall führte zu großen diplomatischen Verwicklungen, weil die Howard-Regierung der "Tampa" verweigerte, die Menschen an Land zu bringen.

Erst nach langen Verhandlungen, die Norwegen, Indonesien und das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR einschlossen, wurde ein Deal erreicht: Neuseeland nahm mehr als 130 Menschen auf, der Rest wurde nach Nauru geschickt. Dort warteten die Flüchtlinge jahrelang auf die Bearbeitung ihrer Anträge.

Das nur 21 Quadratkilometer große Land, das bisher nur für Phospatminenbesitzer und Geldwäscher interessant war, hatte einen besonderen Beweggrund: Es hatte 30 Millionen Euro Schulden. Die so genannte Offshore-Regelung der Howard-Regierung, Flüchtlinge auf ausländischen Inseln im Pazifik unterzubringen, kostete den Steuerzahler jährlich umgerechnet 75 Millionen Euro.

Die Flüchtlinge auf der "Tampa" harrten tagelang ohne Wasser und Nahrung ausBild: AP

Die "Pazifische Lösung" kam dennoch bei den Australiern sehr gut an: Der Regierungschef wurde 2001 von 60 Prozent der Bevölkerung unterstützt, der höchsten Zahl, die ein konservativer Regierungschef seit 1976 erreichte. Bei der Wahl im November desselben Jahres wurde er mit großer Mehrheit wiedergewählt. Eine gewichtige Rolle spielten dabei auch die Terroranschläge in den USA im September 2001.

Lange Tradition

Die Politik der Zwangsinhaftierung hatte in Australien eine lange Tradition. Die so genannte "Kultur der Kontrolle" in der Einwanderungspolitik reichte bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Unter der berüchtigten "White Australia"-Politik von 1901 bis in die frühen 1970er Jahre durften Nicht-Europäer nicht ins Land. Kleine Inhaftierungszentren gab es damals schon in Sydney, Melbourne und Perth.

Der ersten Flüchtlingswelle von 1976 bis 1981 folgte ab 1989 eine zweite. An Bord der Schiffe befanden sich überwiegend kambodschanische Flüchtlinge. Der damalige Regierungschef Bob Hawke erklärte rasch, dass es sich bei diesen nicht um politische sondern um Wirtschaftsflüchtlinge handele. Er werde es nicht erlauben, dass sich "kambodschanische Asylbewerber in die Schlange vor reguläre Einwanderer vordrängelten". Die Inhaftierung entwickelte sich schnell zu einem formalisierten System.

Menschenrechtsorganisationen zufrieden

Der im November 2007 gewählte neue Labour-Regierungschef Kevin Rudd hatte im Wahlkampf einen Bruch mit dieser Tradition und eine Änderung der Einwanderer-Politik angekündigt. Anfang des Jahres wurden bereits die kleinen Lager in Nauru und auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Manus geschlossen. Von den rund 1600 Insassen zumeist aus Afghanistan und dem Irak wurden etwa 70 Prozent in Australien oder anderen Ländern aufgenommen; der Rest wurde zurückgeschickt.

Amnesty International-Chefin Irene KhanBild: AP

Zudem wurde die umstrittene Regelung der "temporären Schutzvisa" (Temporary Protection Visa) abgeschafft. Asylsuchende ohne Visum bekamen diese Art Aufenthaltsgenehmigung. Sie durften ihren Aufenthaltsort aber nicht verlassen und hatten nur einen eingeschränkten Zugang zu Flüchtlingshilfeleistungen. Eine Familienzusammenführung war verboten.

Menschenrechtsorganisationen begrüßten die Kehrtwende in der Einwanderungspolitik. Amnesty International sieht einen "willkommenen Schritt vorwärts". Die australische Kommission für Menschenrechte und Gleichberechtigung spricht von einer Reform, die dabei helfen werde, den "beschämenden Ruf" des Landes im Ausland zu reparieren.

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