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Kehrtwendung in Kiew

Ute Schaeffer28. Juli 2004

Die Ukraine hat nach Jahren der Bemühungen um eine Annäherung an den Westen das Ziel einer Aufnahme in die NATO und EU aus ihrer Militärdoktrin gestrichen. Staatschef Leonid Kutschma bevorzugt eine Hinwendung zu Moskau.

Enttäuschung im Westen, Wendung nach Moskau: Leonid KutschmaBild: AP

Rechtzeitig zum routinemäßigen Ukraine-Russland-Gipfel mit seinem Kollegen Wladimir Putin am 26.7. auf der Krim hat der ukrainische Präsident Leonid Kutschma das Ziel der Aufnahme in NATO und EU aus der ukrainischen Militärdoktrin herausgenommen.

Ein Zeichen der Anbiederung in Richtung Moskau. Kutschma braucht nämlich russische Unterstützung, um seine Interessen bei der kommenden Präsidentenwahl durchzusetzen: Es gilt einen Kandidaten durchzubringen, der die Interessen Kutschmas und der mit ihm verbundenen Interessengruppen schützt. Dieser Kandidat wird - danach sieht es im Moment aus - der Regierungschef Viktor Janukowitsch sein.

Ein Nachfolger für Kutschma

Die Äußerung Kutschmas ist ein klarer Schachzug im beginnenden Wahlkampf. Mit pro-russischer Politik lassen sich Wählerstimmen gewinnen. Zudem kann man sich russische Unterstützung für den "Kandidaten der Macht" - Janukowitsch - sichern. Kutschma habe mit seinen Äußerungen vor allem auf Wählerstimmen im Osten der Ukraine gezielt, wo Janukowitsch seine Basis hat, meint denn auch der deutsche Osteuropa-Experte Reiner Lindner von der Universität Konstanz. "Im Moment geht es Kutschma darum, einen Nachfolger zu finden, der seine Position einnehmen kann. Und das muss ein Kandidat sein, der vor allem mit den Stimmen der Ostukraine gewählt wird - gegenüber dem Oppositionskandidaten Viktor Juschtschenko, der sehr stark die Stimmen der westlichen oder der zentralen Ukraine mobilisieren wird", so Lindner.

Kiew ist verärgert

Andererseits jedoch markiert die Erklärung Kutschmas einen Kurswechsel, was die Außenpolitik der Ukraine angeht. Denn lange hatte sie sich um eine Aufnahme in die NATO sowie in die Europäische Union bemüht. Die volle Mitgliedschaft in der EU sei ein strategisches und konstantes außenpolitisches Ziel, hatte Präsident Kutschma noch vor Monaten - erfolglos - erklärt. EU- wie NATO-Vertreter hatten stets betont, dass es zu früh sei, um über eine volle Mitgliedschaft der Ukraine zu reden. Zum großen Ärger Kiews entwickelte die EU vielmehr das Konzept der "neuen Nachbarschaft". Die Enttäuschung in der Ukraine war riesig - und die aktuelle Erklärung ist Ausdruck dieser Enttäuschung.

Auch Alexander Rahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sieht Kutschmas Erklärung vor diesem Hintergrund. "Das kann man auf die Kränkung durch den Westen zurückführen. Kutschma ist anscheinend sehr enttäuscht, dass der Westen nach wie vor der Ukraine die Tür nicht aufmacht."

Die Ukraine ist die Kritik der Westeuropäer leid. Sie sieht den praktischen Nutzen einer engen Anbindung an den Westen nicht mehr. Gleichzeitig ist die politisch herrschende Klasse auf Unterstützung aus Russland angewiesen, will sie die Präsidentenwahl für sich entscheiden. Möglicherweise wolle die Ukraine mit diesem Schritt auch Bewegung in politische Fragen bringen. "Ich glaube, dass dieser Schritt nichts anderes ist als eine Art Drohung oder Versuch, auf den Westen Druck auszuüben, um ihn dazu zu zwingen, seine Politik mit der Ukraine zu überprüfen", so Rahr.

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