Russland Putin Wahlen
28. Januar 2012Knapp fünf Wochen vor der Präsidentenwahl in Russland steht die Liste der Kandidaten fest. Doch keiner von ihnen scheint eine ernste Gefahr für Wladimir Putin darzustellen. Nach vier Jahren als Regierungschef will Putin als Kandidat der Regierungspartei "Einiges Russland" wieder Präsident werden.
Als Herausforderer treten überwiegend altbekannte Politiker an, die in der Vergangenheit schon mehrfach vergeblich für das Präsidentenamt kandidiert haben. Sie sind mit ihren Parteien im Parlament seit Jahren vertreten: Wladimir Schirinowski, Führer der rechtspopulistischen "Liberaldemokratischen Partei". Sergej Mironow von der bislang als Kreml-nah geltenden Partei "Gerechtes Russland". Gennadi Sjuganow, Chef der Kommunistischen Partei. Einziger Neuling unter den Präsidentschaftskandidaten ist der Geschäftsmann Michail Prochorow, dessen Unabhängigkeit Kreml-Beobachter bezweifeln.
Prochorow hofft auf Stimmen der Mittelschicht
Andere Bewerber sind ausgeschieden, weil sie nach Angaben der Zentralen Wahlkommission nicht die erforderliche Unterschriftenzahl zusammenbekommen haben. Zu ihnen gehört der Gründer der reform-orientierten Partei "Jabloko", Grigori Jawlinski. Ein Viertel der von ihm eingereichten Unterschriften habe nicht den Richtlinien entsprochen, hieß es in Moskau.
Nach dem Ausschluss von Jawlinski dürfte der Milliardär Prochorow hoffen, dass die liberalen Wähler nun für ihn stimmen könnten. Schon seit einiger Zeit versucht er, sich als Kandidat unzufriedener Wählergruppen darzustellen. Der drittreichste Mann Russlands tritt auf als Vertreter jener Mittelschicht, die seit Anfang Dezember für freie Wahlen und mehr Demokratie in Russland demonstriert. "Ich habe doch eure Thesen in meinem Wahlprogramm umgesetzt", schreibt Prochorow in seinem Blog.
"Eine politisch motivierte Entscheidung"
Jawlinskis Wahlstab bezeichnete die Entscheidung der Wahlkommission als "politisch motiviert". Viele russische Beobachter teilen diese Einschätzung. "Nachdem Grigori Jawlinski die Zulassung verweigert wurde, gibt es niemanden, für den ich stimmen kann", sagte die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe, Ljudmila Alexejewa, der Deutschen Welle. Der Menschenrechtsaktivistin zufolge hätte die Mehrheit der demokratisch gesinnten Wähler am 4. März für Jawlinski votiert. Dass die Entscheidung der Wahlkommission politisch motiviert sei, daran bestehe kein Zweifel, meint Alexejewa. Genauso sieht es Sascha Tamm von der Moskauer Vertretung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. "Es ist eine rein politische Entscheidung", sagt Tamm.
Beobachter bemängeln vor allem die kurze Zeitspanne, die den Bewerbern für ihre Unterschriftenkampagne im Zulasssungsverfahren zur Verfügung stand. Andrej Busin von der unabhängigen russischen Nichtregierungsorganisation "Golos" (Stimme) weist darauf hin, dass es eigentlich allen Kandidaten unmöglich gewesen sein müsse, auf ehrliche Weise zwei Millionen Unterschriften innerhalb eines Monats zu sammeln, und das auch noch über die Feiertage an Weihnachten und Neujahr. "Wie die zugelassenen Kandidaten genügend Unterschriften zusammenbekommen haben wollen, ist mir ein Rätsel. Wenn, dann müssten bei allen Kandidaten Zweifel angemeldet werden", sagte der Experte der NGO, die sich in Russland mit Wahlbeobachtung befasst.
Bleibt es bei einem Wahlgang?
Mit der Ablehnung der Kandidatur Jawlinskis solle ein Sieg Putins schon im ersten Wahlgang gesichert werden, vermuten Beobachter in Moskau. Sollte es aber doch zu einem zweiten Wahlgang kommen, würden höchstwahrscheinlich Putin und Kommunistenchef Sjuganow in einer Stichwahl gegeneinander antreten. Putins Umfragewerte liegen derzeit zwischen 37 und 45 Prozent. Andere Kandidaten würden ihm wohl kaum Konkurrenz machen können, meint Lew Gudkow, Direktor des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada. Der Abstand zwischen Putin und seinem engsten Verfolger Sjuganow beträgt mehr als 20 Prozent.
Neue Massenproteste erwartet
Viele Russen fragen sich, ob es sich überhaupt lohne an der Abstimmung teilzunehmen. Die Tatsache, dass der Liberale Jawlinski nicht für das höchste Staatsamt kandidieren darf, könnte allerdings den Protesten in Russland neuen Auftrieb geben, meinen Beobachter. Die Massendemonstrationen, die viele Menschen gegen Fälschungen bei der Parlamentswahl im Dezember 2011 auf die Straße geführt haben, sollen Anfang Februar wieder aufgenommen werden. Dann soll wieder für ehrliche Wahlen demonstriert werden.
Autor: Jegor Winogradow / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Bernd Johann