Menschenrechte schützen
20. Juni 2012Deutschland und die anderen EU-Staaten wollen auf dem Gipfel Rio+20 in erster Linie "grünere" Formen des Wirtschaftens vereinbaren. Alle Teilnehmerstaaten sollen sich möglichst verbindlich auf konkrete Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz sowie zur sparsamen Nutzung von Ressourcen verpflichten.
Die Länder des Südens lehnen diese Ziele zwar nicht ab. Doch sie fürchten, dass ihr Recht auf Entwicklung sowie die Überwindung von Hunger und Armut von den reichen Industriestaaten nicht genug beachtet werden. Der Konsens, dass diese Anliegen eng miteinander verknüpft sind und nur im Rahmen einer "nachhaltigen Entwicklung“ erreicht werden können, war das entscheidende Ergebnis der Rio-Konferenz von 1992.
Recht auf Entwicklung
Auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, macht sich Sorgen, ob dieses integrale Konzept einer nachhaltigen Entwicklung auf dem Gipfel Rio+20 überhaupt fortgesetzt wird. In Rio sollten sich alle UNO-Mitgliedsstaaten darauf verpflichten, für die volle Vereinbarkeit zwischen den Anstrengungen für eine grüne Wirtschaft und ihren verbindlichen Verpflichtungen zum Menschenrechtsschutz zu sorgen, forderte Pillay in dieser Woche vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf.
"Die Staaten sollen erkennen, dass alle politischen Vereinbarungen und Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung auf den international vereinbarten Menschenrechten basieren müssen", mahnt die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. "Dazu gehört auch das Recht auf Entwicklung."
Nachhaltigkeitsziele mit Nebenwirkungen
In einem offenen Brief an die Regierungen aller UN-Mitgliedsstaaten hatte Pillay bereits Ende März gewarnt, dass selbst gut gemeinte Nachhaltigkeitsziele ohne expliziten Menschenrechtsschutz das Gegenteil bewirken könnten.
Die UN-Hochkommissarin nannte konkrete Beispiele: Knappe landwirtschaftliche Flächen zum Anbau von Nahrungsmitteln würden dem Anbau von Energiepflanzen geopfert. Für die Errichtung von Staudämmen und anderen großen Infrastrukturprojekten würden Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Frauen seien weiterhin von vielen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen ausgenommen.
All dies – schrieb Navi Pillay an die 193 Regierungen, sei das Gegenteil von nachhaltiger Entwicklung. Mit Blick auf den Rio-Gipfel erinnerte die Hochkommissarin an einen Beschluss auf der UN-Menschenrechtskonferenz von 1994 in Wien. Laut diesem Beschluss sind Menschenrechte eine Querschnittsaufgabe für das gesamte UN-System, die bei allen anderen verfolgten Anliegen zu beachten ist.
Ohne Menschenrechte keine grüne Wirtschaft
Zu einer "grünen" Weltwirtschaft wird es nach Überzeugung Pillays erst kommen, wenn das Streben nach Wirtschaftswachstum mit der Achtung von Menschenrechten und öko-sozialen Anliegen einhergeht. Wer diesen Zusammenhang außer Acht lasse, werde seine ökonomischen Ziele nicht erreichen und riskiere die Zerstörung des Planeten. Unterstützt wird Pillay in ihrer Analyse und Mahnung von 22 UN-Sonderberichterstattern unter der Führung von Olivier de Schutter, dem Berichterstatter zum Menschenrecht auf Ernährung.
Sie wandten sich ebenfalls mit einem Schreiben an alle 193 UN-Regierungen und unterbreiteten darin Vorschläge zur Stärkung der Menschenrechte im Abschlussdokument des Rio-Gipfels. Wie Pillay fordern die 22 Sonderberichterstatter, nicht nur das Recht auf Ernährung und sauberes Trinkwasser in das Dokument aufzunehmen, sondern auch das Recht auf Gesundheit und Bildung sowie andere grundlegende wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte.
"Armut und gravierende Unterschiede im Entwicklungsstand sind weiterhin eine riesige menschenrechtliche Herausforderung, die auch die Ereignisse des Arabischen Frühlings und die weltweite Mobilisierung der Zivilgesellschaft verursacht haben", erklärt Navi Pillay.
Darüber hinaus verlangen sie und die Sonderberichterstatter die Festlegung neuer globaler Nachhaltigkeitsziele. Sie sollen die im Jahr 2000 beschlossenen und bislang auf 2015 begrenzten UN-Millenniumsziele zur Armutsbekämpfung fortschreiben und ergänzen.