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Politik

Kein Freundschaftsvertrag mit Russland ab 2019

Roman Goncharenko
6. Dezember 2018

Der Freundschaftsvertrag zwischen Russland und der Ukraine war in der Vergangenheit auf beiden Seiten heftig umstritten. Nun ist in Kiew der Geduldsfaden gerissen. Der 2019 auslaufende Vertrag wird nicht verlängert.

Symbolbild Ukraine Russland
Protestaktion gegen Krim-Annexion in Moskau, März 2014Bild: Reuters

Seit dem 27. Februar 2014, als mit der Besetzung des Regionalparlamentes in Simferopol durch prorussische Bewaffnete die russische Annexion der Krim zum ersten Mal sichtbar wurde, stellte sich für die Ukraine die Frage, ob sie aus dem wichtigen Vertrag über Freundschaft mit Russland aussteigen soll. Im Artikel 2 dieses 1999 in Kraft getretenen Vertrags verpflichteten sich beide Seiten, ihre territoriale Integrität und die existierenden Grenzen zu respektieren. Mit der Annexion der Krim und dem verdeckten Krieg im ostukrainischen Kohlerevier Donbass hat Russland den Vertrag aus Kiews Sicht grob verletzt. Doch das, was viele in der Ukraine für längst überfällig halten, geschieht erst jetzt: Das Parlament in Kiew stimmte am Donnerstag für den Gesetzentwurf des Präsidenten Petro Poroschenko, den Freundschaftsvertrag nicht wie ursprünglich vorgesehen erneut automatisch um weitere zehn Jahre verlängern zu lassen. Damit wird er am 1. April 2019 auslaufen.

In den Monaten zuvor informierte die Ukraine sowohl Russland als auch die UNO über ihre Absicht, den Freundschaftsvertrag nicht mehr zu verlängern. Dass sich Kiew erst vier Jahre nach der Krim-Annexion dazu entschlossen hat, erklärt die Regierung vor allem mit juristischen Argumenten. Man habe sich in diversen Klagen gegen Russland vor internationalen Gerichten auf den Vertrag bezogen. Außerdem habe man zunächst befürchtet, der Vertragsausstieg würde Russland "entfesseln", heißt es in Kiewer Fachkreisen. Nun hat die Ukraine offenbar solche Sorgen nicht mehr. Man entschied sich jedoch gegen einen formellen Ausstieg, sondern für eine Nichtverlängerung. Aus Kiewer Sicht sei das der völkerrechtlich einfachere Weg.

Ein Stützpfeiler der Beziehungen

Der Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft wird auch "Großer Vertrag" genannt, denn er legte die Grundlage für die Beziehungen ehemaliger sowjetischer Schwesterrepubliken und beendete jahrelange Spannungen zwischen Moskau und Kiew. Überspitzt gesagt, Russland erkannte damit die Ukraine endgültig als unabhängigen Staat an, inklusive der Krim.

Ein Bild aus ruhigeren Tagen: 1997 erlaubte die Ukraine die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim Bild: picture-alliance/dpa

Am 31. Mai 1997 wurde der Vertrag in Kiew von den damaligen Präsidenten Russlands und der Ukraine, Boris Jelzin und Leonid Kutschma, unterzeichnet, er trat aber erst nach der Ratifizierung durch Parlamente im April 1999 in Kraft. Dass ein solcher Vertrag erst sechs Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion zustande kam, lag vor allem am Streit um die Schwarzmeerflotte. Erst drei Tage vor Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages unterzeichneten Russland und die Ukraine einen Vertrag über den Status und die Aufteilung der Schwarzmeerflotte, bei dem Russland den Löwenanteil der Schiffe erhielt. Die Ukraine erlaubte die Stationierung der Flotte auf der Krim bis 2017. Erst damit war der Weg zum Freundschaftsvertrag frei.

Brüchige Freundschaft

Trotz seiner Bedeutung enthält der Freundschaftsvertrag meist nur allgemeine Bekundungen, wie etwa das Bekenntnis zu einer "strategischen Partnerschaft". Kritiker monieren, dass er keinerlei Mechanismen für Konfliktlösungen beinhaltet. In den Folgejahren wurde die russisch-ukrainische Freundschaft immer wieder getestet. Sie bröckelte ernsthaft bereits im Herbst 2003 wegen des Streits um die ukrainische Insel Tusla in der Meerenge von Kertsch, als Russland versuchte, sie durch den Bau eines Dammes mit dem eigenen Festland zu verbinden. Dann kam der Gasstreit 2006, als Moskau Kiew zum ersten Mal den Hahn zudrehte, obwohl der Vertrag wirtschaftlichen Druck ausdrücklich verbietet. Beide Male protestierte Kiew lautstark gegen die russischen Maßnahmen, hielt jedoch weiterhin zum Vertrag.  

Gas wurde oft zum Streitthema zwischen Russland und der UkraineBild: picture-alliance/dpa

Im Sommer 2008 stand der Freundschaftsvertrag von russischer Seite auf der Kippe. Das Unterhaus des russischen Parlaments, die Staatsduma, schlug dem damaligen Präsidenten Dmitrij Medwedew vor, über einen Vertragsausstieg nachzudenken, sollte sich die Ukraine auf eine NATO-Mitgliedschaft vorbereiten. Damals hatte der NATO-Gipfel in Bukarest der Ukraine eine Beitrittsperspektive in fernerer Zukunft in Aussicht gestellt. Doch ein von Kiew angestrebter sogenannter Membership Action Plan (MAP), eine Art Beitrittsvorbereitungsprogramm, wurde abgelehnt. Jurij Luschkow, damaliger Bürgermeister von Moskau, schlug vor, den Vertrag mit Kiew auslaufen zu lassen, um dann die Krim-Zugehörigkeit zur Ukraine infrage zu stellen. Der Kreml entschied sich damals dagegen.

Keine Konsequenzen für Grenzfragen?

Welche Konsequenzen das Ende des Freundschaftsvertrags 2019 haben könnte, ist noch unklar. Die Grenzfrage jedenfalls dürfte aus Kiewer Sicht davon unberührt sein. Denn es gibt einen separaten Vertrag über die Grenze zwischen Russland und der Ukraine aus dem Jahr 2003. Dieses Abkommen bleibt bestehen.

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