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Politik

Kein Konzept gegen den Terror im Sahel

Antonio Cascais
30. November 2019

Die Lage im Sahel ist katastrophal: Islamistische Gruppen kontrollieren große Gebiete. Die Staaten am südlichen Rand der Sahara versuchen, die Lage gemeinsam zu stabilisieren. Doch bei der Koordinierung hapert es.

Mauretanien G5 Sahel Taskforce
Bild: Getty Images/AFP/T. Samson

Ein Brief aus Burkina Faso schreckte Mitte November die Sahel-Region auf: Die Regierung in der Hauptstadt Ouagadougou legte ganz offiziell Beschwerde ein - gegen Soldaten aus dem Nachbarland Mali. Die seien unbefugt in ihr Hoheitsgebiet eingedrungen. Der Stabschef der burkinischen Armee beklagte, dass auch ausländische Flugzeuge - wahrscheinlich französische Mirage-2000-Kampfflugzeuge - wiederholt unerlaubt den Luftraum Burkina Fasos überflogen hätten.

Was genau passiert ist, wissen auch Experten nicht. Klar ist aber: Der Protest aus Ouagadougou richtet sich gegen die Praxis der französischen Eingreiftruppe "Barkhane", die in der Region mit 4500 Soldaten gegen islamistische Terroristen kämpft - bislang aber nicht auf die Vorwürfe aus Ouagadougou reagierte. Und er ist ein klarer Affront gegen die gemeinsame Eingreiftruppe im Sahel, genannt G5, bestehend aus Mali, Niger, Mauretanien, Tschad und Burkina Faso selbst. Sie wurde 2018 mit 5000 Soldaten aus allen fünf Ländern zusammengestellt, um Terrorismus und organisierte Kriminalität im Sahel zu bekämpfen und untersteht einem gemeinsamen Kommando.

Fehlende Abstimmung innerhalb der G5-Eingreiftruppe im Sahel

"Die militärische Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den fünf Staaten ist genau geregelt", sagt der malische Politikwissenschaftler Siaka Coulibaly. So hätten die Soldaten das Recht, Terroristen über Grenzen hinweg zu verfolgen. Bis zu 50 Kilometer könnten sie dabei ins Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedslandes vordringen. Genau das habe die malische Armee getan. Coulibaly erinnert jedoch daran, dass dafür eine Genehmigung des betreffenden Staates erforderlich ist. "Die Armeeführung Burkina Fasos hätte im Vorfeld informiert werden müssen. Diese Regel wurde von Mali missachtet." Es sei nicht nachzuvollziehen, warum das malische Militär Terroristen auf burkinischem Territorium jage, ohne vorher die Behörden Burkina Fasos zu informieren, so der malische Politikwissenschaftler.

Verständnis für die Proteste Ouagadougous äußert auch Moussa Sidibé, politischer Analyst aus Mali: Eingreiftruppen, aus welchem Land auch immer, müssten die Souveränität des Landes, in dem sie Operationen durchführten, respektieren. Die Sicherheitslage sei in der gesamten Region sehr angespannt. In dieser Situation sei es für kein Land hilfreich, im Kampf gegen den Terrorismus allein und ohne Abstimmung zu agieren. "Es muss zwischen den G5-Ländern zur Routine werden, sich gegenseitig zu informieren und Überflugerlaubnisse einzuholen", so Sidibé im Interview mit der DW.

Starker Anstieg der Gewalt

"G5 ist eine relative junge Organisation. Und deswegen gibt es Abstimmungs- und Koordinierungsprobleme", so die Bewertung von Thomas Schiller von der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako. Die Zusammenarbeit auf der Ebene der G5-Sahel-Staaten sollte nicht nur in Punkto Sicherheit und Militär ausgebaut werden. Wichtig seien vor allem Verwaltung, Bildung und Gesundheitswesen, sagt Schiller. Wenn die staatliche Verwaltung zusammenbreche, schaffe das zusätzliche Räume für alle Arten von bewaffneten Gruppen.

Tatsächlich hat sich die Sicherheitskrise in dem riesigen, wüstenähnlichen Gebiet südlich der Sahara in den letzten Monaten gefährlich zugespitzt. Islamistische Terrorgruppen weiten in der gesamten Region ihren Aktionsradius aus. "Eines der Hauptkrisengebiete ist nicht mehr nur der Norden Malis, sondern auch das Zentrum Malis, das Grenzgebiet zwischen Burkina Faso, Mali und Niger. Und dann haben wir noch die Problematik rings um den Tschadsee", sagt Schiller. In den angrenzenden Staaten Niger, Tschad, Nigeria und Kamerun ist die Terrororganisation Boko Haram sehr aktiv. Mehr als 2,5 Millionen Menschen sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration in der Tschadsee-Region auf der Flucht.

Viele Menschen rund um den Tschadsee sind auf humanitäre HIlfe angewiesen (Archivbild)Bild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Im Sahel sind verschiedene bewaffnete Gruppen auf dem Vormarsch, einige haben dem Islamischen Staat oder Al-Kaida die Treue geschworen. Vor allem in Mali und den angrenzenden Ländern Burkina Faso und Niger kommt es immer wieder zu Angriffen und Anschlägen. Anfang November wurden in Mali an der Grenze zu Niger 54 Menschen getötet, kurz darauf starben in Burkina Faso 38 bei einem Angriff auf einen Buskonvoi. 

Die Auswirkungen auf die in den Konfliktgebieten lebenden 20 Millionen Menschen sind dramatisch. Allein in Burkina Faso sind nach Angaben des Welternährungsprogrammes der Vereinten Nationen fast eine halbe Million Menschen aus ihren Häusern geflohen.

Internationale Gemeinschaft bietet Hilfe an

Für die internationale Gemeinschaft, allen voran für Frankreich und für Deutschland, habe die Stabilisierung der Sahelzone absolute Priorität, betont Schiller. Denn die Sicherheit in der Sahelzone sei Teil der Sicherheit in Europa. Daher müssten alle Bemühungen zur Stabilisierung in der Region - durch UN, EU und die G5-Sahel-Eingreiftruppe -  besser aufeinander abgestimmt und die Kooperation dauerhaft verbessert werden.

In Mali beteiligen sich rund 1100 Bundeswehrsoldaten an einem UN-Stabilisierungseinsatz und der Ausbildung von Soldaten. MINUSMA, die UN-Stabilisierungsmission in Mali, hat eine Einsatzstärke von circa 15.000 Soldaten und Polizisten. Außerdem sind etwa 150 Bundeswehrsoldaten an der Europäischen Trainingsmission in Mali beteiligt.

Mitarbeit: Eric Topona

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