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Politik

Kein großer Eklat in Leipzig

22. November 2019

Ein eher zahmer Schlagabtausch: Beim CDU-Bundesparteitag wendet sich Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer gegen "Nörgler". Mal redet sie wie eine Kanzlerin, mal wie eine Oppositionelle. Von Christoph Strack, Leipzig.

CDU-Bundesparteitag in Leipzig 2019
Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Meyer

Nein, über Personalentscheidungen will Annegret Kramp-Karrenbauer nicht reden. Die Wähler wollten wissen, was die CDU für das Land wolle, nicht welche Person "was wann oder wo werden will". Da hat sie beim CDU-Bundesparteitag in Leipzig erst knapp zwei Minuten gesprochen. Und schon ihre Kritiker in die Schranken gewiesen.

Dann beginnt die CDU-Vorsitzende eine lange Tour durch viel Innen- und ein wenig Außenpolitik, mal klingt sie schon wie eine Regierungschefin ("das sage ich schon für eine nächste Regierung", erläutert sie beim Plädoyer für ein Digitalministerium), nicht selten wie eine Oppositionsführerin. Und immer spricht sie wie eine selbstbewusste Parteichefin.

"Heute beenden"

Es dauert ganze achtzig Minuten, bis AKK, wie sie vielfach nur genannt wird, wieder beim parteiinternen Streit landet und auf die folgende Debatte vorausschaut. "Jeder soll sich einbringen. Und wenn er eine andere Meinung vertritt, dann ist das lebendige Politik." Dann spekuliert sie über das Ausmaß der Kritik. "Wenn ihr der Meinung seid, dass dieses Deutschland, so wie ich es möchte, nicht das Deutschland ist, das ihr euch vorstellt, wenn ihr der Meinung seid, dass dieser Weg, den ich gemeinsam mit euch gehen möchte, nicht der Weg ist, den ihr für den richtigen haltet -  dann lasst es uns heute aussprechen. Und dann lasst es uns heute auch beenden. Hier. Jetzt. Und heute." Rücktritt? Eine Drohung? Man konnte hören, wie der Saal innehielt.    

Macht und Mahnungen

Fünf Stunden früher hatten viele Delegierte in der Nikolaikirche beim ökumenischen Gottesdienst gesessen, den die CDU traditionell vor ihren Parteitagen feiert. Friedrich Merz kam recht früh und allein, Annegret Kramp-Karrenbauer erschien mit Angela Merkel und einigen Begleitern kurz vor Beginn der Feier. Die beiden Prediger, der evangelische Oberlandeskirchenrat Thilo Daniel und der katholische Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers, sprachen von Macht und Machtkampf, vom Ringen um Platz eins und dem Denken an den eigenen Vorteil. Offiziell sollte es eine Auslegung einiger Verse des Matthäusevangeliums sein. Es klang wie ein besorgter Kommentar zur Stimmung im Lager der Christdemokraten.

Gottesdienst vor dem Parteitag - Generalsekretär Ziemiak (li.) mit Kanzlerin und der CDU-BundesvorsitzendenBild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

Denn die CDU ist verunsichert. Ernüchternde Wahlergebnisse, Streit um den Umgang mit AfD und Linkspartei, Verzagtheit zwischen Fragen des Klimaschutzes und der Digitalisierung im Autoland Deutschland. Seit Wochen spekulieren viele Medien über Putsch, Spaltung oder offenen Streit. Und auch die Parteivorsitzende geht darauf ein. Sie hat kaum zwei Minuten gesprochen, da ist sie beim Gemunkel über "Revolution" und "Aufruhr". Dann hebt sie ab zur engagierten langen Rede, die auffallend ausführlich gesellschaftliche Fragen wie Familien- und Sozialpolitik, wie Ehrenamt und Zusammenhalt nennt. Sie will führen. Die Partei in ihrer Verunsicherung ist die Partei Kramp-Karrenbauers.

Die Alt-Vorsitzende 

Das zeigt sich schon, als AKK Merkel begrüßt, ihre Vorgängerin im Parteivorsitz. Applaus setzt ein, nach wenigen Sekunden steht die Kanzlerin auf, allmählich erheben sich auch die 1000 Delegierten. Stehend klatschen sie. Knapp hundert Sekunden. Da hatte Merkel noch kein einziges Wort gesagt. Später redet sie - eher kurze - zwölf Minuten. Sie beginnt mit der "Demut", die sie immer empfinde, und tourt dann eher durch die Europa- und Außenpolitik. Ein wenig fühlte man sich an den späten Kanzler Helmut Kohl erinnert. Der Beifall für Merkels Rede klingt nach gut 30 Sekunden aus.   

Es ist Kramp-Karrenbauer, die im Kampf um den Parteivorsitz vor gut einem Jahr in Hamburg noch mit knapper Mehrheit gegen Friedrich Merz siegte. Kramp-Karrenbauer, die, wie sie selbst sagt, "ein schweres Jahr" in diesem Amt hatte. Wahlniederlagen in den Ländern, ihre persönlichen Umfragewerte sind desaströs. Sie sind vor allem deutlich schlechter als die von Friedrich Merz. Und manchmal wirkt es wie die Wut der Männer, die 2018 nicht AKK an der Spitze wollten. 

"Das waren gute Jahre"

Dass Merkel nicht mehr zur Zukunft der CDU gehört, verdeutlicht später mit etwas Eleganz Jens Spahn, unter Merkel Gesundheitsminister. Er dankt seiner Chefin für ihre Kanzlerschaft, die exakt an diesem 22. November vor vierzehn Jahren begann. "Das sind, das waren gute Jahre", sagt er. Und fügt hinzu: "Die Zeit für den Aufbruch ist da." Für die kommenden zehn Jahre brauche es Zusammenhalt, Mut und Aufbruch.

Friedrich Merz vermied offenbar große ProvokationenBild: picture-alliance/S. Simon

Bald nach Spahn sprechen Carsten Linnemann, Vorsitzender der wichtigen Mittelstands- und Wirtschaftsunion, und Friedrich Merz. Kritiker der Chefin. Bei beiden wird die Richtung klar. Gratulation und Respekt für die Rede der Vorsitzenden. "Liebe Angela", sagt Merz und spricht von Loyalität. Aber dann kommen kräftige und konkrete Mahnungen nach einer anderen Politik. In der Außen- und Sicherheitspolitik, in der Wirtschaftspolitik. Aber Merz ist eben Merz. So sagt er irgendwann direkt: "Nicht dieser Parteitag hier wird die endgültige Entscheidung treffen, sondern der in einem Jahr, nach einem weiteren Prozess des Nachdenkens."

Nein, die CDU putscht an diesem Freitag nicht. Die Christdemokraten sagen dann "Arbeitsparteitag", wenn sie noch viel Arbeit vor sich haben.

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