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Politik

Kein gutes Jahr für Afrikas Demokratie

Daniel Pelz
26. Dezember 2021

Militärputsche, Corona und umstrittene Wahlen: Afrikas Demokratie stand 2021 unter enormen Druck. Nächstes Jahr stehen weitere wichtige Stimmungstests an. Und doch gibt es auch positive Zeichen.

Militäreinheiten mit Waffen auf einem Fahrzeug
Im September putschte das Militär in GuineaBild: Cellou Binani/AFP/Getty Images

Tschad, Mali, Guinea, Sudan: Vier Putsche in einem Jahr gab es in Afrika lange nicht mehr. Und die Militärs klammern sich in allen Ländern weiter an die Macht. Erinnerungen an finstere Zeiten werden wach: In den 1970er und 80er Jahren putschen Soldaten regelmäßig gegen zivile Regierungen - und der Rest des Kontinents schaute weg.

Doch das hat sich geändert: "Die gute Nachricht im Blick auf die Putsche heute ist, dass die Menschen nicht mehr bereit sind, sie einfach hinzunehmen oder sich zu Komplizen der Putschisten machen zu lassen", sagt Christopher Fomunyoh, Regionaldirektor für West- und Zentralafrika am National Democratic Institute in den USA der DW.

Seit dem Putsch im Sudan zieht es die Bevölkerung aus Protest immer wieder auf die StraßenBild: Marwan Ali/AP/picture alliance

Vor allem im Sudan boten Zehntausende den Putschisten immer wieder die Stirn. Selbst Schüsse der Militärs schreckten sie nicht ab. Am Ende mussten diese Premier Abdullah Hamdok widerwillig wieder ins Amt einsetzen.

Die AU greift durch

Auch afrikanischen Organisationen handeln härter als früher. "Ein Lichtblick für mich war die relativ konsequente Reaktion der Regionalorganisation, vor allem der Afrikanischen Union. Der Sudan zum Beispiel wurde nach dem Putsch suspendiert", sagt Julia Grauvogel vom GIGA-Institut für Afrika-Studien der DW.

So deutlich war die Afrikanische Union 2021 aber nicht immer. Zum Beispiel blieb sie stumm, als sich Ugandas Langzeitherrscher Yoweri Museveni im Januar zu einer sechsten Amtszeit wählen ließ. Offiziell gewann er die Wahlen mit rund 58 Prozent. "Es war der größte Wahlbetrug in der Geschichte Ugandas", wetterte dagegen sein Herausforderer Bobi Wine im DW-Interview. Vor und während der Wahlen waren viele seiner Unterstützer verhaftet worden oder verschwanden unter ungeklärten Umständen. Wine selbst stand nach der Wahl unter Hausarrest.

Mehrere Male wurde der ugandische Präsidentschaftskandidate Bobi Wine festgenommenBild: Abubaker Lubowa/REUTERS

Autokraten wie Museveni konnten ihre Macht 2021 sogar noch einfacher ausbauen. "Die Einschränkunge,n die mit den Maßnahmen gegen COVID-19 einhergingen, machten es für Menschen schwerer sich zu treffen. Pro-Demokratie-Aktivisten konnten nicht so mobilisieren wie in der Vergangenheit oder sich mit Parlamenten, Parteien oder der Zivilgesellschaft vernetzen", sagt Experte Fomunyoh. Und Autokraten nutzen die Regelungen gegen Gegner. So ging Ugandas Polizei nach Berichten besonders hart gegen Oppositionsanhänger vor. Begründung: Sie hätten sich nicht an die Corona-Regeln gehalten.

Die Bevölkerung geht auf die Straße

Viele Menschen in Afrika lehnen autoritäre Staatschefs ab. "Es ist nach wie vor so, dass die Bevölkerung auf dem Kontinent Demokratie jeder anderen Regierungsform vorzieht. Das heißt, es gibt einen sehr starken Wunsch nach Demokratie", sagt GIGA-Expertin Grauvogel.

Das zeigen die Massenproteste in vielen afrikanischen Ländern - nicht nur im Sudan. Im Senegal gingen vor allem junge Menschen unter dem Hashtag #FreeSenegal gegen den immer autoritärer regierenden Staatschef Macky Sall auf die Straße. Auch in Eswatini brachen gewalttätige Demonstrationen gegen den autoritär regierenden König Mswati III. aus. Armee und Polizei schlugen sie blutig nieder. 

Ugandas Polit-Star Bobi Wine, selbst erst 39, hofft, dass solche Beispiele Schule machen: "In Uganda und vielen Teilen Afrikas beschränken sich die Mächtigen, die Regierung, auf Selbstverherrlichung und Selbstbereicherung. Das wird nur aufhören, wenn die jungen Menschen dagegen aufstehen und ihre Rechte nicht nur verbal geltend machen", sagte er der DW.

Einige Lichtblicke

In anderen Ländern funktionierten aber auch die demokratischen Institutionen: In Sambia führten die Wahlen im August zu einem friedlichen Machtwechsel. In Südafrika schickte ein Gericht Ex-Präsident Jacob Zuma ins Gefängnis. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Zuma bald wieder freikam - aus "gesundheitlichen Gründen". Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. Im Dezember entschied ein Gericht, dass die Freilassung nicht rechtmäßig war. Doch dagegen wehrt sich der Ex-Präsident.

Bei der Präsidentschaftswahl in Sambia setzte sich im August der Oppositionskandidat durchBild: Patrick Mainhardt/AFP/Getty Images

2022 wird weitere Stimmungstests für Afrikas Demokratie mit sich bringen: In Angola bewirbt sich Präsident João Manuel Lourenço um eine zweite Amtszeit. 2017 hatte er Langzeitpräsident José Eduardo dos Santos nach fast 40 Jahren abgelöst. Lourenço, wie sein Vorgänger Mitglied der Regierungspartei MPLA, hat einen vorsichtigen Reformkurs eingeleitet. Viele Beobachter sind gespannt, wie frei und fair die Wahlen ablaufen werden - es ist ein Indiz, wie ernst seine Reformversprechen zu nehmen sind.

Auch in Kenia geht es um viel. Präsident Kenyatta wird nach zwei Amtszeiten abtreten. Die letzten Wahlen 2017 waren von massiven Betrugsvorwürfen überschattet worden. Schließlich forderte das Verfassungsgericht eine Wiederholung. Mehr als 90 Menschen starben nach Angaben der staatlichen Menschenrechtskommission bei Unruhen.

Doch trotz aller Herausforderungen ist Experte Fomunyoh optimistisch: "Ich glaube, dass die gemeinsamen Bemühungen der vibranten afrikanischen Zivilgesellschaft, der vielen jungen Menschen, die besser regiert werden wollen und der Bemühungen westlicher Partner helfen wird, die Demokratie in Afrika 2022 zu konsolidieren."