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Kein Grund zum Feiern

Sabine Damaschke14. September 2012

Mehr Mobilität, vergleichbare Abschlüsse und ein leichterer Zugang zu höherer Bildung in ganz Europa – all das sollte die Bologna-Reform bringen. Vor zehn Jahren wurde sie in Deutschland eingeführt. Die Bilanz ist mäßig.

Daumen runter (Julian Schnippering)
Bild: Fotolia

In diesen Tagen ist sein Platz im Café der Bonner Universitätsbibliothek frei. Es sind Semesterferien und da gönnt sich Wirtschaftsstudent Alexander Schreck mal eine Pause. Ansonsten aber sitzt er hier fast jeden Tag - nicht um Kaffee zu trinken und mit Kommilitonen zu plaudern, sondern um zu lernen. "Mit diesem regelmäßigen Geräuschpegel um mich herum kann ich am besten arbeiten", sagt er.

Mindestens acht Stunden am Tag verbringt der Wirtschaftsstudent, der im zweiten Semester seines Masters ist, mit seinem Studium. Entweder er sitzt über seinen Büchern oder in Vorlesungen und Seminaren. In den Semesterferien sind Ferienjobs oder Praktika angesagt. Ein typisches Studentenleben zehn Jahre nach Einführung der Bologna-Reform am 15. August 2002 in Deutschland. Zeit für Freunde, Sport oder andere Hobbies lässt das strikt durchorganisierte Bachelor- und Masterstudium kaum noch.

Der Traum vom mobilen Studenten

Vor allem aber wird ein Studienaufenthalt im Ausland zu einer hohen Hürde - und genau das sollte mit der Reform gerade nicht passieren. "Wenn jemand im Ausland ein Seminar gemacht hat und möchte das innerhalb seines Studiengangs anerkannt bekommen, gibt es da noch zu viele Unsicherheiten", kritisiert die Chefin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und langjährige Präsidentin der Deutschen Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel.

Nur jeder fünfte Uni-Bachelor geht heute für ein Semester ins Ausland - die Bolognareform sollte mehr möglich machen. Wintermantel selbst wünscht sich gar eine Quote von 50 Prozent. Doch das wird wohl ein Traum bleiben. Zwar haben mittlerweile 47 Staaten das Bologna-Abkommen unterzeichnet, aber ein "Europa der Universitäten" ist deshalb noch nicht entstanden. Obwohl nun überall auf Bachelor und Master studiert werden kann, unterscheiden sich die Studien- und Leistungsbedingungen je nach Hochschule stark.

Ein Semester im Ausland, wie hier in Paris: unter deutschen Studierenden seltenBild: Julia Glade

Immer mehr Studienabbrecher

Hinsichtlich der internationalen Mobilität zieht auch Wintermantels Nachfolger im Amt, Horst Hippler, keine positive Bilanz. Das neue System mache es den Studenten nicht leichter, ins Ausland zu gehen, bemängelte er in aller Öffentlichkeit. Damit rückt Hippler von Bildungsministerin Annette Schavan ab, die das Bologna-Abkommen als ein "Beispiel für eine europäische Erfolgsgeschichte" lobte. Die Reform habe die Mobilität befördert und führe langfristig dazu, dass die Studienabbrecherquote sinke, so Schavan.

Das allerdings bezweifeln Bildungsforscher. Eine aktuelle Studie des Hochschulinformations-Systems (HIS) belegt, dass 35 Prozent der Bachelorstudenten ihr Studium nicht beenden, drei Prozent mehr seit der letzten Erhebung 2010. In den verbliebenen Diplomstudiengängen an den Universitäten sind es dagegen nur 24 Prozent. Eine Entwicklung, die das Deutsche Studentenwerk mit Sorge betrachtet. Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde sieht die Gründe für die hohe Abbrecherquote in einer Überlastung der Studenten.

35 Prozent beenden ihr Studium nichtBild: Fotolia/Gina Sanders

Burnout durch Bologna

"Die Nachfrage der Studierenden nach Beratung ist im Zuge der Bologna-Reformen kräftig gestiegen", erklärt der Generalsekretär – und fordert mehr finanzielle Mittel für die soziale Betreuung der Studenten. Einer internen Studie zufolge stellen 83 Prozent der Mitarbeiter in den psychologischen Beratungsstellen der Deutschen Studentenwerke eine zunehmende Überlastung und psychische Erschöpfung der Studierenden fest.

"Die Studenten berichten über Konzentrations- und Schlafstörungen sowie Magenprobleme", sagt Doreen Liebold, Autorin der Studie. "Viele fühlen sich demotiviert und haben den Spaß am Studium verloren." Wenn es keine Reform der Reform gebe, so Liebold, sei damit zu rechnen, dass künftig noch mehr Studenten in Deutschland unter den typischen Symptomen eines Burnout litten.

Erschöpfungszustände nehmen zuBild: Fotolia/Janina Dierks

Reform der Reform nötig

Die Kritik an den Studienbedingungen ist auch bei Bildungsministerin Annette Schavan angekommen. Sie will in den kommenden Jahren zwei Milliarden Euro investieren, um die Lehrpläne zu reformieren und die Lehre an den deutschen Hochschulen zu verbessern. Schließlich drängen immer mehr junge Menschen an die Universitäten. Studierten vor zehn Jahren nur 37 Prozent eines Jahrganges, so sind es heute rund 50 Prozent.

Das aber stellt die Hochschulen vor weitere Probleme, die die Mobilität der Studenten nicht gerade fördert. Einen Wohnheimplatz zu bekommen, gleicht einem Lottogewinn. Lange Schlangen vor der Essenstheke der Mensa bringen den straffen Zeitplan der Studenten während des Semesters schnell durcheinander. Wer sich unter diesen Bedingungen an seiner Uni ein Plätzchen erobert hat, wird es so schnell nicht aufgeben.

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