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Kein Interesse an der Wahrheit

Udo Bauer 17. Juni 2004

Nach der ersten Empörung über den Gefängnisskandal von Abu Ghraib glätten sich in den USA langsam die Wogen. Amerika würde die Foltergeschichte am liebsten vergessen.


Kaum ein halbwegs informierter Amerikaner glaubt die offizielle Darstellung der Bushregierung - nämlich, dass ein kleiner Haufen von Brutalos in dem irakischen Gefängnis ohne Mitwissen der verantwortlichen Offiziere Häftlinge gefoltert und missbraucht hat. Es ist ja viel über den Skandal geschrieben worden in der Presse, die widersprüchliche Aussagen von US-Generälen und des Verteidigungsministers sind mittlerweile Allgemeingut. So ist es bekannt, dass Donald Rumsfeld im Dezember 2002 gewisse Foltermethoden für das Gefängnis in Guantanamo Bay gebilligt hat - die gleichen übrigens, die der US-General Ricardo Sanchez ein gutes Jahr später zur Anwendung in Abu Ghraib freigab.

Jede Menge Hinweise

Leser der "Washington Post" wissen, dass das Justizministerium im August 2002 in einem Memo argumentiert hat, dass gegenüber Terrorverdächtigen "Folter unter Umständen gerechtfertigt ist." Das strikte internationale Folterverbot wurde darin übrigens als "möglicherweise nicht verfassungsgemäß" bezeichnet. Und im "Wall Street Journal" war das so genannte Rumsfeld-Memo vom März 2003 dokumentiert, in dem eine Arbeitsgruppe des Pentagon dem US-Präsidenten die Macht zuspricht, internationales Recht zu umgehen, Folter anzuordnen und den Folterern Immunität zu garantieren.

Kein Gesamtbild

All das ist bekannt, zusätzlich zu den Fotos und Videos, die eindeutig erkennen lassen, dass sich da Gefreite und Unteroffiziere offenbar ganz sicher waren, dass sie nichts Unrechtes tun und von daher keine Strafe zu fürchten hatten. Das Einzige, was fehlt, um diese einzelnen Punkte der Gewissheit zu einem Gesamtbild der Wahrheit zu verknüpfen, ist entweder, dass die Bushregierung alles zugibt oder dass eine amtliche Kommission alles haarklein dokumentiert. Ersteres ist ausgeschlossen, weil diese Regierung notorisch unfähig ist, auch nur einen einzigen Fehler zuzugeben, und noch dazu hat sie das Thema Folterpolitik zum Staatsgeheimnis erklärt.

Lila Pause im Kongress

Und was die Kommission angeht: Erstmal geht der Kongress bald für sechs Wochen in die Sommerpause, und danach schaun mer mal … Die dominierenden Republikaner haben schon mehrfach durchblicken lassen, dass sie das Thema erst nach der Präsidentschaftswahl im November - oder vielleicht doch erst nach der Weihnachtspause - so richtig untersuchen wollen. Für's erste hat es der Senat bei einer lauwarmen Aufforderung an die Regierung bewenden lassen, doch bitte schnell Richtlinien für Verhöre von Gefangenen zu erlassen. Viel populärer sind im Volk die Rufe mancher Konservativer nach einem Abriss des Gefängnisses Abu Ghraib und nach einem Ende der Nachforschungen in der Presse. Aus den Augen, aus dem Sinn - Amerika will den gesamten Skandal am liebsten für immer aus der kollektiven Erinnerung löschen.

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