Die politische und wirtschaftliche Krise im Libanon zieht weitere Kreise. Treibstoff ist inzwischen so knapp, dass sogar die Versorgung mit Mehl bedroht ist. Auch andere Bereiche sind am Limit.
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Als weitere Auswirkung des anhaltenden Treibstoffmangels geht Libanons Bäckern das Mehl aus. "Die Mehlvorräte in Bäckereien werden ab heute erschöpft sein", sagte der Präsident der libanesischen Bäckergewerkschaft, Ali Ibrahim, der Tageszeitung "L'Orient - Le Jour". Demnach mussten an diesem Mittwoch bereits mehrere Bäckereien schließen. Die Vereinigung libanesischer Müller hatte am Dienstag angekündigt, die Mühlen wegen fehlenden Treibstoffs schrittweise stillzulegen.
Übergangswirtschaftsminister Raoul Nehme habe die Bäckereien informiert, dass aufgrund des Treibstoffmangels kein Mehl geliefert werde. Ibrahim forderte laut Medienberichten zudem eine Anpassung des Brotpreises wegen der höheren Kosten für Sprit.
Brot ist im Libanon in letzter Zeit schon mehrfach teurer geworden - laut Wirtschaftsministerium weil Subventionen für bestimmte Zutaten gestrichen wurden, aber auch weil die Transportkosten gestiegen waren.
UN stellt Hilfsgelder für Libanon bereit
Auch andere Bereiche des Landes leiden unter Treibstoffmangel. Dadurch sind sogar die medizinische Versorgung und die Lieferung von Trinkwasser bedroht. Die Vereinten Nationen haben deshalb angekündigt, zehn Millionen Dollar (rund 8,17 Millionen Euro) für den Libanon bereitzustellen. Mit dem Geld soll die Treibstoffversorgung von Krankenhäusern und Wasserstationen unterstützt werden, so UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths.
Libanon - Leben ohne Strom und Benzin
Der Libanon leidet unter der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte, die zu einem dramatischen Versorgungsmangel geführt hat. Strom und Benzin sind Mangelware. Das hat Auswirkungen auf viele Bereiche des Lebens.
Bild: Hussein Malla/AP Photo/picture alliance
Keine Devisen
Der Libanon steckt in einer Wirtschaftskrise, wie sie das Land noch nicht erlebt hat. Das libanesische Pfund hat seit Ende 2019 ungefähr 90 Prozent seines Wertes verloren. Devisen sind mittlerweile ein kostbares Gut. Für die Bevölkerung, die nicht an harte Währung kommt, bedeutet das einen dramatischen Verlust an Kaufkraft.
Bild: Ahmed Said/AA/picture alliance
Alle suchen nach Gas und Benzin
Die Treibstoff-Knappheit ist ein Symptom der Wirtschaftskrise. Früher war Benzin im Libanon günstig und wurde großzügig vom Staat subventioniert. Aber diese Zeiten sind praktisch vorbei. Der Libanon muss Kraftstoffe importieren. Doch dem Land fehlen dafür die Devisen, alle Reserven sind so gut wie aufgebraucht. Und ohne Kraftstoff können die Kraftwerke nicht betrieben werden.
Bild: Ahmed Said/AA/picture alliance
Keine Klimaanlage
Daher - und auch wegen der grassierenden Vettern- und Misswirtschaft - ist Strom Mangelware. Menschen können bei den hohen Temperaturen kaum schlafen, denn ohne Strom kann auch die Klimaanlage nicht betrieben werden. Besonders ältere Menschen leiden darunter. Auch Aufzüge können nicht immer in Betrieb genommen werden, selbst wenn man zusätzlich für viel Geld Strom über private Firmen bezieht.
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Lange Schlangen vor Tankstellen
"Manchmal übernachten die Menschen in ihren Autos an den Tankstellen, um am nächsten Morgen Benzin zu ergattern", erzählt eine Libanesin aus Beirut. Viele Tankstellen öffnen nur ein ein paar Stunden am Tag. Die Verzweiflung ist mancherorts so groß, dass die Armee bereits eingreifen musste, weil es nicht nur Schlägereien, sondern auch schon Schusswechsel wegen des Treibstoffmangels gab.
Bild: Abd Rabbo Ammar/ABACA
Brotmangel wohin man blickt
Wer kein Benzin hat, kann oft nicht zur Arbeit fahren, da der Libanon, bis auf ein paar Busse, keinen öffentlichen Nahverkehr hat. Und wer sein Auto nicht tanken kann, kann kein Brot an Geschäfte oder Restaurants liefern. Mal abgesehen davon, dass man Strom auch zum Backen der Ware braucht. Dazu kommt: Auch die Preise für das subventionierte Brot wurden in den vergangenen Monaten angehoben.
Bild: Houssam Shbaro/AA/picture alliance
Lebensmittel verkommen
Die Liste der Zumutungen, mit denen die Libanesen im Alltag konfrontiert sind, wird immer länger. Teilweise müssen Lebensmittelhändler ihre Tiefkühlwaren wegwerfen, weil sie sonst verkommen. Die Menschen kaufen wegen des Strommangels überwiegend Lebensmittel ein, die keine Kühlung benötigen. Im Netz tauschen mittlerweile viele Libanesen Rezepte aus, die ohne gekühlte Lebensmittel auskommen.
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Bildungsnotstand droht
Die Kraftstoff- und Wirtschaftskrise hat auch Auswirkungen auf den Bildungssektor. Zum einen können Eltern teilweise die hohen Schulgebühren für private Schulen kaum noch zahlen; auch die Gehälter von Lehrern bleiben aus, gleiches gilt für den Hochschulsektor. Zum anderen kann während der Corona-Pandemie auch der Online-Unterricht ohne regelmäßigen Strom nicht gewährleistet werden.
Bild: Ahmed Said/AA/picture alliance
Krankenhäuser am Rande der Kapazität
Auch die Krankenhäuser im Libanon klagten zuletzt über massive Engpässe beim Treibstoff für ihre Generatoren. Denn ohne Generatoren müssen zum Beispiel auch Beatmungsgeräte abgeschaltet werden. Das medizinische Personal ist erschöpft: Mit einem neuen Anstieg der Corona-Infektionen stehen die Krankenhäuser im Libanon wieder am Rande ihrer Kapazitäten. Viele Ärzte sind längst ausgewandert.
Bild: Hussam Shbaro/AA/picture alliance
Medikamente sind knapp
Teilweise werden Patienten gebeten, ihre eigenen Medikamente mitzubringen. Denn auch Medikamente sind im Importland Libanon Mangelware. Apotheker geben schon lange keine ganzen Packungen mehr heraus, sondern rationieren. Vor wenigen Tagen tauchte ein Video im Netz auf, in dem ein Lager voll mit Medikamenten zu sehen ist. Der Händler wollte die Ware offenbar zu erhöhten Preisen verkaufen.
Bild: Bilal Jawich/Xinhua/picture alliance
Landwirtschaft in Gefahr
Der Agrarsektor des Libanon ist nach wie vor stark von vielen Importen abhängig, so wie von importiertem Saatgut, Düngemitteln oder Pestiziden. Einige Unternehmer versuchen, dies zu ändern. Doch um die Geräte zur Bewirtschaftung des Ackerflächen zu nutzen, brauchen sie ebenfalls, was überall fehlt: Strom.
Bild: Taher Abu Hamdan/Xinhua/picture alliance
Auch das Wasser wird knapp
Dem Libanon drohen zudem akute Engpässe bei der Wasserversorgung. Über vier Millionen Menschen könnten in den kommenden Tagen von Wassermangel betroffen sein oder den Zugang zu sauberem Trinkwasser gänzlich verlieren, warnte das UNO-Kinderhilfswerk UNICEF erst vor wenigen Tagen. Die Organisation befürchtet auch eine Zunahme von Krankheiten infolge von mangelnder Hygiene durch Wasserknappheit.
Bild: Hussein Malla/AP Photo/picture alliance
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Mit sechs Millionen Dollar sollen 65 Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen unterstützt werden. Weitere vier Millionen Dollar sollen an Gesundheitszentren und mehrere Wasserwerke gehen, die insgesamt rund zwei Drittel der libanesischen Bevölkerung versorgen.
Die Treibstoffkrise im Libanon hat auch weitreichende Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung des Landes. Neben einer in verschiedenen Landesteilen angekündigten Rationierung des Wassers wird das abgefüllte Trinkwasser knapp. Denn Anbieter mussten Produktion und Lieferung wegen Treibstoffmangels drastisch zurückfahren.
UNICEF warnt: Fehlendes Wasser könnte weitreichende Folgen für die öffentliche Gesundheit und Hygiene haben. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen sieht zudem die Gefahr, dass sich durch nicht sauberes Wasser Krankheiten verbreiten.