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Politik

Folgen für die AfD? Kein Steuergeld für NPD-Nachfolgepartei

22. Januar 2024

Die NPD, die sich mittlerweile "Die Heimat" nennt, ist verfassungsfeindlich und bekommt keine staatlichen Gelder mehr. Was bedeutet das für die AfD?

Anhänger der ehemaligen NPD, die inzwischen "Die Heimat" heißt, demonstrieren mit Plakaten gegen Migration und für völkisches Denken. Die Parolen lauten "Asyl-Flut stoppen" oder "Maria statt Scharia"
Mit solchen Parolen ging "Die Heimat", als sie noch NPD hieß, auf StimmenfangBild: Ole Spata/dpa/picture alliance

Parteien in Deutschland finanzieren sich größtenteils aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden – und Steuergeld. Zuschüsse vom Staat bekommt aber nur, wer bei der jeweils letzten Bundestags- oder Europawahl mindestens 0,5 Prozent der Stimmen erhalten hat oder ein Prozent bei einer der letzten Landtagswahlen. An dieser Hürde ist die Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD), die sich inzwischen "Die Heimat" nennt, zuletzt regelmäßig gescheitert.

Sollte sie bei den nächsten Wahlen erfolgreicher abschneiden, wird sie aber trotzdem kein Steuergeld kassieren. Der Grund: Die NPD-Nachfolgerin wurde vom Bundesverfassungsgericht für sechs Jahre davon ausgeschlossen. Begründet wurde das jetzt ergangene Urteil mit den verfassungsfeindlichen Zielen der Partei.

Politisches Konzept missachtet die Menschenwürde

"Die Heimat" missachte die freiheitlich-demokratische Grundordnung und sei nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger auf deren Beseitigung ausgerichtet, urteilte das Gericht. Ihr politisches Konzept missachte die Menschenwürde aller, die der ethnischen "Volksgemeinschaft" nicht angehören, und das sei mit dem Demokratieprinzip unvereinbar. 

"Die Möglichkeit, verfassungsfeindliche Parteien von der staatlichen Finanzierung auszuschließen, besteht seit 2017. Dafür wurde nach dem damals gescheiterten NPD-Verbotsverfahren extra das Grundgesetz geändert." Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser sieht in dem Urteil ein klares Signal: "Unser demokratischer Staat finanziert keine Verfassungsfeinde."

"Größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie"

Die Entscheidung falle in eine Zeit, die eines erneut zeige: "Der Rechtsextremismus ist die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie – und für Menschen in unserem Land." Dabei denkt die Sozialdemokratin Faeser an ein Anfang Januar 2024 bekannt gewordenes Treffen von Rechtsextremisten, an dem auch Vertreter Alternative für Deutschland (AfD) und der Christlich-Demokratischen Union (CDU) teilgenommen haben.

"Dass rechtsextreme Netzwerke Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft massenhaft aus Deutschland vertreiben wollen, das ist ein Angriff auf die Grundfesten unserer Gesellschaft, der viele Menschen in unserem Land aufgerüttelt hat", sagt Faeser. Deshalb gehen in Deutschland seit Tagen hunderttausende Menschen auf die Straße, um gegen die vom Verfassungsschutz als teilweise "erwiesen rechtsextremistisch" eingestufte AfD zu demonstrieren.     

Hohe Hürden für ein Parteiverbot

Sind Sie für ein AfD-Verbotsverfahren, Herr Pestalozza?

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Die Innenministerin könnte sich auch ein Verbot der AfD, die in Umfragen deutschlandweit bei über 20 Prozent liegt, vorstellen – aber nur als letztes Mittel. Das Bundesverfassungsgericht hat für ein Parteiverbot allerdings hohe Hürden aufgestellt. Es müsse eine gewisse Wahrscheinlichkeit vorhanden sein, dass die Partei bereits solches Gewicht habe, ihre Ziele irgendwann auch durchsetzen zu können, erläutert der Berliner Verfassungsrechtler Christian Pestalozza im DW-Interview.

Leichter könnte es vielleicht sein, der AfD den staatlichen Geldhahn zuzudrehen. Sie erhält zurzeit jährlich über zehn Millionen Euro. Eine Partei wegen ihrer mutmaßlich verfassungsfeindlichen Ziele von dieser Art der Finanzierung auszuschließen, hält Pestalozza für einfacher als sie zu verbieten: "Da reicht es, dass sie die betreffenden Ziele verfolgen, ohne dass nachgewiesen werden muss, dass sie auch das Potenzial haben müssen, diese Ziele durchzusetzen."

Auch wenn das Programm der AfD relativ harmlos klinge, die Realität jedoch anders aussehe, könne das ausreichen, sagt Pestalozza: "Aber ob diese Voraussetzungen schon gegeben sind, das ist Spekulation. Das wissen die Verfassungsschutzbehörden, die die Partei und ihre Landesverbände zum Teil unter Beobachtung halten, besser."

Wo die AfD überwacht werden darf

In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt kann die AfD als sogenannter Beobachtungsfall mit geheimen Methoden wie dem Abhören von Telefongesprächen überwacht werden. Dass man die Partei zumindest in diesen Bundesländern von der staatlichen Finanzierung ausschließen könnte, hält der Berliner Verfassungsrechtler für möglich.

Voraussetzung dafür wäre ein entsprechender Antrag der Regierung oder des Parlaments. Dann könnte das Bundesverfassungsgericht aber immer noch zu ganz anderen Schlüssen kommen, als es die Verfassungsschutzbehörden tun. Er vermute das allerdings nicht, betont Pestalozza.

Bedenken eines Verfassungsrechtlers

Der Verfassungsrechtler Azim Semizoğlu von der Universität Leipzig bewertet die Erfolgsaussichten für einen AfD-Ausschluss von der staatlichen Finanzierung im DW-Gespräch skeptischer. Denn die Voraussetzung dafür wäre nach seiner Einschätzung, dass vom Gericht auch die AfD-Programmatik als verfassungsfeindlich eingestuft werden müsste. Und das könnte ein Problem sein, gibt Semizoğlu zu bedenken. 

Kann man Björn Höcke die Grundrechte aberkennen, Herr Semizoğlu?

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Eine weitere Möglichkeit, mutmaßliche Verfassungsfeinde zu bekämpfen, wäre die Aberkennung der Grundrechte für einzelnen Personen. Sie dürften dann auch nicht mehr für öffentliche Ämter kandidieren. Das will eine Online-Petition im Fall von Björn Höcke erreichen. Der Thüringer AfD-Chef darf laut einem Gerichtsurteil als Faschist bezeichnet werden. In Umfragen für die Landtagswahl im September 2024 liegt seine Partei mit über 30 Prozent vorn. Deshalb sorgen sich viele, Höcke könnte erster AfD-Ministerpräsident in Deutschland werden.

Der Verfassungsrechtler Semizoğlu bezweifelt allerdings, dass Höcke die Grundrechte aberkannt werden können. Ähnliche Versuche hätten noch nie Erfolg gehabt. Die Hürden seien auch bei einem solchen Verfahren recht hoch. Für völlig aussichtslos hält er einen Versuch aber nicht, weil die Ermittlungen wegen vermuteter Verfassungsfeindlichkeit bei einer einzelnen Person weniger umfangreich wären als bei einer gesamten Partei.

Unabhängig von Verbotsdebatten und anderen möglichen Sanktionen gegen die AfD oder einzelne Personen hält Semizoğlu die Demokratie in Deutschland aber für stark genug, um sich gegen ihre Feinde zu verteidigen. "Wenn ich sehe, dass sehr viele Menschen gegen rassistische Positionen auf die Straßen gehen, ist das ein Moment, das Mut macht." 

 

Dieser Artikel wurde erstmals am 22.01.2024 veröffentlicht und am 23.01.2024 nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur staatlichen Parteienfinanzierung aktualisiert

 

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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