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Reise

Urlaub für Russen in der EU wird schwieriger

3. September 2022

Die EU setzt das Abkommen mit Russland zur erleichterten Visavergabe für Reisende aus. Wenn nicht Europa, dann eben woanders: Wohlhabende Russen haben auch schon vorher Urlaub in anderen Teilen der Welt gemacht.

Ein Paar sitzt im Pool und genießt den Blick aufs Meer
Die Malediven, Mauritius und die Türkei sind bei wohlhabenden Russen als Reiseziel besonders gefragtBild: Fokke Baarssen/Zoonar/picture alliance

Am 24. Februar schien die Welt stehen geblieben zu sein. Während russische Raketen in die Ukraine flogen, wussten die Russen nicht mehr, was sie als nächstes erwartet. Absturz des Rubels, Sperrung der Konten im Ausland, ungültige Kreditkarten und überhaupt: "Viele dachten, nicht jetzt auch noch durch die Welt reisen", erinnert sich Olga Smyschlaewa vom Moskauer Reisebüro Wanderlust Travel Studio im Gespräch mit der DW. "Das Interesse an Reisen Ende Februar und im März lag praktisch bei null außer bei Geschäftsreisen und Familienbesuchen im Ausland. Bereits getätigte Buchungen wurden storniert. Fast keine neuen Reisen kamen dazu."

Premiumreiseziele: Malediven, Mauritius, die Türkei

Erst in den Mai-Feiertagen trauten sich einige "mutige" und wohlhabende Russen wieder ins Ausland zu reisen: auf die Malediven, nach Mauritius, in die Türkei. Die Nachfrage nach Premiumreisen stieg wieder an. "Die Menschen haben begonnen, sich moralisch an die neue Realität anzupassen und versuchten, in dieser neuen Realität zu leben", resümiert Smyschlaewa. Die Sommerferien standen kurz bevor und so begann bereits in der zweiten Maihälfte ein regelrechter Buchungsboom im Premiumsegment der Hotels, vor allem in der Türkei. Die türkischen Top-Hotels und vor allem diejenigen an der sehr angesagten Ägäis-Küste seien schnell ausverkauft gewesen.

Der Türkei-Trend dauere bisher an, das bestätigt auch Artur Muradjan von der Reiseagentur Space Travel. Auch Griechenland und Italien würden oft gebucht. "Für wohlhabende Russen mit gültigem Schengen-Visum wurde das Aussetzen von direkten Flugverbindungen in die Länder der Europäischen Union nicht zum Hindernis." 

Sonne, Strand, Palmen, glasklares Meer - auch die Russen lieben Urlaub auf den MaledivenBild: Nikolai Okhitin/Zoonar/picture alliance

Dank Rubelstärkung: Auslandsreisen sind günstiger

Hoch im Kurs seien auch Luxusziele. "Jene Länder, die den russischen Touristen gegenüber tolerant sind", so Muradjan. Der Reisekaufmann sieht die Vereinigten Arabischen Emirate im Herbst und im Winter an der Spitze. Auch Südostasien sei populär: "Zum Glück gibt es genug Flugverbindungen dorthin", freut sich der Tourismus-Experte. Im übrigen seien Reisen ins Ausland für Russen sogar günstiger geworden, weil der Rubel nach dem anfänglichen Absturz dank der Maßnahmen der Regierung wieder deutlich stärker geworden ist, der Euro und der Dollar dagegen seien schwächer als zu Anfang des Jahres, fügt Artur Muradjan zufrieden hinzu.

Riskant aber nicht unmöglich: Urlaub in "unfreundlichen Staaten"

Die Nachfrage nach Reisen in die EU sei zurückgegangen. Das sei auf zwei Faktoren zurückzuführen: keine Direktflüge und politische Sanktionen gegen Russland: "Niemand will in unfreundliche Staaten reisen, denn niemand kann wissen, ob es in der Zukunft vielleicht gegen einen verwendet werden könnte."

Als sogenannte "unfreundliche Staaten" gelten aus Sicht der russischen Regierung unter anderem alle Länder der Europäischen Union. Als Reaktion auf die Sanktionen des Westens setzt der Kreml explizit die Länder auf diese Liste, die diese Sanktionen unterstützen. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte diese Entscheidung mit dem Ziel, Kontakte zu solchen Ländern zu reduzieren. Dabei geht es vor allem um Einschränkungen für ihre Vertretungen, russisches Personal in Moskau einzustellen. Viele Menschen in Russland fürchten aber, dass der Kontakt zu den "unfreundlichen Staaten" für sie persönlich Konsequenzen haben könnte.

Viele Russen reisen über Helsinki in den UrlaubBild: Micha Korb/pressefoto_korb/picture alliance

Dennoch: Ganz aufgeben wollen die wohlhabenden Russen West- und Südeuropa nicht. Olga Smyschlaewa von Wanderlust Travel Studio konstatiert, dass sowohl Italien als auch Frankreich und Spanien nach wie vor begehrte Reiseziele für Touristen aus Russland seien, wenn auch auf Umwegen meist über die Türkei, über Serbien oder Finnland. Der Flughafen von Helsinki ist zur Zeit voll mit betuchten russischen Touristen. Wer über die russisch-finnische Landgrenze nach Finnland reist, ist bequem in nur drei Stunden in vielen anderen europäischen Hauptstädten, mit Direktflügen auch nach Südeuropa. 

Neue Visa-Regeln erschweren Reisen in die EU

"Russophobie und Vorurteile beobachten wir eigentlich nicht. Während der COVID-19-Pandemie haben die Russen ihre Lieblingsorte in Europa sehr vermisst. Jetzt holen sie das nach, trotz der hohen Preise für Flüge und Transfer," sagt Olga Smyschlaewa. Aber die Einreise wird nun deutlich schwieriger: Die EU-Länder hatten wochenlang um Einreisebeschränkungen für Russen gestritten. Nun haben sie sich darauf geeinigt, das Abkommen mit Russland zur erleichterten Visa-Freigabe auszusetzen. Reisende müssen sich jetzt auf eine deutlich längere Bearbeitungszeit und höhere Gebühren einstellen.

Anastasia Umowskaja vom Tourismus-Projekt "Klutchi" beobachtet ein steigendes Interesse an Afrika und Lateinamerika. "Wir erklären das mit den Flügen. Ein Flug auf Umwegen nach Europa ist heutzutage genauso teuer wie nach Südafrika." Dennoch spricht auch sie vom weiteren Interesse der Russen an der EU.

Die superreichen Russen können nach wie vor ihre Yachten in Europa nutzenBild: Mischa Keemink/PRO SHOTS/picture alliance

Bezahlen im Ausland problematisch

Und was ist mit den Superreichen, können sie ungehindert Yachten und Privatjets im Westen mieten? Olga Smyschlaewa von Wanderlust sagt dazu: "Bisher konnten wir keine Einschränkungen bezüglich solcher Reisedienstleistungen beobachten. Zum Glück noch nicht." Die Frage sei vielmehr, wie man diesen Luxus überhaupt bezahlt. Rein technisch, denn in Russland ausgestellte Visa- und Masterkarten gelten im Westen seit dem Kriegsbeginn nicht mehr. Auch seien die Banküberweisungen viel schwerer geworden. Unmöglich seien sie jedoch nicht.

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