1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Keine Einigung über Finanzen und Verfassung

Anke Hagedorn, Brüssel17. Juni 2005

Die Staats- und Regierungschefs der EU wollten nach dem Scheitern der Verfassung eigentlich ein positives Signal von ihrem Treffen aussenden. Doch der Gipfel geriet zu einem Gipfel der Ratlosigkeit.

Bild: dpa

Ein sichtlich abgekämpfter und verbitterter EU-Ratspräsident trat gegen ein Uhr morgens vor die Presse, um das Scheitern des Gipfels zu verkünden. "Wir wollten Europa mit neuen finanziellen Perspektiven für die Jahre 2007 bis 2013 ausstatten, das hat nicht funktioniert." Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker fügte mit einer gehörigen Portion Zynismus hinzu: "Übermorgen fliegen wir nach Washington, um dem amerikanischen Präsidenten zu erklären, wie stark und wie durchsetzungsfähig Europa ist."

Kein Durchkommen für EU-Ratspräsident Jean Claude JunckerBild: dpa

Zuvor hatte der Ratspräsident mit zahlreichen Regierungschefs in Einzelgesprächen versucht, doch noch eine Lösung in den festgefahrenen Verhandlungen über die EU-Finanzierung 2007 bis 2013 zu sondieren. Ein Durchbruch hätte auch die Handlungsfähigkeit der durch die Verfassungskrise angeschlagenen Union demonstrieren sollen.

Streitpunkte Agrar-Ausgaben und Briten-Rabatt

Der luxemburgische Premier musste bei diesem Gipfel gleich an mehreren Fronten kämpfen: Da waren zum einen die Nettozahler Schweden und die Niederlande, die mit aller Härte drastische Kürzungen ihrer Zahlungen in die EU-Kasse forderten. Auf der anderen Seite standen sich Frankreich und Großbritannien in der Frage der Agrar-Ausgaben und des Briten-Rabatts unversöhnlich gegenüber: Ein Einfrieren oder gar eine Reduzierung des Rabatts lehnte Premier Tony Blair kategorisch ab. Er ließ sich auf keinen Kompromiss-Vorschlag Junckers ein.

Schlechter Abgange für den britischen Premierminister Tony BlairBild: AP

Blair forderte, dass zunächst die gewaltigen Agrar-Ausgaben der EU auf den Prüfstand kommen müssten: "Über den Rabatt würde ich sofort mit Freuden verhandeln, mir ist klar, es ist eine Ausnahme-Regelung, die aber aus einer Ausnahme-Situation entstanden ist. Wenn man beides über Bord wirft, wird es in Zukunft wahrscheinlich so sein, dass Großbritannien noch höhere und nicht geringere Beiträge zahlt."

Gegen Kürzungen der Agrar-Ausgaben sperrten sich vor allem die Franzosen, die die größten Profiteure dieser Subventionen sind. Diese Frage habe nichts mit der Diskussion um den britische Rabatt zu tun, so Frankreichs Staatschef Jacques Chirac: "Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem britischen Rabatt und dem Agrar-Haushalt und den hatte auch keiner außer den Briten gesehen."

Großbritannien in der Kritik

Frankreichs präsident Jacques Chirac zieht ein langes GesichtBild: dpa

Chirac machte die Briten für das Scheitern des Gipfels verantwortlich und konnte sich im Hinblick auf die bevorstehende Übernahme der Ratspräsidentschaft durch Tony Blair einen weiteren Seitenhieb nicht verkneifen: "Das war in jedem Fall nicht gerade ein brillanter Anfang."

Mit ungewöhnlich scharfen Worten griff auch Bundeskanzler Schröder die Haltung der Briten und der Niederländer an: "Wer die Wichtigkeit und die Bedeutung der Union richtig
einzuschätzen vermag, und ich glaube das können wir alle, der weiß, dass durch die Haltung der Niederlande und vor allem von Großbritannien die Union nicht gewonnen hat, und das ist noch sehr vorsichtig ausgedrückt." Schröder zeigte sich sichtlich enttäuscht vom Scheitern des Gipfels: "Wir haben versucht, was in unseren Kräften steht, daraus einen besseren zu machen. Es ist nicht gelungen und lassen sie mich das so sagen, ich bin traurig darüber."

Auch in Sachen EU-Verfassung ging kein klares Signal des Vertrauens vom Gipfel aus, wie es sich die Staats- und Regierungschefs gewünscht hatten. Am Donnerstag (16.6.) einigten sie sich lediglich darauf, eine Denkpause einzulegen. Daraufhin setzten nach Großbritannien auch Portugal, Schweden, Dänemark und Finnland die Ratifizierung des neuen EU-Vertrages aus. Allein Polen und Estland wollen an ihrem Zeitplan festhalten.

Es gab also keine Antwort auf grundsätzliche Fragen für die Zukunft der Europäischen Union auf diesem Gipfel. Verfassung wie Finanzen werden bei nächsten Gipfel-Treffen im Oktober 2005 wieder auf der Tagesordnung stehen. Und dann haben die Briten den Ratsvorsitz inne.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen