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Politik

EU: Keine Quote für Seenot-Rettung

8. Oktober 2019

Migranten, die Seenotretter nach Italien oder Malta bringen, sollen in der EU verteilt werden. Einen Schlüssel gibt es dafür auch nach der Tagung der EU-Innenminister nicht. Aus Luxemburg Bernd Riegert.

Seenotrettung im Mittelmeer - «Alan Kurdi» vor Libyen
Wird es einfacher Gerettete an Land zu bringen? Sea-eye-Schiff "Alan Kurdi" vor Libyen im Juli 2019Bild: picture-alliance/dpa

Sehr weit sind Deutschland, Frankreich, Italien und Malta mit ihrem Vorschlag, ein Quotensystem für die Verteilung von aus Seenot geretteten Migranten einzurichten, nicht gekommen. Beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg gab es keine weiteren konkreten Zusagen darüber, wer bereit wäre, Gerettete aus Italien in seinem Land aufzunehmen. Vor zwei Wochen bei einem Mini-Gipfel in der Festung St. Angelo auf Malta hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer zusammen mit seinen Kollegen aus Frankreich, Italien und Malta noch festgelegt, dass es an diesem Dienstag in Luxemburg Beschlüsse geben sollte.

12 Staaten erklärten in Luxemburg jedoch lediglich, dass sie sich von Fall zu Fall und nach Klärung weiterer technischer Details beteiligen würden. Es bleibt notwendig, bei jedem Rettungsschiff, das vor Italien oder Malta auftaucht, telefonisch zu vereinbaren, wer wen aufnehmen wird. Bundesinnenminister Horst Seehofer erklärte, er sei trotzdem "zufrieden." Das System könne als Modell für eine Reform der EU-Asylpolitik dienen, aber "es sind noch sehr dicke Bretter zu bohren."

Innenminister Seehofer in Luxemburg: Migrationspolitik in der EU nur in kleinen SchrittenBild: DW/B. Riegert

Keine verbindlichen Quoten

Der EU-Kommissar für Migration, Dimitris Avramopoulos mahnte die Mitgliedsländer, das unwürdige Geschacher um die Verteilung von Migranten, die von privaten Seenotrettern aufgelesen werden, zu beenden. "Wir können nicht so weitermachen mit dem, was im Mittelmeer geschieht. Wir können nicht mit ad hoc Lösungen arbeiten. Wir brauchen einen permanenten Mechanismus. Wir haben nur einen vorläufigen Mechanismus für sechs Monate vorgeschlagen. Heute sollten die Mitgliedsstaaten mehr Verantwortlichkeit und mehr Solidarität untereinander zeigen", sagte Avramopoulos.

Doch den erhofften Durchbruch konnte auch die finnische EU-Ratspräsidentschaft nicht vermitteln. Finnland selbst will sich an einem festen Quotensystem ebenso wenig beteiligen wie Luxemburg oder Österreich. Bulgarien, Zypern und Griechenland bemängelten, dass sich die Vierer-Koalition von Malta nur um Gerettete zwischen Libyen und Italien kümmern wollten, aber nicht um Ankömmlinge im östlichen Teil des Mittelmeers. Sie forderten in einer gemeinsamen Erklärung mehr Hilfen von der EU. Die osteuropäischen Staaten blieben bei ihrer grundsätzlichen Ablehnung der Aufnahme von Migranten.

Seehofer kritisiert seine Kritiker

Unklar ist nach wie vor, welche Migranten oder Asylsuchenden aus Italien und Malta auf andere Staaten verteilt werden sollen. Frankreich und die Niederlande wollen nur solche Menschen aufnehmen, die einen erkennbaren Anspruch auf Asyl oder einen Flüchtlingsstatus haben. Italiens Innenministerin Luciana Lamorgese bestand aber darauf, dass alle Migranten ausnahmslos in das Verteilverfahren kommen und erst in den Zielländern die Asylberechtigung geklärt werde. Der deutsche Innenminister stimmt der italienischen Auffassung zu. Eine Prüfung der Asylanträge schon in Italien würde zu lange dauern und das Land nicht entlasten.

Befremdlich findet Bundesinnenminister Horst Seehofer auch die Kritik in Deutschland an dem Versuch, einen Verteilmechanismus auf EU-Ebene zu finden. Selbst einige konservative Parteifreunde werfen Seehofer vor, er schaffe neue Anreize für Migranten und deren Schlepper: "Da wird so viel schräg diskutiert, wie ich es selten in meiner politischen Laufbahn erlebt habe. Es ist schade, es ist vielleicht sogar beschämend, dass wir wegen dieser Größenordnung, (...) wegen einer solchen Zahl diese Debatte führen. Das ist eigentlich beschämend." Die Größenordnung, um die es geht, sind etwa 2000 Menschen, die von privaten Seenotrettern in Italien und Malta in den letzten 14 Monaten angelandet wurden. Davon sind letztlich 225 nach Deutschland gekommen. Diese Zahl solle auch nicht über Gebühr anwachsen, verspricht Horst Seehofer in Luxemburg. "Wenn diese Lösung missbraucht werden sollte, wenn aus Hunderten heute vielleicht Tausende werden, dann kann ich morgen erklären, der Notfallmechanismus ist beendet. Das würde ich tun."

In den nächsten Wochen soll versucht werden, weitere Zusagen für die Aufnahme von geretteten Migranten einzusammeln. Um feste Quoten soll es sich aber wohl nicht handeln, heißt es aus Delegationskreisen. Die EU-Kommission soll wie bisher die Verteilung koordinieren. Die Telefonnummer, die man anrufen müsse, um Migranten aus Italien zu verlegen, bleibe die gleiche. Jeder Staat könne jeder Zeit aus der Vereinbarung wieder aussteigen. "Das ist absolut freiwillig", betonte Horst Seehofer nach der Sitzung der EU-Minister.

Auf dem Weg zur gemeinsamen Asylpolitik?

Innenminister Horst Seehofer wies mehrfach darauf hin, dass es sich bei der Rettung von Migranten in Seenot im Seegebiet zwischen Libyen und Italien um ein relativ kleines Problem handele. Wesentlich mehr Menschen kämen in Griechenland oder Spanien an. Man dürfe das große Ganze bei der Migration nicht aus den Augen verlieren. Der Verteilmechanismus für die wenigen Schiffbrüchigen, sei für ihn eine Art Pilotprojekt für eine tiefer gehende Reform des europäischen Asylsystems. "Wenn wir alle Länder, die an der Außengrenze der EU liegen, alleine lassen, dann wird es nie eine gemeinsame europäische Asylpolitik geben", sagte Horst Seehofer und warnte vor einer zweiten Flüchtlingswelle wie im Jahr 2015. "Und wenn es keine gemeinsame europäische Asylpolitik gibt, dann besteht die Gefahr, dass es wieder zu unkontrollierter Zuwanderung kommt, und zwar in ganz Europa. Das haben wir schon einmal erlebt. Ich möchte nicht, dass dies wiederkehrt. Das ist mein Kampf um diese gemeinsame europäische Asylpolitik."

Kapitänin Rackete im Europäischen Parlament: Verfahren gegen sie in Italien läuft nochBild: DW/B. Riegert

Häfen werden unter Bedingungen geöffnet

Vergangenen Donnerstag hatte Carola Rackete, die im Juni 53 Migranten in Lampedusa mit ihren Schiff "Seawatch 3" gegen den Willen des damaligen Innenministers Matteo Salvini an Land brachte, im Europäischen Parlament in Brüssel einen Appell an die EU gerichtet. Die EU solle die Häfen für Schiffbrüchige öffnen und die Retter wie sie nicht kriminalisieren. Diesem Wunsch konnten die EU-Innenminister nicht ganz folgen. Die neue italienische Innenministerin Luciana Lamorgese sagte aber zu, dass sie die Häfen öffnen werde, wenn geklärt sei, wohin die Schiffbrüchigen verteilt werden. Das soll innerhalb vier Wochen nach dem Anlandgehen geschehen. Auch Malta will seinen Hafen unter diesen Bedingungen wieder öffnen.

Der italienische Außenminister Luigi Di Maio, der auch Chef der größten Regierungspartei, der populistischen 5 Sterne, ist, kündigte in Rom vergangene Woche an, dass Italien Abschiebungen in 13 sichere Staaten beschleunigen wolle. Die Verfahren sollten von zwei Jahren auf vier Monate verkürzt werden. Di Maio will jährlich 100.000 abgelehnte Asylbewerber abschieben. Bislang waren es in Italien in diesem Jahr etwas mehr als 5200.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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