1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAsien

Keine Kritik an Russland aus Peking

Hans Spross
24. Februar 2022

Die Volksrepublik China will die Invasion der Ukraine nicht beim richtigen Namen nennen. Zu wichtig ist Peking der russische Partner beim Umbau der Weltordnung.

Ukraine-Krise der chinesische Botschafter in den USA Zhang Jun bei einer Krisensitzung des UN-Sicherheitsrats
Zhang Jun: Chinas UN-Botschafter im New Yorker UN-SicherheitsratBild: ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Die "grundlegende Norm" der Achtung der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Unversehrtheit aller Länder gelte auch für Ukraine, so Chinas Außenminister Wang Yi auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Jetzt, da sich die Voraussagen der US-Geheimdienste über einen großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine bewahrheitet haben, musste auch China Stellung beziehen.

Wang Yi: Normen der internationalen Beziehungen auch bei der Ukraine Bild: Ji Chunpeng/Xinhua/picture alliance

"Sie benutzen die typisch westliche Art, Fragen zu stellen, durch den Gebrauch des Begriffs 'Invasion'", teilte Außenamtssprecherin Hua Chunying der Auslandspresse mit. Peking fordere "alle Seiten zur Zurückhaltung auf, um zu verhindern, dass die Lage außer Kontrolle gerät".  Hua ließ außerdem per Twitter verlauten, Peking sei dafür, dass Staaten "ihre internationalen Differenzen friedlich beileigen sollten." 

Auch in Peking ist bekannt, dass die UN-Charta Gewaltanwendung in den zwischenstaatlichen Beziehungen außer zur Selbstverteidigung verbietet. Sollte in dem Statement also ein indirekter Wink an Moskau enthalten gewesen sein, die Invasion - auch wenn Peking sie nicht so nennen will - abzubrechen?

Pekings Friedensaufruf glaubhaft?

China-Expertin Didi Kirsten Tatlow von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) hält das für theoretisch möglich, aber unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher sei, dass Peking - auch durch die erwähnte Äußerung von Wang Yi auf der Münchner Sicherheitskonferenz - die Welt von seiner Friedensliebe überzeugen will. Gleichzeitig unterstütze es indirekt durch die Beschuldigung der USA als Kriegstreiber Putins Vorgehen. "Aber solange China sich nicht öffentlich und konkret gegen die russische Aggression in der Ukraine aufstellt, wird die Weltöffentlichkeit sich von seinen Friedensaufrufen nicht beeindrucken lassen", sagt Tatlow gegenüber der DW.

Keine Unklarheit über Souveränität: Pro-ukrainische Demonstranten in Moskau Bild: Dmitri Lovetsky/AP Photo/picture alliance

Ein erster Test der chinesischen Position wird die für diesen Freitag (25.02.22) geplante Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über einen Resolutionsentwurf zur Verurteilung der russischen Aggression sein. Sollte sich China erwartungsgemäß der Stimme enthalten, werde seine bisherige indirekte Haltung der Unterstützung Moskaus "noch deutlicher hervortreten", sagt Tatlow. 

Für die langjährige Beobachterin Chinas ist klar, dass Chinas Staatspräsident Xi Jinping bislang nicht bereit ist, sich mit den USA (im Ukraine-Konflikt) zusammenzuschließen, denn "Xi und die KPCh lehnen die Demokratie öffentlich ab. Es gibt keinen vernünftigen Grund anzunehmen, dass Xi seine Position grundlegend ändern wird. Das wäre für ihn mit dem 'Ausverkauf' Chinas gleichbedeutend. Falls sich die Ukraine-Krise sehr nachteilig für China entwickeln sollte, könnte Xi vielleicht eine veränderte Position einnehmen, aber das ist derzeit unklar."

Chinas Dilemma

China sei in gewisser Weise in der Zwickmühle, analysiert die Expertin von der DGAP. Einerseits wolle es gemeinsam mit seinem "Freund" Russland die bisherige internationale Ordnung verändern, wie seit Jahren verkündet; andererseits sehe es sich durch seine Solidarität mit einem "Schurkenstaat", der in ein souveränes Land einmarschiert, einem möglichen massiven Imageschaden ausgesetzt. "Die kommenden Tage und Wochen werden erweisen, inwiefern Peking der Drahtseilakt zwischen Wahrung der Freundschaft mit Russland und Wahrung des Gesichts in der Ukraine-Krise gelingt."

Luftalarm in der Hauptstadt: Bewohner Kiews suchen Schutz in einer U-BahnstationBild: VIACHESLAV RATYNSKYI/REUTERS

"Die chinesische Diplomatie schien am Donnerstag den Ereignissen hinterherzurennen, so auch im UN-Sicherheitsrat", analysierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung am selben Tag. "Noch nachdem erste Explosionen aus verschiedenen ukrainischen Städten gemeldet wurden, sagte der chinesische UN-Botschafter Zhang Jun, 'die Tür zu einer friedlichen Lösung ist nicht vollständig geschlossen.'"

Was wusste Xi beim Treffen mit Putin?

War Xi von der massiven Invasion zum jetzigen Zeitpunkt überrascht? Auf die Frage, ob Putin Xi von seinem Plan zum baldigen Losschlagen bei seinem Besuch zur Eröffnung der Winterspiele am 4. Februar informiert habe, sagte Sprecherin Hua, Russland habe es als unabhängige Macht nicht nötig, um Erlaubnis von China nachzusuchen. Und wenn die Staatsoberhäupter zusammenträfen, würden sie "natürlich jedes Mal Meinungen über Fragen von gemeinsamem Interesse austauschen."

Kein Sechs-Meter-Tisch mit Xi: Neu gefestigte Partnerschaft vor Beginn der Olympischen Winterspiele in PekingBild: Alexei Druzhinin/Sputnik/Kremlin Pool Photo via AP/picture alliance

"Wir wissen nicht, wie viel Xi am 4. Februar wusste, als er und Putin in Peking eine Erklärung über den 'Beginn einer neuen Ära' und 'grenzenlose Kooperation' herausgaben", sagt Didi Tatlow. "Möglicherweise hat er Putin unterschätzt. Aber es ist schwer vorstellbar,  dass Peking so schlecht informiert war oder zumindest diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen hat."

Die stellvertretende US-Außenministerin Wendy Sherman bemerkte auf einem Panel Ende Januar, eine Invasion der Ukraine noch vor Beginn der Olympischen Winterspiele würde bei Xi Jinping "wahrscheinlich nicht auf Begeisterung" stoßen. Ein Gesichtspunkt, "den Putin möglicherweise bei seinem Zeitplan für das weitere Vorgehen gegen die Ukraine berücksichtigen wird", so Sherman damals. Putin hat es in der Tat berücksichtigt.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen