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PolitikEuropa

Keine Mehrheit für "ein anderes Polen"

13. Juli 2020

Sein Herausforderer hatte einen fulminanten Start hingelegt. Doch es reichte nicht. Die Polen wählten Andrzej Duda für weitere fünf Jahre zum Präsidenten - und bestimmten damit auch das Verhältnis ihres Landes zur EU.

Präsidentschaftswahlen in Polen | Wähler
Gespaltenes Land: das knappe Ergebnis der Stichwahl - hier ein Wahllokal in Warschau - spiegelt die Polarisierung Bild: Reuters/A. Szmigiel

Er hatte den Amtsbonus - und er hat ihn genutzt. Bis kurz vor der Wahl hatte Andrzej Duda Hände geschüttelt, für Selfies gelächelt und gegen Lesben und Schwule gewettert. Er sprach von einer "deutschen Attacke" gegen Polen, womit Teile der Presse im Nachbarland gemeint waren. Und er hatte die symbolische Rückendeckung seines "Freundes" Donald Trump, den er als erstes Staatsoberhaupt seit der Corona-Pandemie im Weißen Haus besuchen durfte.

Dass der 48-Jährige überhaupt in die Stichwahl musste, war ein Überraschungserfolg seines Konkurrenten, des Warschauer Bürgermeisters Rafal Trzaskowski - und ein Warnsignal an die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die Duda nach Kräften unterstützte. Am Wahlabend hielten viele PiS-Funktionäre die Luft an; beide Kandidaten wähnten sich zwischenzeitlich als Sieger.

Doch am Ende gab es keine Mehrheit für "ein anderes Polen", das der liberale Herausforderer angekündigt hatte: Nach dem amtlichen Endergebnis erhielt Duda 51,03 Prozent der Stimmen, auf Trzaskowski entfielen 48,97 Prozent. Der Verlierer münzte sein Wahlversprechen kurzerhand in einen Appell um, als er dem alten und neuen Präsidenten gratulierte: "Möge diese Amtszeit eine wirklich andere werden", schrieb Trzaskowski auf Twitter.

"Kaczynskis Kugelschreiber": Wahlsieger Andrzej DudaBild: Reuters/A. Szmigiel

Die ersten fünf Jahre des Staatschefs hatten so begonnen, wie er auch die nächste Runde einläuten sollte: Der studierte Verwaltungsjurist und fromme Katholik hatte mit Sozialleistungen geworben - damals ging es um die Senkung des Rentenalters. Er hatte sich gegen die gleichgeschlechtliche Ehe positioniert und er hatte aus seiner EU-Skepsis kein Hehl gemacht.

Inzwischen allerdings ist aus Polen, dessen Regierung bis 2015 wie kaum eine andere im ehemaligen Ostblock pro-europäisch eingestellt war, ein gespaltenes Land geworden. Die seit 2015 allein regierende PiS unter ihrem Chef Jaroslaw Kaczynski krempelte Polen - das bereits Ende des 18. Jahrhunderts die erste moderne Verfassung Europas besaß - um, beschnitt mit einer Justizreform Zug um Zug die Gewaltenteilung und zeigte der EU nur noch die kalte Schulter.

Von der Moderne überrollt

Die nationalkonservative PiS setzte ganz auf das katholische Milieu und auf jene Wähler, die sich von der Moderne überfordert, gar überrollt fühlen, die mit den Lebensentwürfen aus westlichen Metropolen wenig anfangen können und an traditionellen Werten festhalten. So beschuldigte Kaczynski den Mann, der Duda herausforderte, er stehe im Zentrum jener Versuche, Minderheiten zu erlauben, den Rest der Gesellschaft zu terrorisieren. Der Wahlsieger war immer wieder als Kaczynskis "Kugelschreiber" verspottet worden - viele sehen in ihm eine Marionette des mächtigen Parteichefs. Der Präsident besitzt in Polen weitaus mehr Macht als in Deutschland, so dass die PiS einen - formell unabhängigen - Gefolgsmann an der Staatsspitze gut brauchen kann.

Schlüsselfigur der liberalen Opposition: Rafal Trzaskowski bei einer Kundgebung in SwidnicaBild: Getty Images/O. Marques

Rafal Trzaskowski dagegen hatte seinen Anhängern versprochen, das Ruder herumzureißen. Er wollte die Justizreform der Regierung von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki stoppen, die Polen mehrere Vertragsverletzungsverfahren der EU eingebracht hatte. Er wollte die Beziehungen seines Landes zur Europäischen Union wieder verbessern. Und er wollte mehr Toleranz für Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender. Aber eine knappe Mehrheit der Wähler, die ihre Stimme abgaben, wollte das nicht.

Dennoch wird Trzaskowski, der kurz vor der Abstimmung einen kometenhaften Aufstieg hingelegt hatte, "eine Schlüsselfigur der liberalen Opposition" werden, wie es der Politikwissenschaftler Andrzej Rychard im Sender TVN24 formulierte. Und das PiS-Lager, das mit Dudas Hilfe noch für einige Jahre durchregieren kann, wird Probleme lösen müssen, die es in sich haben. Da wäre einmal der Wiederaufbau der Wirtschaft, die durch die Corona-Krise erstmals seit dem Ende des Kommunismus in eine Rezession gerutscht ist.

Heilung der Wunden

Womöglich noch schwieriger dürfte sich indes eine andere Aufgabe gestalten: die Heilung jener Wunden, die in den zurückliegenden Kämpfen geschlagen wurden. Dass die Spaltung zwischen Stadt und Land, zwischen Liberalismus und Erzkonservatismus auf die Dauer nicht gut gehen kann, scheint auch dem Wahlgewinner klar zu werden: Duda hatte seinem Herausforderer, noch ehe das Ergebnis feststand, symbolisch die Hand gereicht. Doch Trzaskowski winkte ab - er wollte nicht in den Präsidentenpalast am Warschauer Königsweg kommen.

jj/ml (dpa, afp, rtr)

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