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Politik

Keine Mehrheit nach Wahl in Thüringen

28. Oktober 2019

Bei der Landtagswahl in Thüringen hat die Linke einen historischen Sieg eingefahren - doch ihre rot-rot-grüne Regierungskoalition hat keine Mehrheit mehr. Ein regierungsfähiges Bündnis ist nicht in Sicht.

Ramelow nach Bekanntgabe der ersten Prognosen
Ramelow nach Bekanntgabe der ersten PrognosenBild: picture-alliance/dpa/F. May

Triumph für die Linkspartei in Thüringen, Debakel für die CDU, die AfD weiter im Höhenflug: Bei der Landtagswahl konnte Ministerpräsident Bodo Ramelow seine Partei erstmals zur stärksten Kraft führen. Die bisherige Koalition aus Linke, SPD und Grünen verlor aber ihre Mehrheit.

Die CDU, die zuvor seit 1990 stets die meisten Stimmen in dem kleinen ostdeutschen Bundesland bekommen hatte, stürzte auf ihr historisch schlechtestes Ergebnis. Sie liegt noch hinter der AfD auf Platz drei, die ihr Resultat mehr als verdoppelte. Ramelow reklamierte den Regierungsauftrag erneut für sich. Die Suche nach einer neuen Koalition dürfte aber äußerst schwierig werden.

Wie die Landeswahlleitung nach Auszählung aller Wahlkreise mitteilte, erzielte die Linke 31 Prozent (2014: 28,2). Die CDU von Spitzenkandidat Mike Mohring sackte auf 21,8 Prozent (2014: 33,5 Prozent). Die AfD, die in Thüringen vom Wortführer des rechtsnationalen Flügels, Björn Höcke, geprägt wird, schoss von 10,6 auf 23,4 Prozent nach oben. Die SPD sackte weiter ab: auf den neuen Tiefstand von 8,2 Prozent (12,4). Die Grünen holten 5,2 Prozent (5,7). Die FDP übersprang nur äußerst knapp die Fünf-Prozent-Hürde. Mehr als 1,7 Millionen Thüringer waren zur Wahl aufgerufen. Die Beteiligung stieg deutlich auf rund 66 Prozent (2014: 52,7). 

Ramelow sagte am Abend: "Ich sehe mich ganz klar bestätigt. Bei dem Zustimmungswert, den meine Partei bekommen hat, ist der Regierungsauftrag klar bei meiner Partei. Und ich werde diesen Auftrag auch annehmen." Er kündigte an, mit allen Parteien außer der AfD sprechen zu wollen. 

Schwierige Verhältnisse

Der neue Landtag hat 90 Sitze. Die Linke besetzt künftig 29 davon, die CDU 21, die AfD 22. Die SPD entsendet acht Abgeordnete in den Landtag, Grüne und FDP jeweils fünf. 

Die Spitzenkandidaten der Parteien diskutieren nach der Wahl das ErgebnisBild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Ohne Linkspartei einerseits und AfD andererseits kommt keine Mehrheit zustande: Nicht einmal für eine "Simbabwe"-Konstellation aus CDU, SPD, Grünen und FDP reicht es. Rein rechnerisch wäre eine Koalition aus Linke, SPD, Grünen und FDP möglich. Sie wird von der FDP aber ausgeschlossen.

CDU-Spitzenkandidat Mike Moring Bild: picture-alliance/dpa/M. Reichel

Ebenfalls rechnerisch eine Mehrheit hätten Linke und CDU. Doch der Generalsekretär der Bundes-CDU, Paul Ziemiak, und Spitzenkandidat Mike Moring schlossen eine Koalition sowohl mit der Linkspartei als auch mit der AfD aus. "Wir bleiben bei dem Beschluss vom Bundesparteitag: Es wird mit der Union keine Koalition mit der Linken und auch nicht mit der AfD geben", sagte Moring vor Parteimitgliedern. Ziemiak bekräftigte: "Unser Wort gilt nach den Wahlen, genau wie wir es vor den Wahlen gesagt haben."

SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Tiefensee wertete das Wahlergebnis als enttäuschend für seine Partei. "Wir hatten uns mehr gewünscht", sagte er im deutschen Fernsehen. "Entscheidend ist, dass wir eine stabile Regierung bekommen." Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, das Ergebnis sei "natürlich nicht schön". Die SPD müsse nun ihre Verantwortung wahrnehmen und prüfen, was möglich sei und was nicht. Übergangsparteichefin Malu Dreyer erklärte, in Thüringen sei die Zufriedenheit mit der Arbeit der rot-rot-grünen Landesregierung zwar "sehr, sehr hoch" gewesen. Trotzdem hätten die Sozialdemokraten davon nicht profitieren können.

"Komplizierteste Regierungsverhandlungen"

Grünen-Parteichef Robert Habeck meinte: "Wir stehen vor kompliziertesten Regierungsverhandlungen und -gesprächen." Doch alle demokratischen Parteien müssten miteinander gesprächsfähig sein.

Entsetzen auch bei der Wahlparty der Grünen in ErfurtBild: picture-alliance/dpa/D. Naupold

FDP-Chef Christian Lindner sieht sich durch einen Wiedereinzug der FDP in den thüringischen Landtag in seinem Kurs bestätigt. "Eine Regierungszusammenarbeit mit den Linken und der AfD ist ausgeschlossen", betonte Lindner. In der Sache seien die Liberalen immer gesprächsbereit, fügte er mit Hinweis auf eine mögliche Minderheitsregierung hinzu.

Der Thüringer AfD-Spitzenkandidat Höcke, der per Gerichtsbeschluss "Faschist" genannt werden darf, sagte vor Parteimitgliedern: "Die Thüringer haben heute die Wende 2.0 gewählt." Das Ergebnis sei ein klares Nein zur erstarrten Parteiendemokratie. "Wir wollen eine neue vitale Demokratie in Thüringen und in Deutschland."

AfD-Bundesparteichef Jörg Meuthen verwies darauf, dass die Volksparteien insgesamt nur 30 Prozent in Thüringen erreicht hätten. "Wir erleben hier die ehemaligen Volksparteien im Niedergang", sagte er.

Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, zeigte sich entsetzt über das Abschneiden der AfD. "Dass eine Partei wie die sogenannte Alternative für Deutschland auf Landesebene ein solches Ergebnis einfahren kann, zeigt, dass in unserem politischen System etwas grundlegend aus den Fugen geraten ist", erklärte sie. "Wo eine solche Partei Erfolge feiert, da gibt es ein Problem."

stu/ml/wa (dpa, rtr, afp)

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