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Keine neuen Autobahnen mehr in Deutschland?

24. September 2025

Die Bundesregierung will viele Milliarden in die Verkehrsinfrastruktur stecken. Doch das Geld reicht nicht für alle Vorhaben. Es droht der Stopp des Autobahn-Ausbaus.

Deutschland Hannover 2020 | Verkehr auf der Bundesautobahn A2 | Blick von Autobahnbrücke
Deutschlands Autobahnen sind stark befahrenBild: Ulrich Stamm/Geisler-Fotopress/picture alliance

Was kann, was soll der Staat für welche Vorhaben ausgeben? Im Bundestag steht der Haushalt 2026 zur Debatte. Rund zwei Monate wird der Entwurf von Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) diskutiert, Ende November soll er von den Abgeordneten beschlossen werden. Schon jetzt ist klar: Einfach werden die Debatten nicht. Viele Ministerien sollen mit einem deutlich gekürzten Budget arbeiten, weil die Steuereinnahmen bei weitem nicht ausreichen, um die staatlichen Ausgaben zu decken.

Klingbeil sprach zum Auftakt der Haushaltsberatungen von harten Zeiten. Die Regierung aus CDU/CSU und SPD werde "mutige und teils unbequeme Entscheidungen" treffen müssen. "Es wird anstrengend, es wird herausfordernd." Die Verschuldung ist enorm. Höher war sie zuletzt nur während der Corona-Pandemie.

Finanzminister, Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil im BundestagBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Die Bagger sollen schnell rollen

Im Bundesverkehrsministerium hatte man sich eigentlich keine Sorgen gemacht, von Sparmaßnahmen im Haushalt betroffen zu sein. Die Sanierung der maroden Infrastruktur hat höchste Priorität. Gerade erst hat die Regierung ein 500 Milliarden Euro schweres, kreditfinanziertes Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz auf den Weg gebracht. "Unser Land ist kaputtgespart worden an vielen Stellen. Wir wollen, dass die Bagger schnell rollen", lautet das Credo von Finanzminister Klingbeil.

Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) konnte erwarten, dass sein Ministerium gewaltig von diesem Sondertopf profitieren wird. Verkehrswege, also Straßen, Schienen und Brücken zählen zur Infrastruktur und um die ist es in Deutschland schlecht bestellt.

Marode Verkehrswege: Wenn Beton und Gleise versagen

Auf rund 13.200 Kilometer summieren sich deutsche Autobahnen. Die Hälfte davon weist laut Bundesverkehrsministerium Schäden auf. Rechnet man die Bundesfernstraßen hinzu, gelten etwa 25.000 Straßen-Kilometer als sanierungsbedürftig. Noch kritischer ist die die Lage bei den Autobahnbrücken: Rund 5000 Brücken gelten als dringend sanierungsbedürftig oder müssen neu gebaut werden. Das Netz der Deutschen Bahn ist so marode, dass nur noch jeder zweite Zug pünktlich ins Ziel rollt.

Auf deutschen Autobahnen ist Geduld gefragt - mehr als 1000 Baustellen gibt es bundesweitBild: Marcus Brandt/dap/picture alliance

Tatsächlich hat Klingbeil dem Verkehrsministerium im laufenden Haushaltsjahr knapp zwölf Milliarden Euro aus dem Topf des Sondervermögens zugewiesen. 2026 sollen es sogar mehr als 21 Milliarden Euro sein. Was Verkehrsminister Schnieder aber sicherlich nicht erwartet hatte: Klingbeil hat das eigentliche Haushaltsbudget des Verkehrsministeriums im Gegenzug um zehn Milliarden auf 28 Milliarden Euro gekürzt. Klingbeil bestreitet zwar, dass er mit den eingesparten Milliarden Löcher im Haushalt stopfen will. Doch die Opposition übt scharfe Kritik. Hatte die Regierung doch zugesagt, dass mit den Krediten des Sondervermögens ausschließlich zusätzliche Investitionen bezahlt werden sollten.

Baustopp trotz Bauplänen: Der Preis der Haushaltslücke

Auch der Verkehrsminister reagiert erzürnt. Nicht nur, weil er weniger Geld bekommen soll - er ist auch zusätzlich eingeschränkt. Aus dem Sondervermögen darf, abgesehen von Autobahnbrücken, die nicht saniert werden können, kein Neu- und Ausbau finanziert werden. Dafür ist der normale Etat vorgesehen.

Deutschlands Infrastruktur wird schleppend saniert - warum?

03:06

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Dafür aber, so Schnieder, reiche sein reduzierter Etat nicht mehr aus. "Uns fehlen im Zeitraum 2026 bis 2029 rund 15 Milliarden Euro", rechnete Schnieder in einem Interview in der FAZ vor. 74 Neu- und Ausbauprojekte von Autobahnen und 99 von Bundesfernstraßen, die bereits geplant seien, müssten gestoppt und vorläufig verschoben werden. Das betrifft vor allem Lückenschlüsse von Autobahnen oder Umgehungsstraßen.

Wie der Verkehrsminister Druck auf den Bundestag ausübt

Der Haushaltsauschuss im Bundestag forderte vom Verkehrsministerium eine Auflistung aller betroffenen Strecken. Schnieder lieferte und fügte gleich noch hinzu, in welchen Wahlkreisen sie liegen. Jeder Bundestagsabgeordnete kann so auf einen Blick sehen, was das Loch in der Finanzplanung für ihn und seine Wähler und die Bürger vor Ort bedeutet. Ganz offensichtlich will der Verkehrsminister Druck machen. "Da gibt es noch Nachholbedarf in den laufenden Etatberatungen", sagte er in dem Interview. "Ich würde es begrüßen, wenn wir mehr Mittel für Neu- und Ausbau bekämen."

Doch genau das lehnt Finanzminister Klingbeil ab. In einem frostig formulierten Brief an Schnieder wies er ihn darauf hin, dass sich die Bundesregierung gemeinsam auf die geplanten Verkehrsinvestitionen geeinigt habe. Auch Schnieder habe den festgesetzten Finanzrahmen akzeptiert. In keinem Bereich werde mehr investiert als im Verkehrssektor. Bis 2029 seien insgesamt 166 Milliarden Euro für Verkehrsinvestitionen vorgesehen. Schnieder müsse nun priorisieren und seine Mittel effektiv einsetzen.

Bundesländer und Abgeordnete sind empört

Doch an den von einem Baustopp betroffenen Orten ist die Empörung groß. Die Bundesländer bestehen darauf, dass der Bund geplante Neu- und Ausbauprojekte weiter finanziert. Das fordert auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Man könne angesichts der Schuldenaufnahme von 500 Milliarden Euro niemandem erklären, dass Autobahn-Projekte, die baureif sind, nicht finanziert werden können, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Steffen Bilger.

In einer Fraktionssitzung versprach Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz schließlich, es werde alles getan, um eine größtmögliche Zahl an Neubauprojekten zu ermöglichen. Das werde man nun in der schwarz-roten Koalition mit der SPD besprechen.

Kreative Suche nach Lösungen

Das Zauberwort lautet Flexibilisierung. "Im Moment macht die Struktur des Sondervermögens es noch nicht möglich, dass es voll zur Geltung kommt", so Verkehrsminister Schnieder zum Auftakt der Haushaltsberatungen im Bundestag. "Im parlamentarischen Verfahren werden wir uns jetzt gemeinsam um Lösungen und mehr Flexibilität bei den Verkehrsinvestitionen kümmern." Zunächst stünden Sanierung und Erhalt im Vordergrund. "In den nächsten Haushalten müssen wir unseren Blick dann auch auf einen verstärkten Neubau von Straßen und Schienenwegen richten."

Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) will mehr Geld Bild: Fabian Sommer/dpa/picture-alliance

Aus der SPD-Fraktion kommen dazu gemischte Signale. Der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Dirk Wiese, sagte, der Grundsatz "Erhalt vor Neubau" heiße natürlich nicht, dass sämtliche bereits geplanten Projekte jetzt nicht mehr umgesetzt würden. Es sei aber Aufgabe auch des Bundesverkehrsministers, für eine Priorisierung zu sorgen.

Bundesrechnungshof kritisiert die Regierung

Man kann davon ausgehen, dass die Debatte über neue Autobahnen und Fernstraßen nicht die einzige Kontroverse in den Haushaltsberatungen wird. Zumal der Bundesrechnungshof, der darüber wacht, wie der Staat mit dem Geld umgeht, größere Sparanstrengungen von der Regierung verlangt. Der Bund lebe über seine Verhältnisse, heißt es in einem Bericht zum Haushalt 2026. Wer plane, fast jeden dritten Euro "auf Pump" zu finanzieren, sei von einer soliden Finanzwirtschaft weit entfernt. Es bestehe die Gefahr einer Schuldenspirale.

Kanzler Merz bringt unterdessen eine Idee ins Spiel. "Öffentliche Investitionen allein könnten nicht leisten, was in Deutschland gebraucht werde und "nicht nachholen, was wir in den letzten Jahren versäumt haben an Investitionen auch in unsere Infrastruktur". Es gebe ein großes Interesse privater Investoren, in die deutsche Infrastruktur zu investieren. "Es können also auch Gemeinschaftsprojekte der öffentlichen Hand und privater Investoren sein. Wir planen mit dem Verkehrsministerium, größere PPP-Projekte (Public Private Partnership Anm. d. Red.) aufzusetzen."

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