Keine Regenbogenfahnen mehr in Bundestagsbüros
11. Juli 2025
Es ist nur ein kleiner, routinemäßiger Akt der Verwaltung des Bundestages, des deutschen Parlaments. Und in ruhigen Zeiten hätte die Anordnung wohl nur wenige Schlagzeilen produziert. Aber gerade ist im Bundestag wenig normal.
Die in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) hat ihren Stimmenanteil bei der Bundestagswahl im Februar mit nun 20,8 Prozent verdoppelt, die Debatten sind rauer und hitziger geworden. Und die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner von der konservativen CDU hat sich eine straffere Führung vorgenommen - und streitet schon seit Wochen vornehmlich mit Politikern der Opposition von Linken und Grünen. Meistens über den richtigen Stil im Parlament. Und über Symbole und die Frage, ob sie einen Platz im Bundestag haben.
Fahnen sind "grundsätzlich nicht gestattet"
Anfang der Woche erging eine Aufforderung der Verwaltung des Bundestages, die Klöckner untersteht, gleich an mehrere Abgeordnete. Sie sollten die in und an ihren Büros angebrachten Regenbogenfahnen (und ähnliche Symbole) sofort entfernen. Die Regenbogenfahne ist das Symbol der queeren Community weltweit. Zur Begründung hieß es, das Anbringen von Fahnen im Bundestag sei "grundsätzlich und unabhängig von der Symbolik" nicht gestattet. Ein Sprecher der Verwaltung ergänzte, es habe Hinweise von anderen Abgeordneten gegeben, dass in von außen einsehbaren Fenstern einiger Büros die Regenbogenfahnen deutlich zu sehen gewesen seien.
Tatsächlich heißt es in Paragraf 4 der Hausordnung des Bundestages: "Das Anbringen von Aushängen, insbesondere Plakaten, Schildern und Aufklebern an Türen, Wänden oder Fenstern in allgemein zugänglichen Gebäuden des Deutschen Bundestages sowie an Fenstern und Fassaden dieser Gebäude, die von außen sichtbar sind, ist nicht gestattet."
Soweit die offizielle Formulierung, nur hat sich in der Vergangenheit kaum jemand wirklich an kleineren Symbolen oder Fahnen gestört. Das ist jetzt anders. So berichtete die Abgeordnete der Linken, Stella Meredino, wegen ihrer Flagge sei sogar die im Bundestag zuständige Bundespolizei bei ihr vorstellig geworden.
Klöckner: eine sehr angriffslustige Konservative
Julia Klöckner gegen die queere Community: Das hat eine Vorgeschichte und macht den eher harmlosen Disput zu einer größeren Sache. Klöckner, frühere Bundeslandwirtschaftsministerin und seit Ende März neue Präsidentin des Bundestages, ist – vorsichtig ausgedrückt – eine streitbare Konservative.
Sie ist Inhaberin des nominell zweithöchsten Staatsamtes und soll möglichst unabhängig von Parteiinteressen die Sitzungen des Bundestages leiten und für sachliche und ruhige Debatten sorgen. Und sie repräsentiert das Parlament nach außen und damit alle Abgeordneten. Aber sie war früher oft auch für ihre provokanten Äußerungen gegen Grüne und Linke, auch gegen Positionen der Sozialdemokraten bekannt.
Keine Dach-Fahne - trotz 220.000 Unterschriften dafür
Und sie hat sich schon früh auf eine Auseinandersetzung mit Abgeordneten eingelassen, die der queeren Community nahestehen. Seit 2022 wehte am Christopher Street Day (kurz CSD) auf dem Reichstagsgebäude stets die Regenbogenfahne. In diesem Jahr nicht. Klöckner begründete ihr Nein mit Neutralitätsgründen.
Aufgezogen wird die Fahne auf dem Parlament stattdessen ab jetzt jeweils am 17. Mai, zum Internationalen Tag gegen Homophobie. Aber traditionell ist der CSD das wichtigste alljährliche Datum für die Community. Dieses Jahr fällt der CSD auf dem 26. Juli. Ohne Fahne auf dem Parlament. Klöckner ließ sich auch von einer Petition, die rund 220.000 Menschen unterschrieben hatten, nicht von ihrer Meinung abbringen.
Kaddor: "Ein bigottes Verständnis von Neutralität"
Kritiker werfen Klöckner vor, nicht zu erkennen, unter welchem Druck die queere Community, Schwule, Lesben und Transpersonen, gerade in diesen Zeiten stehen. So sagte die Grünen-Abgeordnete Lamya Kaddor der DW, Klöckner offenbare ein "bigottes Verständnis" von Neutralität: "In Zeiten, in denen queere Menschen und damit auch die offene Gesellschaft immer akuter von Angriffen und hasserfüllter Rhetorik bedroht werden, können wir uns eine solch formalistische Neutralität nicht leisten. Staatspolitische Verantwortung bedeutet, Freiheit und Würde aller Menschen zu schützen."
Schützenhilfe für die Präsidentin vom Bundeskanzler
Unterstützung erhielt Klöckner aber von höchster politischer Seite: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte in der bekannten ARD-Talkshow "Maischberger": "Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt", auf dem man beliebig Fahnen hisse. Es gebe einen Tag im Jahr, das sei der 17. Mai, der Tag gegen Homophobie, an dem die Regenbogenflagge gehisst werde.
Gleichwohl setzte sich der Kanzler am Mittwoch im Bundestag ausgesprochen deutlich für queere Menschen ein. Er sagte: "Wir tun alles, um Menschen, die queer sind, ein gutes und auch ein sicheres Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen." Und weiter: "Ich stehe auch persönlich dafür ein, dass das so ist und dass das auch besser wird." Anfeindungen gegen queere Menschen seien "keine Kavaliersdelikte und ungeeignet für billige Witzchen".
Klöckners Stellvertreter sprechen auf dem CSD
Wie Klöckner sind auch ihre Stellvertreter alle neu im Amt, eine von ihnen ist Josephine Ortleb von den Sozialdemokraten. Sie sagte im Gespräch mit der Wochenzeitung "Die Zeit", sie habe selbst früher eine Regenbogenfahne in ihrem Büro gehabt. Jetzt meinte sie: "Es darf nicht den Eindruck machen, queere Symbole würden unterdrückt."
Gemeinsam mit Omid Nouripour von den Grünen, einem weiteren Vizepräsidenten, wird Ortleb am 26. Juli auf dem CSD in Berlin sprechen. Dann werden auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundestages dabei sein. Einen eigenen Wagen auf der Parade wird es aber nicht geben, auch das ist anders als in den Jahren zuvor. Klöckner hat das untersagt.