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Keine süße Überraschung für Wagenknecht

Marcel Fürstenau, zurzeit Magdeburg28. Mai 2016

Beim Linken-Parteitag in Magdeburg bewerfen Aktivisten Fraktionschefin Wagenknecht mit einer Torte. Es ist nicht der erste Süßwarenangriff der Gruppe. Das letzte Opfer kam aber aus einer ganz anderen politischen Ecke.

Sahra Wagenknecht mit Torte im Gesicht (Foto: Picture alliance, dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

Die Attacke der antifaschistischen Initiative namens "Torten für Menschenfeinde" erfolgte während der Rede von Parteichef Bernd Riexinger. Die Anstifter zu dem Schokoladentortenwurf warfen Sahra Wagenknecht in einem Flugblatt vor, ebenso wie die rechtspopulistische AfD den "Volkszorn" in politische Forderungen zu übersetzen. Wagenknecht hatte in der Vergangenheit die Auffassung vertreten, Deutschland könne nicht alle Flüchtlinge aufnehmen, und damit auch in den eigenen Reihen für Kritik gesorgt.

Ende Februar war die AfD-Vizevorsitzende Beatrix von Storch in einer internen Parteisitzung in Kassel von Aktivisten der Gruppe mit einer Sahnetorte beworfen worden.

Polizei ist eingeschaltet

Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping sagte nach dem Tortenwurf in Magdeburg: "Das war ein Angriff auf uns alle." Die Linke sei mit Wagenknecht "geschlossen gegen Verstümmlung des Asylrechts". "Diese Haltung werden wir behalten, egal welche Torten hier durch den Raum fliegen", sagte Kipping. Wagenknechts Ko-Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch sagte: "Das ist nicht links, nicht antifaschistisch, das ist asozial." Nach dem Zwischenfall schaltete die Linkspartei die Polizei ein.

Dabei hätte alles so schön sein können auf dem Bundesparteitag der Linken, der am Samstag in Magdeburg begonnen hat und bis Sonntag dauern wird. Der Veranstaltungsort, die Messe, liegt mitten in einer blühenden Landschaft. Wo zu DDR-Zeiten sowjetische Panzer stationiert waren, entstand Ender 1990er Jahre ein farbenprächtiger Park für die Bundesgartenschau (BUGA). In dieser Idylle hätten die Linken gerne auf Erfolge bei den drei Landtagswahlen am 13. März zurückgeblickt. Doch die blieben komplett aus. Auch deshalb wird die Fehleranalyse an diesem Samstag und Sonntag viel Raum einnehmen.

In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz scheiterten die Genossen klar an der Fünf-Prozent-Sperrminorität. Noch mehr aber schmerzt sie das Ergebnis in ihrer einstigen Hochburg Sachsen-Anhalt. Dort landeten sie mit 16,3 Prozent weit hinter den Christdemokraten (29,8 Prozent) und der erstmals angetretenen Alternative für Deutschland (24,3 Prozent).

Kreativität vor der Niederlage: Wahlkampf der Linken in Rheinland-Pfalz 2016Bild: picture-alliance/dpa/F. Rumpenhorst

Dabei durfte die Linke noch vor einem Jahr davon träumen, dass ihr Spitzenkandidat Wulf Gallert künftig das westlich von Berlin gelegene Bundesland regieren würde. Wohl auch deshalb entschieden sich die Parteistrategen seinerzeit dafür, den Parteitag 2016 in Magdeburg zu veranstalten - der Hauptstadt Sachsen-Anhalts.

Als Protestpartei ausgedient

Dort hätte neben den Partei- und Bundestagsfraktionschefs Bodo Ramelow reden sollen; er musste krankheitsbedingt absagen. Der erste und einzige Ministerpräsident der Linken hätte über seine Erfahrungen mit Sozialdemokraten und Grünen in Thüringen berichten können. Die rot-rot-grüne Koalition regiert seit 2014. Das Bündnis kam zustande, als von der Flüchtlingskrise noch nichts zu ahnen war. Bei den März-Wahlen hingegen war sie das alles beherrschende Thema und sorgte für den kometenhaften Aufstieg der AfD. Daran haben die Sozialisten besonders zu knabbern: Die Rechtspopulisten haben sie als zweitstärkste Fraktion im Landtag abgelöst - mit Unterstützung vieler ihrer ehemaligen Wähler, die das Lager gewechselt haben.

Die Linke hat eine Funktion eingebüßt, von der sie lange profitierte: Auffangbecken für Protestwähler zu sein. Darunter waren vor allem enttäuschte SPD-Anhänger, die mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder nicht einverstanden waren. Mit der sogenannten Agenda 2010 handelte sich die SPD ein Glaubwürdigkeitsproblem ein, mit dem sie bis heute zu kämpfen hat: In aktuellen Umfragen werden ihr historische Tiefstwerte um die 20 Prozent bescheinigt.

Keine Mehrheit für Rot-Rot-Grün

Damit wird die von den Linken erhoffte Ablösung Angela Merkels nach der Bundestagswahl 2017 immer unwahrscheinlicher. Momentan sind Linke, SPD und Grüne weit von einer gemeinsamen Mehrheit entfernt, die sie 2013 noch hatten. Allerdings hatte keine der drei Parteien ernsthaft ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis auf Bundesebene in Erwägung gezogen. Daran dürfte sich kaum etwas geändert haben, obwohl die Sozialdemokraten sich unter dem Eindruck ihrer schlechten Wahlergebnisse wieder etwas nach links bewegen könnten.

Hätter einer der Hauptredner sein sollen: Deutschlands einziger roter Ministerpräsident Bodo RamelowBild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Sollte es der SPD gelingen, mit dem Thema soziale Gerechtigkeit Wähler von den Linken zurückzuholen, könnte das für die Sozialisten gefährlich werden. Denn ihre Basis in den bevölkerungsreichen westdeutschen Flächenländern ist nach wie vor sehr schmal. Ein Scheitern bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2017, wenige Monate vor der Bundestagswahl, wäre ein schlechtes Zeichen. Immerhin leben 18 Millionen Menschen zwischen Rhein und Ruhr - mehr als im gesamten Osten Deutschlands.

Vorstandsduo fest im Sattel

Bundesweit erzielt die Linke zur Zeit Umfragewerte zwischen sieben und acht Prozent - kein beruhigendes Polster. Die Parteispitze wird deshalb in Magdeburg alles versuchen, um ihren Genossen Mut zu machen. Bernd Riexinger, der sich den Vorsitz mit Katja Kipping teilt, gibt sich optimistisch. Es habe eine "gute, konstruktive Auseinandersetzung" mit den jüngsten Wahlergebnissen gegeben. Riexinger glaubt deshalb sogar an ein Signal der "Aufbruchstimmung", das der Parteitag aussenden werde.

Dafür soll auch ein vom Vorstandsduo stammendes Papier sorgen - Titel: "Revolution für soziale Gerechtigkeit und Demokratie". Dabei geht es primär um den Kampf gegen Rechts und gesellschaftliche Veränderungen durch Bündnisse mit außerparlamentarischen Gruppen.

Mit dieser Strategie wollen Riexinger und Kipping ihre Partei auf die im September stattfindenden Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin einstimmen. In beiden Bundesländern regieren seit 2011 Sozial- und Christdemokraten. Aber auch rot-rote Koalitionen hat es dort schon gegeben. Für eine Neuauflage dürfte es aber nicht einmal rechnerisch reichen.

Alte Zeiten: Die linken Spitzenkandidaten Gregor Gysi und Oskar Lafontaine am Bundestagswahlabend 2005Bild: picture-alliance/dpa/B. Settnik

Keine Sorgen müssen sich hingegen die Vorsitzenden über ihre eigene Wiederwahl auf dem Parteitag machen. Schließlich ist es den beiden seit ihrer ersten Wahl 2012 gelungen, die innerparteilichen Flügelkämpfe weitgehend zu beenden.

Gysi schwänzt den Parteitag der Linken

Für Unruhe sorgte kurz vor dem Parteitag einer, auf den die Linke trotz seines Rückzugs aus der ersten Reihe weder verzichten kann noch will: Gregor Gysi. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende im Bundestag attestierte seiner Partei in einem Interview, "saft- und kraftlos" zu sein. Er sei schockiert, "dass auch Arme, Abgehängte und Arbeitnehmer die AfD wählen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Außerdem vermittle die Linke auf Bundesebene den Eindruck, "nicht in die Regierung zu wollen". Mit seinen Vorwürfen hat Gysi zusätzlichen Gesprächsstoff für den Magdeburger Parteitag geliefert.

Der 68-Jährige scheint sich um sein politisches Lebenswerk zu sorgen. Er war es, der die frühere DDR-Staatspartei SED unter dem Namen Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 1989/90 erfolgreich ins vereinte Deutschland führte. Die PDS wiederum vereinigte sich 2007 mit der westdeutschen Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) zur neuen Linken.

Neun Jahre später steckt die in einer unerwarteten Zwickmühle: eingeklemmt zwischen SPD und AfD. Wie sie sich aus dieser ungemütlichen Lage befreien will, darüber werden neben den Parteichefs auch Gysis Nachfolger im Fraktionsvorsitz des Bundestags sprechen: Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht. Gysi ist gar nicht erst nach Magdeburg gekommen.

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