Deutsche Firmen und Hongkongs Proteste
23. August 2019Seit rund zwei Monaten demonstrieren die Menschen in Hongkong für ihre demokratischen Rechte. Es sind die umfangreichsten Proteste seit den Demonstrationen auf dem Pekinger Tiananmen-Platz, die vor dreißig Jahren blutig niedergeschlagen wurden.
Vertreter der deutschen Wirtschaft tun sich derzeit schwer damit, zu den Protesten Stellung zu nehmen. Der Asien-Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft lehnt ein Interview mit Verweis auf Termingründe ab. Und beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) steht die Antwort schon fest, bevor überhaupt die erste Frage gestellt wurde: Ein Interview sei derzeit leider nicht möglich, stattdessen verweist man auf ein vorbereitetes Statement.
"Die deutsche Industrie schätzt Hongkong seit vielen Jahrzehnten als einen Standort in der Tradition des Westens", so BDI-Präsident Dieter Kempf. "Freie Meinungsäußerung, Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit im Rahmen des für die Sonderverwaltungszone vereinbarten 'Basic Law' gelten in unseren Unternehmen als besondere Stärken des Standorts Hongkong."
"Friedliche Lösung"
Aus Sicht des BDI ist das ein klares Bekenntnis zu demokratischen Rechten, gefolgt von einem Appell gegen Gewalt: "Wir vertrauen darauf, dass die Beteiligten alles dafür tun, eine friedliche Lösung des Konflikts zu ermöglichen und für Hongkong den Status quo zu bewahren", so Kempf weiter.
Ist diese Position zu schwammig? Nicht deutlich genug? Ist das "Das Schweigen der deutschen Wirtschaft", von dem das Handelsblatt spricht?
Das hängt davon ab, was man erwartet. Traditionell setzen deutsche Firmen und auch Regierungsvertreter auf das Prinzip "Wandel durch Handel", wenn es um die Wirtschaftsbeziehungen zu Ländern geht, in denen es weder Demokratie noch Menschenrechte nach westlichem Vorbild gibt. Im Kern heißt das oft: Man will den Handelspartner nicht brüskieren, die Geschäfte gehen vor.
Demonstranten droht Kündigung
Seit Beginn der Proteste sind die Hongkonger Polizei und teilweise auch bezahlte Schläger gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen. Umgekehrt werden Demonstranten in chinesischen Medien als gewalttätiger Mob dargestellt. Als Drohkulisse ließ China auch schon Militärübungen an der Grenze zu Hongkong abhalten.
Einige Firmen versuchen, mutmaßlich auf Druck von Peking, ihre Mitarbeiter davon abzuhalten, sich an den Protesten zu beteiligen. So hat die Hongkonger Fluggesellschaft Cathay Pacific, an der China beteiligt ist, deswegen schon Mitarbeiter entlassen und weiteren mit Kündigung gedroht.
Deutsche Firmen tun dies nach eigenen Angaben nicht. "Wir haben unseren Mitarbeitern keine spezifischen Empfehlungen gegeben, was ihre persönliche Teilnahme an den Protesten in Hongkong angeht", teilt BASF Hongkong der DW auf Anfrage mit.
Keine Vorgaben für Mitarbeiter
Das gelte auch für andere deutsche Firmen in Hongkong, sagt Wolfgang Niedermark, Geschäftsführer der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Hongkong. "Wir sind hier Gäste", so Niedermark zur DW. "Keine Firma macht ihren Mitarbeitern Vorgaben, ob sie demonstrieren oder nicht demonstrieren sollen."
Ihm sei auch kein Fall bekannt, dass sich eine deutsche Firma darüber beklagt hätte, von China unter Druck gesetzt worden zu sein, so Niedermark weiter. Die AHK Hongkong hat rund 450 Mitglieder und schätzt die Gesamtzahl deutscher Firmen in Hongkong auf gut 600.
Nicht alle können auf eine so lange Geschichte zurückblicken wie der Chemiekonzern BASF, dessen Zentrale für die Region Ostasien in Hongkong ist. Die Geschäftsbeziehungen reichen zurück bis in die 1880er Jahre. Damals war Hongkong bereits britische Kronkolonie. 1898 wurde die chinesische Regierung dann gezwungen, die so genannten New Territories um Hongkong herum für 99 Jahre an Großbritannien zu verpachten.
"Wir verfolgen das Geschehen in Hongkong genau", so eine Firmensprecherin zur DW. "Unsere Hauptsorge gilt der Sicherheit unserer Mitarbeiter und ihrer Familien." Sollte der Weg zum Arbeitsplatz wegen der Proteste nicht möglich sein, hätten alle Mitarbeiter die Möglichkeit, flexibel oder von zu Hause aus zu arbeiten.