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Keine Zahlen zu Flüchtlingen und Jobs

Andreas Becker12. Februar 2016

Flüchtlinge sollen möglichst schnell Arbeit finden, heißt es. Doch es gibt keine Zahlen darüber, wer sucht und wer dabei erfolgreich war. Das wird sich auch so bald nicht ändern.

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Bild: picture-alliance/dpa/H.Schmidt

Seit Beginn der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 haben Politiker, Unternehmer und Verbände immer wieder betont, wie wichtig es ist, die Zuwanderer möglichst schnell in Arbeit zu bringen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sprach sich sogar dafür aus, Flüchtlinge auch für weniger als den Mindestlohn zu beschäftigen, um ihnen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Doch wirklich belastbare Daten über die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt gibt es bisher nicht. Auch zu Qualifikation und Arbeitsfähigkeit existieren allenfalls Schätzungen. Sicher, es gibt Initiativen wie wir-zusammen.de. 36 namhafte deutsche Unternehmen, darunter Adidas, Opel, Lufthansa, die Deutsche Bank, Siemens, VW oder Bosch, stellen dabei eigene Projekte vor. Dazu gehören Mentorenprogramme, Lernpartnerschaften und Praktika.

Bürokratische Hürden

Schon vor dieser Initiative hatten der Autobauer Daimler und die Deutsche Bahn angekündigt, Flüchtlingen beim Eintritt in den Arbeitsmarkt helfen zu wollen. Bei Daimler haben im vergangenen November 40 Asylbewerber ein Praktikum begonnen, mehrere Hundert sollen in diesem Jahr folgen, so der Konzern. Die Deutsche Bahn wollte berufserfahrene Flüchtlingen nicht nur Praktika anbieten, sondern sie zu Facharbeitern ausbilden.

Beide Unternehmen berichten laut "Spiegel Online" von großen bürokratischen Hürden bei den nötigen Papieren, vor allem die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Allein die Abstimmung mit den Behörden und der Bundesagentur für Arbeit habe mehrere Monate in Anspruch genommen, sagte ein Bahn-Sprecher der Nachrichtenseite.

Fragt man bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach Zahlen, wie viele Flüchtlinge dem Arbeitsmarkt überhaupt zu Verfügung stehen, erfährt man, dass es dazu noch keine Zahlen gibt. Bis zum Herbst 2015 habe es für die BA keinen Anlass gegeben, "das Merkmal 'geflüchteter Mensch' in unsere Datenabfrage aufzunehmen", sagt BA-Sprecherin Susanne Eikemeier. "Für meine Kolleginnen und Kollegen in den Dienststellen gab es überhaupt keine Möglichkeit, im Computersystem anzuklicken, ob es sich um einen Flüchtling handelt."

Arbeitsagentur: noch keine Zahlen zu FlüchtlingenBild: picture-alliance/dpa

Nur ein Klick

Im Herbst habe die Arbeitsagentur begonnen, ihre Computersysteme umzustellen. Nun könne man zwar erfassen, wer ein Flüchtling ist. Doch inzwischen ist ein Überhang entstanden, der erst einmal abgearbeitet werden muss.

"Dieser Prozess dauert während des laufenden Geschäfts einfach ein paar Monate", sagt Eikemeier im DW-Gespräch. "Ich denke, wir werden im Sommer soweit sein, verlässliche Angaben zu Flüchtlingen und Asylbewerbern über unsere Statistik auswerten zu können."

Doch selbst dann wird das Bild kaum klarer werden. Das liegt auch an der föderalen Struktur der Flüchtlingsbetreuung in Deutschland. Zunächst einmal sind die Städte und Kommunen zuständig. Sie sorgen für eine Unterkunft und zahlen Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Erst wenn über den Asylantrag eines arbeitsfähigen Flüchtlings positiv entschieden wurde, ist die Arbeitsagentur zuständig. "Erst ab diesem Moment wird der geflüchtete Mensch zum Hartz-IV-Kunden", sagt Eikemeier. Hartz-IV bezeichnet umgangssprachlich Sozialleistungen, die in Deutschland allen zustehen, die weder über Arbeit noch eigene Mittel verfügen.

Die Bearbeitung der Asylanträge kann jedoch dauern. Anfang Februar stapelten sich beim dafür zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch 770.000 offene Anträge.

Solidargedanke

Wenn ein anerkannter Flüchtling tatsächlich eine sozialversicherungspflichtige Arbeitsstelle findet, verlässt er die Statistik der Arbeitsagentur wieder und taucht als Arbeitnehmer in den Zahlen der Krankenversicherungen auf.

Doch die gesetzlichen Krankenversicherungen erfassen nicht, wer von ihren Versicherten ein Flüchtling ist. Es sei auch nicht geplant, das zu ändern, teilt der Spitzenverband Gesetzlicher Krankenkassen (GKV) auf Anfrage der DW mit.

Zur Begründung weist Sprecherin Ann Marini auf einen Punkt hin, der in der Diskussion um eine bessere Datenlage leicht übersehen wird. Das Prinzip der gesetzlichen Krankenkassen ist das einer Solidargemeinschaft, bei der die Gemeinschaft für die Kranken zahlt. Unter den Versicherten eine Kategorie "Flüchtling" einzuführen, widerspreche diesem Prinzip.

Hinzu kommt, dass so eine Entwicklung begonnen würde, die nicht nur für Datenschützer ein Horror wäre: Sonderkategorien für Menschen, die etwa dicker sind, mehr rauchen oder mehr Bier trinken als der Durchschnitt. Sind diese Daten erst einmal gesammelt, werden sie auch genutzt - um zu belegen, dass bestimmte Gruppen von Menschen "zu teuer" sind.

Kein Sprint, sondern ein Marathon

Dass die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt viel Zeit braucht, hat die Bundesagentur für Arbeit in ihrem inzwischen beendeten Modellprojekt "Early Intervention" festgestellt.

Seit Anfang 2014 kümmerte sich die Agentur um 1352 Flüchtlinge, noch bevor deren Asylanträge bearbeitet waren. Innerhalb von zwei Jahren fanden 67 Personen eine reguläre Arbeit, 27 einen Ausbildungsplatz, acht einen Minijob und 35 ein Praktikum.

Fehlende Sprachkenntnisse seien das größte Hindernis, so die Arbeitsagentur, frühestens nach 15 Monaten seien die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vermittlung geschaffen. "Es ist kein Sprint, geflüchtete Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Es ist eher ein Langlauf oder ein Marathon", sagt BA-Sprecherin Eikemeier. "Wir sollten unsere Erwartungen nicht zu hoch ansetzen und realistisch bleiben."

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