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Einigung in Brüsel wird begrüsst

Wolfgang Dick13. Juli 2015

Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone haben sich mit Griechenlands Premier Tsipras auf ein Reformprogramm geeinigt. Athanassios Kelemis von der deutsch-griechischen Handelskammer begrüßt im Prinzip das Ergebnis.

EU-Flaggen (Foto: DW/A. Rönsberg)
Bild: DW/A. Rönsberg

Deutsche Welle: Herr Kelemis, wie bewerten Sie die Tatsache, dass eine Einigung gefunden wurde ?

Athanassios Kelemis: Ich und die gesamte griechische Wirtschaft bewerten diese Einigung sehr positiv. Wir wissen noch nicht, wie die Details aussehen. Das ist aber bei vielen Griechen und sehr vielen Unternehmern erst mal sekundär. Da kann man sich immer noch mit den Einzelheiten auseinandersetzen. Wichtig ist, dass es zu dieser Einigung gekommen ist. Es ist wichtig, dass ein starker Euro da ist und dass das auch aufrecht erhalten bleibt. Das benötigt natürlich solide Staatsfinanzen. Griechenland hat leider in der Vergangenheit nicht Schritt gehalten mit den vereinbarten Reformen. Das Land hat all die Reformen einfach in den letzten fünf Jahren nicht umgesetzt.

Waren viele Reformvorhaben vielleicht unmöglich, weil sie die Griechen objektiv überforderten?

Unmöglich, ja, wenn man bedenkt, dass dieser Staat sehr stark einer Klientelpolitik unterworfen war und dies noch teilweise ist. Da waren noch sehr intensive Einzelinteressen bei sehr vielen Wirtschaftsgruppen vorhanden.

Welche Hoffnung haben Sie, dass sich das jetzt ändert ?

Wir haben jetzt in Griechenland eine andere Regierung, die nicht belastet ist. Sie kommt aus einer Ecke, die die schwere Historie und die schwere Pflicht jetzt auf sich genommen hat, mit dem griechischen Staat aufzuräumen und die interessengesteuerten Strukturen aufzubrechen. Die griechische Gesellschaft ist auch ein Stückchen reifer geworden und hat verstanden, was alles auf dem Spiel steht: Die ganze europäische Perspektive des Landes. Die verschiedenen Interessengruppen haben auch begriffen, dass sie dieses Spiel, das sie hier über Jahrzehnte betrieben haben, nicht mehr spielen können.

Athanassios Kelemis: "Die Interessengruppen haben eingesehen, dass es so nicht mehr weitergehen kann."Bild: DW/Bernd Riegert

Das aktuelle Reformpaket liest sich nicht sehr viel anders, als das, was vor zwei Wochen abgelehnt wurde. Warum glauben Sie, dass dies nun tatsächlich umgesetzt wird?

Glaubt man den Regierungsvertretern und Vertretern der Oppositionsparteien, dann sind wohl noch einige qualitative Verbesserungen in das Papier aufgenommen worden. Es gibt wohl etliche Unterschiede zu der Version, die man abgelehnt hatte.

Lange umstritten war die Forderung an die griechische Regierung, Staatseigentum zu privatisieren. Kann die Rechnung aufgehen, dass reiche Investoren aus griechischem Staatseigentum langfristig mehr Geld machen und mehr Arbeitsplätze schaffen als Griechenland es selbst vermag?

Das ist ein Ansatz, der meiner Meinung nach schon in Ordnung ist. Natürlich: Wäre Griechenland nicht in der europäischen Union, nicht in der Eurozone, hätten zum Beispiel die Chinesen kein Interesse für das Land, konkret: am Hafen von Piräus. Das ist allen klar.

Nur, im Moment ist es ein schlechter Zeitpunkt, um Staatseigentum zu veräußern. Ob das jetzt Grundstücke sind oder Geschäftsanteile von Unternehmen – man muss den Zeitpunkt abwarten, wo die Preise wieder nach oben gehen, wo wieder Sicherheit ins Land zurückgekehrt ist, wo Wachstumsperspektiven da sind.

Im Visier der Chinesen: Athens Hafen PiräusBild: Reuters/A. Konstantinidis

Die jetzt gefundene Einigung beinhaltet auch einen späteren Renteneintritt als bisher – kann das ein griechischer Olivenbauer, der hart arbeitet, überhaupt mitgehen?

Viele Bauern arbeiten heute schon viel länger. Aber wichtig im Sinne der Konsolidierung der europäischen Systeme ist, eine einheitliche Renten-Lösung zu haben. Was wir in Griechenland in der Vergangenheit hatten, waren sehr viele Ausnahmen für das Renteneintrittsalter. Da hat es Menschen gegeben– vorwiegend Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und im Militärbereich – die mit 40 oder 44 Jahren in Rente gegangen sind. Das hat die Rentenkasse sehr stark belastet. Da ist zwar schon vieles abgeschafft worden, es gibt aber immer noch einige Ausnahmen. Die müsste man nochmals überprüfen und dann für einige Berufsgruppen eine Übergangszeit lassen.

Wichtig ist aber, dass man die Rentenkassen auf eine nachhaltige Basis hebt. Im Moment ist das System nicht finanzierbar. Hinzu kommt ja auch noch das demographische Problem, das wir alle in Europa haben, und da platzt das Ganze aus allen Nähten. Wichtig ist daher das spätere Renteneintrittsalter mit 67.

Wie viele der jetzt von den europäischen Institutionen aufgestellten Forderungen an die griechische Politik halten Sie tatsächlich für umsetzbar und was überfordert die Griechen?

Ich denke, alles, was die europäischen Partner von Griechenland fordern, hätte vor mehreren Jahren schon stattfinden müssen. Es ist nicht zu spät, aber man muss jetzt sehr schnell all diese Reformen einleiten. Es darf keine Zeit verloren gehen. Nur ein kleines Beispiel dazu: Die Lohnstückkosten für Unternehmen wurden um 19 Prozent gesenkt. Dieser Vorteil für die Firmen verpuffte, weil wichtige andere Reformen ausgeblieben sind.

Reformen halte ich für absolut notwendig. Griechenland braucht moderne Wirtschaftstrukturen. Wir haben einen äußerst ineffizienten Staatsapparat. Der muss wirklich auf Vordermann gebracht werden. Der muss den Unternehmen und den Bürgern des Landes dienen.

Kelemis: Nein auch zum zeitweisen "Grexit"Bild: picture-alliance/dpa/S. Baltagiannis

Die Einigung muss jetzt noch durch das griechische Parlament. Für den Fall, dass es dort noch scheitert und es doch noch zu einem "Grexit", einem Euro-Ausstieg kommen sollte – was halten Sie von dem Vorschlag des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble, einen Euro-Ausstieg auf Zeit zu vereinbaren ?

Ich halte davon wenig. Das wäre ein "sanfter Ausstieg" Griechenlands aus dem Euro. Wenn Sie einmal einen Club verlassen und dann wieder versuchen einzusteigen, dann ist vermutlich in der Zwischenzeit das Türschloss gewechselt worden. Dann kommen Sie nicht mehr rein. Hinzu kommt die Problematik des Alltags. Fünf Jahre ohne Euro wird das Tempo in Griechenland beeinflussen. Es wird nachlassen und der Druck wird nicht mehr da sein. Es wird große Verwirrung bei der Wirtschaft, insbesondere bei den Investoren, geben. Entweder sagen alle in Europa, Griechenland muss aus dem Euro-Raum raus oder man geht den steinigen Weg.

Professor Athanassios Kelemis (Jahrgang 1959) ist Geschäftsführer der Deutsch-griechischen Industrie- und Handelskammer in Athen, die Kontakte zwischen Unternehmen in Griechenland und Deutschland knüpft. Kelemis wurde in Griechenland geboren und hat lange Zeit in Deutschland gelebt. Er studierte Informatik in Berlin, war Manager in verschiedenen IT- und Logistikunternehmen und lehrte an der Fachhochschule Thessaloniki im Fach Logistik.

Das Gespräch führte Wolfgang Dick.

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