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Saro-Wiwa: Erhobenen Hauptes zum Galgen

Birgit Morgenrath / Gwendolin Hilse9. November 2015

Der nigerianische Schriftsteller Ken Saro-Wiwa kämpfte für die Rechte des Ogoni-Volkes und kritisierte Militärdiktatur und Ölmultis. Das wurde ihm zum Verhängnis: Er wurde zum Tode verurteilt und vor 20 Jahren erhängt.

Ken Saro-Wiwa (Foto: (dpa 0532 COLORplus)
Bild: picture-alliance/dpa

"Lebend bin ich ein Symbol des Widerstandes. Tot werde ich zum Märtyrer und damit noch gefährlicher", schrieb der nigerianische Schriftsteller, TV-Produzent und Aktivist Ken Saro-Wiwa in einem seiner letzten Briefe aus dem Gefängnis in Port Harcourt. Am 10. November 1995 wurden er und acht seiner Mitstreiter, die "Ogoni-Nine", gehängt. Saro-Wiwa war 54 Jahre alt. Augenzeugen berichten, er sei erhobenen Hauptes und die Hymne des Ogoni-Vokes auf den Lippen zum Galgen geschritten.

Der körperlich kleine Mann - Saro-Wiwa war nur knapp über einen Meter fünfzig groß - war der Militärregierung unter Sani Abacha schon viele Jahre ein Dorn im Auge gewesen. Denn Ken Saro-Wiwa hatte sein Leben dem Kampf für die Rechte der Ogoni gewidmet. Das ca. 500.000 Menschen umfassende Ogoni-Volk ist eine ethnische Minderheit in Nigeria und lebt im ölreichen Niger-Delta. Die Ölkonzerne hätten das ehemalige Paradies, das fruchtbare Land der Ogoni, seit 1958 in eine schwarze Mondlandschaft verwandelt, so Saro-Wiwa. Die rücksichtlose Rohstoff-Ausbeutung und Öl, das aus verrotteten Pipelines und Förderanlagen in Boden und Wasser sickert, treibe Bauern und Fischer in die Armut und Krankheit. An der Spitze der "Bewegung für das Überleben des Ogoni-Volkes" (MOSOP) hatte Saro-Wiwa den "ökologischen Krieg der Ölmultis", vor allem Shell, angeprangert.

Saro-Wiwa nannte Ogoniland nach der Ölverschmutzung "eine schwarze Mondlandschaft"Bild: DW/M. Bello

Friedliche Proteste gewaltsam niedergeschlagen

In ihren Protesten forderte die MOSOP, die geschädigten Gebiete zu sanieren, die Bevölkerung an den Gewinnen aus den Öleinnahmen zu beteiligen und Autonomie für das Ogoni-Volk. Dabei setzte die Organisation auf das Prinzip des passiven Widerstandes: "Ich warne das Volk der Ogoni: Wir werden nicht mit Macheten kämpfen, unser Kampf gründet sich auf Verstand und Frieden. Es soll kein Blut vergossen werden", verkündete Saro-Wiwa in einer seiner letzten Ansprachen. "Die Welt hat gesehen, wie sich die Ogoni aufgelehnt haben. Sie hat gesehen, dass die Regierung uns betrügt und Shell uns vernichtet." 1994 erhielt Saro-Wiwa den Alternativen Nobelpreis.

Als am 4. Januar 1993 - dem sogenannten Ogoni-Tag - 300.000 Menschen demonstrierten, antwortete das Militärregime mit brutaler Gewalt und besetzte das Ogoni-Gebiet. 13 Jahre später tauchte die Stellungnahme eines Majors auf. Die Niederschlagung des Aufstandes sei auch im Interesse der Ölfirmen gewesen, geht daraus hervor. Immer wieder kam es seit den Ereignissen vom 4. Januar 1993 zu Widerständen von Seiten der Ogoni - erste Jugendgruppen radikalisierten sich und es kam zu Ausschreitungen. Shell musste die Produktion im Ogoni-Gebiet 1993 vollständig einstellen, um die Sicherheit des Personals zu gewährleisten. Ölleitungen, auch von Shell, führen weiter durch das Gebiet.

Internationale Proteste gegen Todesurteil und Hinrichtung

Saro-Wiwa wurde mehrfach vom nigerianischen Militär verhaftet und monatelang ohne Prozess festgehalten. Im Mai 1994 wurde er, gemeinsam mit acht weiteren MOSOP-Mitgliedern, ein weiteres Mal verhaftet. In einem von der Regierung ernannten Militärtribunal wurden sie in einem Schauprozess wegen angeblicher Anstiftung zum Mord an vier Ogoni-Ältesten zum Tode verurteilt. Die letzten 18 Monate seines Lebens verbrachte der Schriftsteller und Aktivist im Gefängnis, wo er unter anderem sein Buch "Flammen der Hölle. Nigeria und Shell: Der schmutzige Krieg gegen die Ogoni" schrieb.

Trotz heftiger internationaler Proteste und stiller Diplomatie internationaler Organisationen wurde das Urteil vollstreckt. Nigeria wurde daraufhin für vier Jahre aus dem Commonwealth of Nations ausgeschlossen. Ein Ölembargo der europäischen Staaten und der USA blieb jedoch aus.

Fischen ist im Niger-Delta kaum mehr möglichBild: picture-alliance/dpa/EPA/Marten Van Dijl

Trägt Shell Mitschuld am Tod Saro-Wiwas?

Ken Saro-Wiwas Bruder Owens traf in der Zeit des Prozesses den damaligen nigerianischen Shell-Chef Brian Anderson. "Ich fragte ihn nach meinem Bruder und den anderen Gefangenen und er sagte, es sei schwierig, wenn nicht unmöglich, sie frei zu bekommen. Es brauche etwas guten Willen der MOSOP." Als Owens fragte, was dies bedeutete, sagte Anderson, MOSOP solle die internationale Shell-Kampgange abbrechen.

Kritiker werfen deshalb Shell eine Mitschuld am Tod Saro-Wiwas und seiner acht Mitstreiter vor. Erst 15 Jahre nach der Hinrichtung verglich sich der Mineralkonzern mit den Hinterbliebenen von Ken Saro-Wiwa und den "Ogoni-Acht": 15,5 Millionen US-Dollar zahlte der Konzern, um so einer Klage wegen Menschenrechtsverletzungen zu entgehen.

Ogoniland ist abgebrannt

Die Lage in der Heimat des Aktivisten hat sich seitdem kaum verbessert - das müsste Ken Saro-Wiwa schmerzhaft erkennen, wäre er heute noch am Leben, so der nigerianische Intellektuelle und Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka. Bis heute gilt Ogoniland als eine der am schlimmsten verpesteten Regionen der Welt - laut Umweltorganisationen sind in den letzten 50 Jahren mehr als zwei Milliarden Liter Rohöl in das empfindliche Ökosystem des Niger-Deltas geflossen. Die Vereinten Nationen schätzen, dass es mindestens 30 Jahre dauern wird, die entstandenen Umweltschäden zu beseitigen.

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