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Wem gehört das Öl unterm Meer?

Friederike Müller-Jung19. September 2016

Seit Jahren streiten Kenia und Somalia darüber, wo ihre Seegrenze im Indischen Ozean verläuft. Jetzt könnte der Internationale Gerichthof in Den Haag entscheiden. Doch das gefällt nur einer der beiden Parteien.

Strand bei Robinson Island in Kenia
Bild: cc by Luca Boldrini 2.0

Ein schmales Dreieck vor der afrikanischen Küste im Indischen Ozean, etwa 100.000 Quadratkilometer groß - das ist der Streitpunkt zwischen den Nachbarländern Kenia und Somalia. Beide wollen das Gebiet für sich, denn dort lagert wertvolles Gas und Öl. Welchem der beiden Länder es zusteht, ist nicht geklärt. "Die Lage der Grenze ist eine Grauzone", sagt Timothy Walter, der am Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Südafrika maritime Grenzkonflikte in Afrika erforscht.

Für Kenia ist der Grenzverlauf dagegen ganz klar: in einer horizontalen Linie, parallel zum Breitengrad. Das Land hat so den größeren Anteil am begehrten Meeresteil - und hat bereits Abbaulizenzen für die Rohstoffe dort an internationale Firmen verkauft.

Damit ist Somalia nicht einverstanden. Der Staat fordert, die Grenze müsse in südöstlicher Richtung als Verlängerung der Landgrenze verlaufen. 2009 hatten beide Länder vereinbart, dass die zuständige Kommission der Vereinten Nationen bei weiteren Verhandlungen vermitteln soll, um die Grenze endgültig festzulegen. Und dass beide Seiten weiter gemeinsam nach einer Lösung suchen - also wenn möglich darauf verzichten, den Fall vor ein Gericht zu bringen.

Somalia klagt, Kenia protestiert

Das scheint nicht funktioniert zu haben - zumindest aus Sicht Somalias. 2014 hat der Staat Klage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingereicht. Der Weg zu diesem Gerichtshof - einem Organ der Vereinten Nationen - stellt einer der Möglichkeiten dar, Grenzkonflikte in Seegebieten zu lösen, wenn zum Beispiel bilaterale oder regionale Verhandlungen nicht fruchten. Genau das sei passiert, schreibt die somalische Regierung in ihrer Klage: "Die Parteien haben sich zahlreiche Male getroffen, um sich darüber auszutauschen, wie der Disput beigelegt werden kann. Keines dieser Treffen hat einen Fortschritt in Richtung einer Einigung gebracht." Somalia galt lange als gescheiterter Staat ohne funktionierende Regierung. Erst seit 2012 hat das Land wieder einen gewählten Präsidenten - und scheint nun darauf bedacht, seine Hoheitsrechte auch im Indischen Ozean zu sichern.

Die Forderung Somalias: Der Internationale Gerichtshof solle die Grenze so festlegen, wie es die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen und internationales Seerecht vorsehen. Demnach soll in Zweifelsfällen eine vorläufige Grenze in einer von beiden Küsten gleichweit entfernten Linie gezogen werden, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen. Ein Testlauf soll dann zeigen, ob diese Grenze beiden Staaten gleichermaßen gerecht wird, oder ob sie einen begünstigt oder benachteiligt.

Kenianische Soldaten unterstützen Somalia im Kampf gegen die Terrormiliz Al-ShabaabBild: picture alliance/AP Photo/B. Curtis

Kenias Regierung hingegen hält am von ihr bevorzugten Grenzverlauf fest. Seit fast 100 Jahren werde diese horizontale Linie als Grenze angesehen und verwendet, schreibt sie in einer Stellungnahme. Weil sich Kenia und Somalia darauf verständigt hatten, den Disput außergerichtlich zu lösen, hat Kenia gegen das Verfahren vor dem Gerichtshof bereits 2015 Widerspruch eingelegt. Von diesem Montag an will das Gericht nun beide Seiten anhören - und dann entscheiden, ob es ein Verfahren eröffnen wird.

"Einer gewinnt, einer verliert"

Wenn es tatsächlich zu einem Prozess kommt, wird der Grenzverlauf endgültig festgelegt. Denn die Urteile des Gerichtshofs sind bindend, Berufungsverfahren sind nicht vorgesehen. "Dann heißt es: Einer gewinnt, einer verliert", sagt ISS-Experte Walker. Ein Gerichtsverfahren sei für beide Staaten ein hohes Risiko. "Die von Kenia beanspruchte Grenze würde sich dramatisch verschieben, sollte der Gerichtshof zu Gunsten Somalias entscheiden." In der Folge könnte es zu einem Konflikt um die Seegrenze mit Kenias südlichem Nachbarn Tansania kommen, der sich in einer Art Kettenreaktion auch auf Mozambik, Madagaskar und Südafrika auswirken könnte, sagt Walker.

Natürlich ist auch ein Kompromiss denkbar - theoretisch: "Die Staaten könnten sich das Gebiet und den Abbau der Rohstoffe teilen", sagt Walker. In Westafrika gebe es dafür ein sehr erfolgreiches Beispiel: Nigeria und die Inselgruppe Sao Tomé und Principé haben sich hier für die Ölförderung zusammengetan. Doch für Somalia und Kenia sieht Walker dafür zurzeit keine Chance: "Beide Staaten wollen keine Kompromisse eingehen, was ihre eigenen Hoheitsrechte angeht. Das kann sich natürlich noch ändern, aber im Moment sieht es nach einer Entweder-Oder-Entscheidung aus." Die könnte im Laufe des kommenden Jahres gefällt werden, schätzt Walker.

Ein somalischer Soldat am Strand der Hauptstadt MogadischuBild: Getty Images/AFP/M. Abdiwahab

"See-Blindheit" ist zu Ende

Insgesamt beobachten Experten wie Walker ein wachsendes Interesse von Staaten an festgelegten Seegrenzen, gerade in Afrika. Walker nennt es das "Ende der See-Blindheit": "Historisch lag der Fokus hier häufig auf dem, was an Land geschah. Viele afrikanische Staaten haben gar keine nennenswerte Küstenwache oder Marine." Doch das ändere sich: Rohstoffe vom Meeresgrund seien dank besserer Technologien leichter zugänglich und den Staaten werde immer stärker bewusst, wie wichtig sichere Küsten für Zugang zum weltweiten Handel seien - und dass sie dafür klar festgelegte Grenzen brauchten, sagt Walker.

Im Westen des Kontinentes tragen Ghana und Côte d'Ivoire gerade einen ähnlichen Konflikt aus: Es geht um die Grenze im Atlantik. Die beiden Staaten warten zurzeit auf die Entscheidung des Internationalen Tribunals für Seerecht - eine Alternative zum Internationalen Gerichtshof, an das sich Staaten mit Grenzdisputen wenden können. Auch die ostafrikanischen Nachbarn Malawi und Tansania streiten, allerdings um ein Binnengewässer: Der Malawi-See grenzt an Tansania und birgt Ölvorkommen. Doch die Grenze aus der Kolonialzeit endet für Tansania am Ufer des Sees. Nicht nur diese Staaten werden genau hinschauen, wie es im Streit zwischen Kenia und Somalia weitergeht.

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