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Politik

EuGH-Urteil zu Siedlerprodukten

Catherine Martens
12. November 2019

Verbraucher müssen wissen, wo ein Produkt ursprünglich herkommt, so der EuGH. Vor allem, wenn sie aus Gebieten stammen, die illegal besetzt sind. Dies gilt auch für alle Produkte aus den israelischen Siedlungen.

Weinanbau West Bank Siedler Israel
Bild: picture-alliance/dpa/D. Hill

Yossa besitzt einen Weinladen mitten im jüdischen Viertel Antwerpens. Hier stehen mehrere Flaschen Psagot-Wein im Regal - benannt nach einer jüdischen Siedlung im Westjordanland. Kunden können auch Rotwein aus einer Kellerei auf den Golanhöhen bestellen. "Hier in der Kosher-Winery läuft das Geschäft gut" so der Weinhändler. Dass die Weine in seinem Regal zum Teil aus Gebieten stammen, die von Israel besetzt sind, ist für die meisten seiner Kunden kein Thema. Für viele andere europäische Verbraucher aber möglicherweise schon. In deren Sinne hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg nun ein Urteil gefällt: Künftig müssen EU-Staaten sämtliche Produkte, die aus den von Israel besetzten Gebieten stammen, explizit als solche kennzeichnen. Stammt ein Produkt nicht aus Israel, sondern aus den von Israel besetzten Gebieten, muss das deutlich gemacht werden. Hiermit bestätigt der EUGH eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2015,wonach die EU-Kommission den Mitgliedstaaten empfiehlt, Produkte aus israelisch besetzten Gebieten als solche klar zu kennzeichnen. Verpflichtend war diese Richtlinie bislang nicht. Das ist nun anders.

Ein Urteil für "mündige Verbraucher"

Hintergrund der Klage ist ein Rechtsstreit in Frankreich. Im Rahmen der EU-Verordnung hatte Frankreich 2016 erlassen, dass der genaue Ursprungsort nachvollziehbar sein müsse. Demnach verlangte Frankreich bereits vor drei Jahren eine unmissverständliche Herkunftsangabe auf den Lebensmitteletiketten wie etwa "Israelische Siedlungen". Dagegen hatten die Organisation Juive Européenne und der Weinhersteller Psagot geklagt, der seine Weine insbesondere in den besetzten Gebieten anbaut.

Psagot-Wein wird in einer israelischen Siedlung im Westjordanland hergestelltBild: Imago Images/Zumapress

Verbraucher, so der Kern des heute gefällten Urteils, müssen eine mündige Wahl treffen können. Dazu gehöre informiert zu werden, wenn innerhalb der EU angebotene Lebensmittel aus Siedlungen stammen, die in vom Staat Israel besetzten Gebieten errichtet wurden. Denn, so erläutert der EUGH in seinem Urteil, darin manifestiere sich "eine Umsiedlungspolitik", die dieser Staat außerhalb seines Hoheitsgebietes unter Verstoß gegen Regeln des humanitären Völkerrechts umsetze. Diese ethischen Gesichtspunkte könnten bei dem Verbraucher eine Rolle spielen und die Kaufentscheidung der Verbraucher beeinflussen. Ohne eine entsprechende Angabe bestehe eine "Irreführung des Verbrauchers", so der EuGH. Mit dieser Rechtsauslegung bekräftigt das Gericht die politische Haltung der EU. Mit den Siedlungen breche Israel internationales Recht, heißt es in einer jüngsten Stellungnahme des Europäischen Auswärtigen Dienstes EEAS. Der UN-Sicherheitsrat hatte 2016 einen vollständigen Siedlungsstopp von Israel gefordert. Die internationale Gemeinschaft bezeichnet die Siedlungen als Verstoß gegen internationales Recht und als großes Hindernis für einen Frieden in Nahost. 

Gesetzeslücken gestopft

Der Nicht-Regierungsorganisation Oxfam zufolge war es in dieser Angelegenheit bislang für nationale Behörden schwierig, geltendes EU-Recht umzusetzen. Israelische Hersteller seien "sehr kreativ", was Herkunftsbezeichnungen anbelange. Kritikern zufolge hätten Hersteller von Produkten aus den besetzten Gebieten etwa ihren Sitz nach Israel verlegt. Andere ließen ihre Waren in Europa verpacken, um ein entsprechendes Labelling zu verhindern. "Oft können EU-Staaten die genaue Herkunft nicht mehr nachvollziehen" so ein Oxfam-Sprecher zu der bislang zähen Umsetzung der EU-Verordnung. Dieser Praxis schiebt der EUGH nun einen Riegel vor: In ihrem Urteil erläutern die Luxemburger Richter, wie die Begriffe "Ursprungsland", "Land" und "Gebiet" auszulegen sind, um künftigem Missbrauch vorzubeugen. Demnach gelten Waren, die auch nur teilweise in besetzten Gebieten produziert wurden, bereits als kennzeichnungspflichtig.

Der illegale israelische Siedlungsbau in den besetzten Gebieten ist seit langem einer der Hauptstreitpunkte zwischen Israelis und PalästinensernBild: Getty Images/AFP/A. Gharabli

Palästinensische Unternehmer begrüßen das Urteil. Ziad Anabtawi, Vorsitzender des pro-palästinensischen Lebensmittelverbandes Al'Ard Palestinian Agri-Products, ist eigens aus dem Westjordanland nach Brüssel gereist. Er erhofft sich durch die verpflichtende Kennzeichnung Vorteile für die palästinensische Wirtschaft. Diese habe, so Anabtawi gegenüber der DW, durch die illegale Besetzung Israels mit schweren logistischen Hindernissen zu kämpfen. Hohe Kosten bei der Verschiffung nach Europa etwa bedeuteten einen steten Wettbewerbsnachteil. Die künftig verpflichtende Herkunftsbezeichnung sei ein Schritt in die richtige Richtung. Bereits in der Vergangenheit hätten EU-Staaten deutlich reagiert. Neben britischen Supermärkten, so Anabtawi, habe etwa die niederländische Supermarktkette JUMBO gekennzeichnete Siedler-Produkte bereits freiwillig aus dem Sortiment genommen.

Israels Botschafter in Berlin, Jeremy Issacharoff, forderte Deutschland auf, das EuGH-Urteil zur Kennzeichnung von Produkten aus den besetzten Gebieten nicht umzusetzen. "Das Urteil des EuGH hebt Israel aus anderen umstrittenen territorialen Konflikten hervor und trägt nicht zu einer ausgehandelten politischen Lösung bei", sagte Issacharoff der Zeitung "Die Welt". Eine Reaktion der israelischen Vertretung bei der Europäischen Union auf Nachfrage der DW blieb bislang aus.

Unmittelbar nach der Kennzeichnungs-Empfehlung der EU-Kommission aus dem Jahre 2015 waren die Beziehungen zwischen der EU und Israel zeitweise auf dem Tiefpunkt. Das heutige EuGH-Urteil soll den EU-Mitgliedsstaaten nun helfen, geltendes EU-Recht künftig effektiver anzuwenden.

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