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PolitikIsrael

Kernelement der Justizreform in Israel verabschiedet

24. Juli 2023

64 von 120 Knesset-Abgeordneten stimmten nach tagelangen Debatten für das neue Gesetz. Damit ist es dem Höchsten Gericht Israels nun nicht mehr möglich, eine Entscheidung der Regierung als "unangemessen" zu bewerten.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und einige seiner Minister in der Knesset
Gut gelaunt: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und einige seiner Minister in der KnessetBild: Amir Cohen/REUTERS

Trotz massiven Widerstands hat Israels Parlament ein Kernelement der umstrittenen Justizreform verabschiedet. 64 von 120 Abgeordneten stimmten für einen Gesetzentwurf, der die Handlungsmöglichkeiten des Höchsten Gerichts einschränkt. Die Opposition boykottierte die Abstimmung. mehrere ihrer Abgeordneten riefen "Schande, Schande!" 

Erbitterter Protest vor dem Parlament 

Das Gesetz ist Teil eines größeren Pakets. Kritiker stufen es als Gefahr für Israels Demokratie ein. Mit dem neuen Gesetz ist es dem Höchsten Gericht Israels künftig nicht mehr möglich, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als "unangemessen" zu bewerten.

Kritiker befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten und Entlassungen begünstigt. Die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wirft der Justiz dagegen vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen.

Der Staat Israel hat keine schriftliche Verfassung und fußt stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen. Und weil es keine zweite Parlamentskammer gibt, die die Gesetzgebung der Knesset kontrollieren könnte, kommt dem Höchsten Gericht eine besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu.

Auch am Abstimmungstag noch Protest vor der Knesst, dem israelischen Parlament, in Jerusalem. Die Polizei setzt Wasserwerfer ein, um die Demonstranten zu vertreiben. Bild: MENAHEM KAHANA/AFP

Vor der Abstimmung hatte die Knesset mehr als 24 Stunden lang über das Gesetzesvorhaben debattiert. Während der Aussprache protestierten vor dem Parlament zahlreiche Demonstranten gegen das Vorhaben der Regierung.

Sicherheitskräfte nutzten Wasserwerfer, um hunderte Gegner der Reform auseinanderzutreiben, die den Eingang zum Parlament in Jerusalem blockierten. Einige wurden festgenommen.

Petition des Oppositionsführers, Genugtuung bei Ministern

Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid kündigte an, dass am Dienstag beim Höchsten Gericht eine Petition gegen die "einseitige Aufhebung des demokratischen Charakters des Staates Israels" eingereicht werde. 

Justizminister Jariv Levin gilt als die treibende Kraft hinter der umstrittenen Reform des israelischen Justizsystems Bild: Gil Cohen-Magen/REUTERS

Justizminister Jariv Levin erklärte dagegen nach der Schlussabstimmung, Israels Regierung habe "den ersten Schritt in dem historischen Prozess getan, das Justizsystem zu korrigieren und die Befugnisse wiederherzustellen, die der Regierung und der Knesset über viele Jahre hinweg genommen wurden".

Levin gilt als die treibende Kraft hinter der Reform. Auch der rechtsradikale Finanzminister Bezalel Smotrich begrüßte die Annahme des Gesetzes. Man habe bis zur letzten Minute nichts unversucht gelassen, aber die Opposition habe sich "leider einem Kompromiss widersetzt".

Kritik auch aus Militär und Wirtschaft

Seit mehr als einem halben Jahr spaltet das Vorhaben weite Teile der israelischen Gesellschaft. Regelmäßig gehen Tausende Menschen gegen eine Schwächung der Justiz auf die Straßen.

Verhandlungen, auch in letzter Minute, über einen Kompromiss blieben erfolglos. Zuletzt nahm auch der Widerstand innerhalb des Militärs zu. Mehr als Zehntausend Reservisten kündigten an, nicht mehr zum Dienst zu erscheinen, sollte ein Teil der umstrittenen Pläne verabschiedet werden. Auch aus der Wirtschaft und weiteren Teilen der Gesellschaft gab es solche Drohungen.

Protest mit - angemessenen - Perücken gegen den massiven Umbau des israelischen Rechtssystems Bild: Maya Alleruzzo/AP Photo/picture alliance

Netanjahus Koalition ist die am weitesten rechts stehende, die das Land je hatte. Die Gesetzesänderungen erfolgen auf Druck von Netanjahus strengreligiösen Koalitionspartnern. 

sti/hf (afp, ap, dpa, rtr)