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Artenschutz: Tiere töten, um sie zu schützen?

Jennifer Collins
18. September 2024

Namibia tötet Tiere, um sie zu retten und zum Schutz der Bevölkerung vor der anhaltenden Dürre. Wie gut ist diese Strategie?

Afrikanischer Elefant (Loxodonta africana), Spießböcke (Oryx gazella), Giraffen (Giraffa camelopardalis), Springböcke (Antidorcas marsupialis), Steppenzebras (Equus quagga) am Wasserloch, Etosha-Nationalpark, Namibia,
Kann die Jagd Teil einer wirksamen Artenschutz-Strategie sein, wie Namibia sagt?Bild: Markus Obländer/imageBROKER/picture alliance

Wer bei Google die Wörter "Jagd" und "Namibia" sucht, findet Hunderte von Suchergebnissen der letzten Jahre. Sie werben mit  "luxuriösen Unterkünften" und dem Genuss "der feinsten Küche des Landes" und der Jagd auf wilde Tiere wie Gnus, Oryxantilopen und Zebras.

Auch wenn es widersprüchlich scheinen mag, die Trophäen- und Abschussjagd ist Teil von Namibias langjährigem Landmanagement. Durch nachhaltige Nutzung sollen dabei die Ökosysteme geschützt und die Zahl der Wildtiere erhöht werden.

Die Gewinne aus der Jagd werden für den Naturschutz und anliegende Gemeinden verwendet. Und das Fleisch des erlegten Wilds wird nach Regierungsangaben vor Ort verteilt oder verkauft.

Auf diese Strategie setzt Namibia derzeit, um einerseits die Bevölkerung mit Fleisch zu versorgen und gleichzeitig den Druck auf Wasser und Vegetation während der schlimmsten Dürre des Landes seit 100 Jahren zu verringern.

Angesichts der kritischen Wasserstände sterben viele Wildtiere ebenso wie Nutztiere, Felder vertrocknen. 1,4 Millionen Menschen - die Hälfte der Bevölkerung - leiden an Hunger.

Während der Dürreperioden müssten die Tierbestand kontrolliert werden, um die Vegetation zu schützen, so BrownBild: picture alliance / imageBROKER

Deshalb hat die Regierung 640 Tiere wie Büffel und Zebras in Nationalparks und Gemeindegebieten zur Schlachtung freigegeben. Das gilt auch für 83 Elefanten an Orten, die als "Hotspots" für Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren gelten.

Ein Teil davon wird über teure Jagdlizenzen an Trophäenjäger verkauft, mit dem Geld soll die Wasserversorgung in den Nationalparks verbessert werden. Das Fleisch aus den Trophäenjagd wird an die bedürftigsten Menschen verteilt.

Die Maßnahmen haben international für Empörung gesorgt. Kritiker halten die Strategie für kurzsichtig, weil sie keinen wirklichen Einfluss auf die Zahl der Hungernden habe.

"Was wir hier wirklich brauchen, sind langfristige und nachhaltige Lösungen", sagt Abigail Forsyth, von der Tierrechtsorganisation PETA gegenüber der DW. "Wir wissen, dass die Vereinten Nationen bereits daran arbeiten, Namibia zu helfen. Und wir haben sie bereits aufgefordert, weitere Anstrengungen mit anderen Programmen, wie dem Welternährungsprogramm, zu unternehmen."

Die namibische Umweltkammer (NCE), ein nichtstaatliches Netzwerk von Naturschutzgruppen, erklärt, die Gegner der Wildtierstrategie versuchten, "internationale Empörung zu erzeugen über die Kühnheit eines afrikanischen Landes, sich in einer Krisenzeit selbst zu helfen, anstatt auf Almosen aus den Industrieländern zu warten".

"Hier wird wirklich mit zweierlei Maß gemessen, mit gravierenden Doppelstandards", sagt Chris Brown, Umweltwissenschaftler und Leiter des NCE.

Keulung ist Teil von Namibias Umweltstrategie

Brown, der früher für das namibische Umweltministerium tätig war, erklärt, dass die Keulung eine gängige Methode sei, um die empfindlichen Ökosysteme in dem trockenen Land zu schützen.

Schützen oder töten? Botsuanas Elefanten-Problem

19:24

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Nach Angaben der NCE gibt es in Namibia etwa 2,5 bis 3 Millionen Wildtiere. Jährlich werden bis zu 360.000 Tiere wegen ihres Fleisches getötet. In Dürrejahren werden noch mehr Tiere in eingezäunten Nationalparks und auf Farmen getötet, da sie auf der Suche nach anderen Nahrungsquellen nicht weiter wandern können.

"In Dürreperioden muss man reagieren, weil man sonst die Vegetation schädigt", so Brown. "In diesen trockenen Gebieten dauert es sehr, sehr lange, bis sich das Weideland erholt: nicht Jahre, sondern manchmal Jahrzehnte. Wenn dann der Regen kommt, ist die Erholung sehr begrenzt."

Der Elefant im Raum

Brown weist auch darauf hin, dass das Leben in der Nähe von Löwen, Leoparden und Elefanten eine "Plage" sein könne. Und fügt hinzu, dass auch Landwirte in Europa nicht mit Wölfen oder Füchsen auf ihrem Land leben wollen. Wenn eine Elefantenherde auf der Suche nach Wasser auftaucht und keines findet, würden die Tiere mürrisch. Sie reißen dann Wasserbehälter um, ziehen Rohre hoch und schlagen sogar mit dem Rüssel nach Menschen, sagt er.

Die Aufteilung der Einnahmen aus kontrollierter Jagd ermutigt Landwirte und Einheimische, mit diesen Tieren zu leben, anstatt ihnen Schaden zuzufügen, so die NCE.

"Unsere Herausforderung besteht darin, Wege zu finden, wie wir Menschen dazu motivieren können, mit Wildtieren zu leben, so dass es sich für sie lohnt. Eine Möglichkeit besteht darin, einige Elefanten abzuschießen", sagt Brown. Dieser Anreiz kann etwa in Geld aus dem Verkauf von Jagdlizenzen bestehen, in Wildfleisch oder in Arbeitsplätzen im Zusammenhang mit der Jagd.

Manche Umweltschützer plädieren dafür, der lokalen Bevölkerung einen finanziellen Anreiz zum Schutz der Tiere zu geben Bild: F. Nusch/DW

Für Forsyth von PETA ist Trophäenjagd nicht die Antwort auf den Schutz von Wildtieren. "Trophäenjagd hat nichts mit Naturschutz zu tun und Tiere sollten nicht geschlachtet werden, um Geld zu verdienen. Die Zahlen stimmen einfach nicht", sagt sie, Sie fordert von Regierungen, stattdessen Arbeitsplätze und Einkommen durch Safaritourismus zu schaffen.

Die NCE verweist auf den Anstieg der Elefantenpopulation von etwa 7.000 Mitte der neunziger Jahre auf rund 24.000 heute als Beweis für den Erfolg des Naturschutzmodells des Landes. "Die Elefantenpopulation gedeiht hier tatsächlich sehr gut. Weil die Menschen bereit sind, mit den Elefanten zu leben", sagt Brown.

Dem widerspricht eine Gruppe namibischer Naturschützer und Wissenschaftler. Sie fordern in einem Brief ein Ende der Abschüsse und werfen den afrikanischen Staaten vor, die Elefantenpopulationen "erheblich aufzublähen", um "die letzten Exemplare dieser Art zu Geld zu machen". Die Kritiker verweisen auf den Rückgang der Bestände auf dem gesamten afrikanischen Kontinent von fünf Millionen im Jahr 1900 auf nur noch 400.000 heute.

Die Naturschützer weisen darauf hin, dass die Tötung selbst weniger Elefanten in einer Herde verheerende Folgen haben kann. So könnten traumatisierte Tiere aggressiver gegenüber Menschen sein. Stattdessen schlagen sie andere, "humanere” Populationskontrollmethoden vor, wie etwa Empfängnisverhütung für Elefanten, um das Risiko von Konflikten zwischen Menschen und Wildtieren zu verringern.

Ist der Verzehr von Wild gefährlich?

Kritiker der geplanten Keulung in Namibia warnen auch davor, dass der Umgang und die Verarbeitung von Wildtieren dazu beitragen kann, dass Krankheitserreger von Wildtieren auf Menschen übertragen werden. 

"Die Risiken des Schlachtens und Verzehrs von Wildtieren gefährden nicht nur die namibische Bevölkerung, sondern auch die globale Gesundheit", sagt Forsyth und verweist auf Zoonosen wie HIV/Aids und Ebola. "Es ist sicherlich ein Risiko für eine dieser Krankheiten oder eine Pandemie, die wir bisher noch nicht gesehen haben."

Zoonosen - kommt die nächste Pandemie?

05:03

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Der internationale Zusammenschluss staatlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen für nachthaltige Entwicklung und Naturschutz (IUCN) widerspricht. Die 2022 von IUCN veröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Handel mit Wildtieren und die Jagd nicht die Hauptursache für Zoonosen sind, da es nur ein oder zwei bestätigte Fälle einer solchen Übertragung unter einer Milliarde gibt.

Zwar sollten die Risiken durch den Handel mit Wildtieren und die Jagd nicht ignoriert werden, sagen die Autoren. Doch die meisten Fälle von Zoonosen werden durch tierische Nahrungsmittel und Insekten verursacht oder gehen "auf die Intensivierung und Ausweitung der Landwirtschaft und die Zerstörung der Tropenwälder" zurück.

Adaptiert aus dem Englischen von Gero Rueter.

Redaktion: Tamsin Walker

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