1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kevin Körner: Kroatien braucht schmerzhafte Reformen

Andrea Jung-Grimm28. August 2014

Der Weg ist noch lang, aber mittelfristig wird sich der EU-Beitritt für Kroatien auszahlen, sagt Kevin Körner aus der Researchabteilung der Deutschen Bank. Für die Nachbarstaaten sind die Prognosen weniger optimistisch.

Kevin Körner von der Researchabteilung der Deutschen Bank (Foto: Martin Joppen)
Bild: Martin Joppen

DW: Wie schätzen Sie die Wirtschaftslage in Kroatien ein, ein Jahr nach dem EU-Beitritt?

Kevin Körner: Kroatien ist weiterhin in der Rezession. Neben Griechenland ist es das einzige Land innerhalb der EU, das so eine lange Rezession seit der Finanzkrise zu verzeichnen hat. 2013 hatten wir einen Wachstumseinbruch von 0,9 Prozent, das fünfte Jahr Rezession in Folge. Seit Beginn der Finanzkrise ist die Wirtschaft um 12 Prozent real geschrumpft. Das ist natürlich ein ziemlich hoher Wert.

Für dieses Jahr sieht es leider nicht viel besser aus. Mittlerweile gehen eigentlich fast alle Beobachter davon aus, dass die kroatische Wirtschaft dieses Jahr wieder leicht schrumpfen wird. So hätten wir Rezession das sechste Jahr in Folge.

Wo sehen sie die Ursachen für diese andauernde Rezession?

Die Situation ist, im Vergleich zum letzten Jahr vor dem EU-Beitritt, relativ unverändert. Zum einen haben wir natürlich eine sehr schwache Inlandsnachfrage, sowohl was die privaten Haushalte und Unternehmen betrifft, als auch den Staat. Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor sehr hoch, die liegt im Moment bei etwa 18 Prozent. Das Kreditwachstum ist nach wie vor negativ, sowohl aufgrund schwacher Kreditvergabe als auch Kreditnachfrage. Ein weiterer Faktor, der auf der Wirtschaft lastet, ist die Notwendigkeit des Staates, seine Fiskalbilanzen zu konsolidieren. Wir haben letztes Jahr ein Fiskaldefizit von fast fünf Prozent des BIP gehabt, also weit über dem Drei-Prozent-Limit der EU. Auch die Staatsschulden lagen mit über 60 Prozent über der EU-Höchstgrenze. Dementsprechend hat die Europäische Kommission Anfang dieses Jahres ein Defizit-Verfahren gegen Kroatien eröffnet, das eine deutliche Konsolidierung der Staatsfinanzen über die nächsten Jahre vorsieht.

Kroatien bleibt EU-Sorgenkind, meint Kevin KörnerBild: Fotolia/Comugnero Silvana

Für die Krise in Kroatien sind viele verantwortlich

Hatte der EU-Beitritt gar keine positiven Effekte?

Kurzfristig muss man sagen, dass ein großer Schwung für die Wirtschaft durch den EU-Beitritt noch ausgeblieben ist. Der EU-Beitritt sollte mittelfristig einen positiven Effekt haben, aber Voraussetzung dafür ist natürlich, dass strukturelle Probleme gelöst werden, sowohl was Arbeitsmarkt, Investitionsumfeld und Unternehmerfreundlichkeit als auch den Staatshaushalt betrifft. Nur wenn das Vertrauen in die kroatische Wirtschaft und den kroatischen Staat gestärkt werden und die Wettbewerbsfähigkeit verbessert wird, nur dann kann man Investitionsflüsse in der Größenordnung erwarten, dass sie einen entsprechend positiven Effekt auf die Wirtschaft haben.

Die kroatische Regierung behauptet, dass sie um die Reformen sehr bemüht ist, die Opposition dagegen beschuldigt die Regierung wegen der schlechten Wirtschaftslage. Wo ist die Wahrheit?

Man muss hier vorsichtig sein, einer einzigen Regierung in einer Legislaturperiode die Verantwortung für eine Situation zu geben, die langfristig gewachsen ist. Wenn wir uns Strukturprobleme anschauen, z.B. den Arbeitsmarkt, Privatisierungen und alle mögliche Faktoren, die Arbeitsmarktflexibilität reduzieren - das sind Faktoren, die historisch gewachsen sind. Dafür ist nicht die entsprechende Regierung verantwortlich. Wofür man Regierungen schon in die Verantwortung nehmen kann, ist die Geschwindigkeit, mit der Reformen umgesetzt werden. Es wurden auch bereits einige wichtige Reformmaßnahmen umgesetzt, etwa im Bezug auf das Investitionsumfeld, Arbeitsmarktflexibilität und Sozialsysteme, allerdings muss hier sicher noch mehr gemacht werden. Man muss auch berücksichtigen, dass diese Reformen oft schmerzhaft sind und Zeit brauchen, bis sie Wirkung zeigen. Reformen müssen daher oft auch gegen einen relativ hohen Widerstand aus der Bevölkerung umgesetzt werden, was vor allem im Umfeld von Wahlen mit entsprechenden politischen Kosten verbunden sein kann.

Vor Serbien liegt noch ein langer Weg

Wie ist die Wirtschaftslage in den kroatischen Nachbarstaaten Serbien und Bosnien und Herzegowina?

Viele Dinge, die wir besprochen haben, auch viele Probleme struktureller Art sind natürlich sehr ähnlich. Die Arbeitslosigkeit ist in Serbien und Bosnien und Herzegowina (B-H) noch hoher als in Kroatien, Serbien liegt bei über 20 Prozent, Bosnien bei über 25 Prozent. Wenn man sich die Wirtschaftslage anschaut: Serbien war nicht durchgehend in der Rezession nach der Finanzkrise. Aber viele der strukturellen Probleme sind einfach ähnlich wie in Kroatien. In Serbien ist in den letzten Jahren auch die Staatsverschuldung massiv angestiegen, die liegt auch bei über 60 Prozent. Serbien hat auch mit Reformen und Konsolidierungsmaßnahmen zu kämpfen. Das Land möchte wieder das Vertrauen in die serbische Wirtschaft stärken. Allerdings, ähnlich wie in Kroatien, haben wir Potential für zunehmende Frustration und Widerstand in der Bevölkerung, weil eben kurzfristig vor allem die Schattenseiten dieser Reformmaßnahmen gesehen werden.

Serbien braucht StrukturreformenBild: AP/Montage DW

Einige große ausländische Investoren sind in den letzten Jahren nach Serbien gegangen. Ist die serbische Wirtschaft für ausländische Unternehmen interessanter als die kroatische?

Das würde ich so nicht sagen. Ein klarer institutioneller Vorteil Kroatiens ist, das Kroatien bereits EU-Mitglied ist, als erstes Land auf dem Westbalkan. Serbien und Montenegro befinden sich hier noch mitten im Beitrittsprozess, ein EU-Beitritt kann wohl nicht vor 2020 erwartet werden. Im Bezug auf vertrauensbildende Maßnahmen bei Investoren ist das für Kroatien ein positiver Aspekt. Dafür hat Serbien zum Beispiel einen relativen Vorteil, was das Niveau der Lohnkosten betrifft.

Bosnien-Herzegowina - ein gelähmtes Land

Und wie steht es um Bosnien und Herzegowina?

Das ist noch mal ein ganz anderer Fall. Wenn man sich noch mal Kroatien und Serbien anschaut - es gibt dort Schwierigkeiten in der Umsetzung der Reformen, es geht alles zu zögerlich, das müsste schneller gehen, um wirklich die Wirtschaft anzukurbeln. Aber grundsätzlich sind das zwei Länder mit relativ stabilen politischen Systemen. Das sieht in B-H ganz anders aus: Zum einen die Situation mit dieser Aufteilung in zwei Entitäten; dann die Schwierigkeit, sich auf der staatlichen Ebene, aber auch in der bosnisch-kroatischen Entität bei der Regierungsbildung einig zu werden. Die Republika Srpska streitet sich kontinuierlich mit dem Büro des Hohen Repräsentanten über den Einfluss, den dieses Büro dort haben soll und über den Grad der Autonomie.

Bosnien und Herzegowina ist ein unstabiles Land

Andererseits, wenn man sich Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit anschaut, ist B-H vergleichsweise besser aufgestellt als Serbien und Kroatien. Allerdings ist B-H auch stärker orchestriert von außen – so hat das Land Auflagen im Rahmen eines IWF-Programms zu erfüllen. Insgesamt aber ist B-H gelähmt durch die schwierige politische Konstellation, für die es in absehbarer Zeit wohl keine eindeutige Lösung gibt. B-H ist zu sehr gelähmt, was Reformen betrifft - sowohl politische, um als EU-Beitrittskandidat in Frage zu kommen, als auch wirtschaftliche, die mittelfristig notwendig wären, um die Wirtschaft zu stärken.

Kevin Körner ist Analyst in der Research-Abteilung der Deutschen Bank. Dort ist er für Südosteuropa zuständig.