Es war ein emotionaler Auftritt des pakistanischen Ministerpräsidenten bei der UN-Generaldebatte. "Wenn ein Land mit Nuklearwaffen bis zum Ende kämpft, hat das Konsequenzen", sagte er. Der US-Präsident will vermitteln.
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Pakistans Ministerpräsident Imran Khan forderte die Vereinten Nationen bei seinem ersten Auftritt in der UN-Generaldebatte in New York erneut zu einem Eingreifen im Kaschmir-Konflikt auf. Andernfalls sei ein weiterer Krieg zwischen den Atommächten Pakistan und Indien wahrscheinlich. "Wenn das schlecht läuft, hofft man auf das Beste - aber seid auf das Schlimmste vorbereitet."
Indischer Premier erwähnt Kaschmir mit keinem Wort
Der Hausarrest in Kaschmir müsse aufgehoben und der Autonomiestatus wiederhergestellt werden. Indien und Pakistan haben seit ihrer Unabhängigkeit von britischer Kolonialherrschaft im Jahr 1947 drei Kriege geführt, zwei davon um die geteilte Region Kaschmir. Beide Atommächte beherrschen jeweils einen Teil von Kaschmir, ein weiterer Teil gehört zu China. Anfang August hatte Indien der indisch kontrollierten Kaschmir-Region den Autonomiestatus entzogen und damit die Spannungen im Verhältnis zu Pakistan schlagartig erhöht.
Den indischen Premierminister Narendra Modi, der bei der Generaldebatte kurz zuvor gesprochen, aber den Kaschmir-Konflikt mit keinem Wort erwähnt hatte, bezeichnete Khan als "grausam". Modi habe die Menschen in Kaschmir aus "bloßer Arroganz" unter Hausarrest gestellt. "Und was wird passieren, wenn der Hausarrest aufgehoben wird? Er hat das nicht zu Ende gedacht", sagte Khan und warnte für diesen Fall vor einem "Blutbad".
USA erhöhen Druck auf Indien
"Es wird eine Reaktion geben, dann wird Pakistan verantwortlich gemacht werden und dann werden sich zwei Atommächte gegenüberstehen." Bei einem Krieg zwischen Indien und Pakistan könne "alles passieren", sagte er. "Was wir machen werden? Diese Frage stelle ich mir und wir werden kämpfen. Wenn ein Land mit Nuklearwaffen bis zum Ende kämpft, hat das Konsequenzen, die weit über seine Grenzen hinausgehen."
Bereits am Donnerstag hatten die USA die indische Regierung dazu aufgerufen, die seit Wochen für die frühere Autonomieregion Kaschmir geltenden Restriktionen zu lockern. Eine Vertreterin des US-Außenministeriums sagte, die Regierung in Washington hoffe auf "promptes Handeln" Neu Delhis und auf die Freilassung Festgenommener in Kaschmir. Die Vertreterin bekräftigte zudem die Bereitschaft von US-Präsident Donald Trump, im Konflikt zwischen den benachbarten Atommächten Indien und Pakistan zu vermitteln, sofern dies von beiden Seiten gewünscht wird.
nob/jj (dpa, afp)
Kaschmir: Leben mit der Ausgangssperre
Seit anderthalb Wochen gilt eine Ausgangssperre im indischen Teil der Kaschmir-Region. Die Regierung befürchtet einen Aufruhr wegen der Streichung von Sonderrechten der Region. Hinter verschlossenen Türen gärt Unmut.
Bild: Reuters/D. Siddiqui
Unter Hausarrest
Seit dem 5. August gilt eine Ausgangssperre für die Menschen in der indischen Provinz Jammu und Kaschmir. Die Zentralregierung hat sie verhängt, weil sie einen Aufstand gegen eine weitreichende Entscheidung befürchtet: Die hindu-nationalistische Regierung hat der mehrheitlich muslimischen Region ihren Sonderstatus entzogen und so ihre Kontrolle über den Bundesstaat ausgeweitet.
Bild: Reuters/D. Siddiqui
Stille Post
Zusätzlich gilt eine umfassende Informationssperre: Internet- und Telefonleitungen sind tot, nur bei manchen Behörden kann man mit Glück kurz telefonieren. Viele haben seit Beginn der Ausgangssperre nichts mehr von ihren Angehörigen gehört. Immerhin erscheinen, wenn auch unter widrigen Bedingungen, noch eine Handvoll lokaler Zeitungen - die sind dann rasch ausverkauft.
Bild: Reuters/D. Siddiqui
Hinter Gittern
Nicht alle Kaschmiris sitzen zu Hause, so wie diese Familie in Srinagar. Die Polizei vermeldete vergangene Woche 300 Festnahmen, zum Teil als "Präventivmaßnahme". Gerüchte sprechen von 500 Festgenommenen, wie Reuters berichtet. Aktivisten verbreiteten ein Video eines 11-jährigen Jungen, der von angeblicher Polizeigewalt in Gewahrsam berichtet - und von noch jüngeren Festgenommenen.
Bild: Reuters/D. Siddiqui
Tränen der Verzweiflung
Jameela, die Mutter des 28-jährige Koranlehrers Irfan Ahmad Hurra, berichtet unter Tränen, ihr Sohn sei am 5. August festgenommen worden. "Ich weiß nicht, was ihm vorgeworfen wird. Wir wissen nicht, wo er ist." Sie sagte, er sei krank und benötige Medikamente. Schon in der Vergangenheit war Hurra laut seiner Familie in Gewahrsam, weil ihm Unruhestiftung und Sachbeschädigung vorgeworfen wurde.
Bild: Reuters/D. Siddiqui
Soldat müsste man sein...
Während die indischen Soldaten sich frei bewegen können, dürfen die mehr als vier Millionen Einwohner des Kaschmirtals offiziell nicht einmal zum Einkaufen in die Stadt. Die indische Armee ist in der Region schon lange sehr präsent, in den Tagen vor der Ankündigung wurden noch einmal mindestens 10.000 zusätzliche Soldaten in den Kaschmir verlegt.
Bild: Reuters/D. Ismail
Alltag im Ausnahmezustand
Fotos wie dieses erwecken einen Anschein von Normalität trotz der Blockade. Die meisten Bewohner der Region haben solche Ausgangssperren schon mehrfach erlebt, zum Beispiel 2008, 2010 und 2013. Damals gab es Massenproteste gegen die indische Regierung, die mit Ausgangssperren reagierte - jedoch noch nie so umfangreich wie heute: Das Telefon-Festnetz ist zum ersten Mal abgeschaltet.
Bild: Reuters/D. Siddiqui
Wann kommen die Kunden?
Eigentlich ist die Provinzhauptstadt Srinagar mit einer Million Einwohnern ein belebter Ort. Doch wegen der Ausgangssperre bleiben nicht nur diesen Bäckern die Abnehmer für ihre Ware weg. Nur fürs islamische Opferfest am vergangenen Wochenende durften die Bewohner umfangreicher einkaufen gehen. Die Ausgangssperre führt zu Versorgungsengpässen, auch bei Medikamenten.
Bild: Reuters/D. Siddiqui
Leben im "Freiluftgefängnis"
In Srinagar bezeichnen Bewohner ihre Lage mittlerweile als "Freiluftgefängnis". An manchen Orten soll es Demonstrationen gegeben haben, die die Polizei mit Tränengas aufgelöst haben soll - was offiziell jedoch nicht bestätigt wird. Viele Kaschmiri sind zunehmend frustriert über "haalat" - "die Situation". Ein Mann sagte AP, sein Handy sei nur noch nützlich, um damit Soldaten zu bewerfen.
Bild: Reuters/D. Siddiqui
Unmut hinter verschlossenen Toren
Korrespondenten, die mit der lokalen Bevölkerung sprechen können, berichten von steigendem Unmut. Sätze wie "wir werden gegen Indien kämpfen" fallen. Viele Menschen tauschen Informationen darüber aus, an welchen Orten Aufstände stattfinden könnten. In der Region gibt es schon lange bewaffnete Rebellen, die für ein freies Kaschmir kämpfen. 2018 wurden 256 von ihnen getötet.
Bild: Reuters/D. Siddiqui
Besonderer Bundesstaat
Jammu und Kaschmir ist der einzige indische Bundesstaat, in dem die Mehrheit der Bevölkerung dem Islam angehört. Seit seiner Unabhängigkeit 1947 begreift Indien sich als Vielvölkerstaat. Dieses Selbstverständnis verschiebt sich jedoch in Richtung eines hinduistisch geprägten Nationalstaats: Narendra Modis hindu-nationalistische BJP dominiert die Politik, im Mai wurde sie erneut stärkste Kraft.
Bild: Reuters/D. Siddiqui
Neu-Delhis langer Arm
Während die Kaschmiris zu Hause ausharren, müssen sie befürchten, dass ihre Region sich nun verändert und sie womöglich zur Minderheit werden: Der von der BJP-Regierung abgeschaffte Sonderstatus verhinderte, dass Investoren aus dem Rest des Landes sich im Kaschmir niederließen. Tage vor der Bekanntgabe wurden Hindus zwar aus der Region gebracht, langfristig könnten sie die Region jedoch prägen.
Bild: Reuters/D. Siddiqui
Droht Kaschmir neue Gewalt?
Die Kinder, die bei diesen Soldaten stehen, haben nur Spielzeugpistolen - aber in der Region ist die Angst vor echter Waffengewalt groß: Pakistan, das ebenfalls Ansprüche auf die gesamte Kaschmir-Region erhebt, sieht eine "Gefahr für den Weltfrieden". Deshalb hat der dritte Anrainer, die Volksrepublik China, auf Bitte Pakistans nun das Thema im UN-Sicherheitsrat eingebracht.